Warum „MrWissen2Go“ nach Rheinhessen kam – und auch dort bleiben will

Er ist der wohl beliebteste „Geschichtslehrer“ Deutschlands: Mirko Drotschmann, besser bekannt als „MrWissen2Go“, bringt seinen Zuschauern auf YouTube Geschichtsthemen näher. Wir haben mit dem Wahl-Rheinhessen gesprochen.

Warum „MrWissen2Go“ nach Rheinhessen kam – und auch dort bleiben will

Millionen von Schülern, Studenten und Geschichtsfans kennen ihn: Auf YouTube erklärt „MrWissen2Go“ komplexe Inhalte aus Geschichte, Zeitgeschichte und Politik so, dass alle es verstehen können. Hinter dem Format steckt Mirko Drotschmann: Journalist, studierter Geschichts- und Kulturwissenschaftler – und seit einigen Jahren Rheinhesse. Im Merkurist-Interview spricht der 38-Jährige über seine Liebe zur Region, seine Arbeit auf YouTube und bei der ZDF-Sendung „Terra X“ und Fan-Begegnungen in Dönerläden.

Merkurist: Herr Drotschmann, Sie haben mit ihren Accounts „MrWissen2Go“ und „MrWissen2Go Geschichte“ insgesamt über drei Millionen Follower auf YouTube. Wenn Sie privat unterwegs sind, werden Sie dann oft auf der Straße erkannt?

Mirko Drotschmann: Gar nicht so oft, wie vielleicht andere, die eine ähnliche Reichweite haben. Viele Leute schauen sich die Videos an, weil sie die Themen spannend finden, aber ich als Person bin für die dann vergleichsweise uninteressant. Ich erzähle auch kaum etwas von mir in den Videos. Ich glaube, viele stellen sich mich auch größer vor und sind sich dann nicht sicher, ob ich es wirklich bin. Aber es kommt schon hin und wieder vor – tatsächlich ganz oft in Dönerläden (lacht). Auch in der Nähe von Schulen oder an Unis werde ich öfter mal angesprochen. Aber ich finde das überhaupt nicht störend. Im Gegenteil, es freut mich immer. Man kommt da schnell ins Gespräch und es sind immer sehr nette Unterhaltungen.

Was ist Ihre verrückteste Fan-Geschichte?

Es kommt hin und wieder vor, dass Leute mir eine Kleinigkeit schenken. Zum Beispiel haben sie mal in einem Interview gehört, dass ich gerne Gummibärchen esse – und dann kommen sie und schenken mir eine Tüte Gummibärchen. Das finde ich total schön, weil es so aufmerksam ist. Nicht, dass ich das erwarte, auf gar keinen Fall! Aber es zeigt eben, dass die Leute das wertschätzen und dann auch etwas entgegenbringen. Ich bin auch schon häufiger spontan eingeladen worden. In Rastatt haben mich vor kurzem zwei Schüler auf einen Döner eingeladen. Das habe ich natürlich sehr gerne angenommen, weil ich gerne Döner esse, die Jungs waren auch super drauf. Richtig verrückte Geschichten gab es eigentlich nicht. Aber ich musste schon auf ungewöhnlichen Dingen unterschreiben. Neulich waren es richtig schöne weiße neue Sneaker – da hatte ich schon Respekt, mich nicht zu verschreiben.

Sie wohnen jetzt schon seit einigen Jahren in Rheinhessen. Wo genau?

Das sage ich bewusst nicht so im Detail. Aber ich sage mal, nicht direkt in Mainz, sondern ein bisschen außerhalb.

Wie sind Sie denn hier in die Region gekommen? Ursprünglich kommen Sie ja aus der Nähe von Karlsruhe.

Genau, aus Ettlingen. Ich bin mit Mitte 20 nach Oppenheim gezogen, zusammen mit meiner Frau. Sie hat damals in Mainz studiert und ich hatte die Möglichkeit, beim ZDF zu arbeiten – also die perfekte Gelegenheit, zusammenzuziehen. Ich bin zwar Karlsruhe und der Umgebung sehr verbunden, aber beruflich hat mich dort nichts gehalten. Und Oppenheim ist eine schöne Ecke, es hat uns dort gefallen – auch wenn die B9 nicht so toll ist und man jeden Nachmittag und Abend im Stau steht (lacht). Als dann das erste Kind kam, wurde es räumlich ein bisschen zu klein und wir sind aus Oppenheim weggezogen. Es war uns aber wichtig, in Rheinhessen zu bleiben, weil es uns hier sehr gut gefällt.

Wo gefällt es Ihnen am besten?

Es ist gar kein bestimmter Ort, sondern es ist eher eine Umgebung. Und das sind für mich die Weinberge. Wir wohnen direkt an einem Weinberg und ich kann vom Arbeitszimmer darauf schauen. Das ist für mich immer Urlaubsfeeling. Man muss gar nicht woanders hinfahren, in die Toskana oder wo auch immer, man hat das direkt vor der Tür. Grundsätzlich mag ich die Landschaft hier sehr gerne, und ich mag vor allem die Mentalität. Was ich auch richtig toll finde in Rheinhessen: Egal, wo man Wein trinkt, der ist immer gut. Die Weingüter liefern einfach keinen schlechten Wein, auch bei Weinfesten habe ich noch nie schlechten Wein getrunken.

Apropos Wein: Wie stehen Sie zum Mainzer Marktfrühstück?

Ich war vor kurzem fürs ZDF in der Mainzer Innenstadt unterwegs und habe das Marktfrühstück nochmal von einer ganz anderen Seite erlebt, nämlich von der Seite, dass die Leute total offen sind, wenn man sie mit einem Mikrofon in der Hand anspricht. Das ist man sonst in anderen Städten nicht so gewohnt. Das hat für mich bestätigt, dass die Mainzer einfach ein lustiges, frohes Volk sind. Und ich finde, das Marktfrühstück ist ein Sinnbild dafür. Ich selbst war ein- oder zweimal dort und finde es an sich toll, dass es sowas gibt. Gleichzeitig verstehe ich aber die Kritik und finde es schwierig, wenn es für manche Leute einfach nur noch darum geht, morgens hinzufahren und sich zu betrinken. Das hat für mich nicht mehr viel mit diesem eigentlich gemütlichen Frühstückscharakter zu tun.

Ein weiteres Event, das sehr stark polarisiert, ist die Mainzer Fastnacht. Feiern Sie da mit oder sind Sie jemand, der dann lieber die Flucht ergreift?

Ich bin irgendwo dazwischen. Früher in Karlsruhe habe ich gerne Fasching gefeiert – so heißt es dort nämlich. Mit der Zeit, als wir hierhergezogen sind, war es erstmal kein so großes Thema. Aber nach der Corona-Pandemie habe ich wieder Blut geleckt. Wir waren mit den Kindern beim Mainzer Rosenmontagsumzug und auch sonst auf ein paar kleineren Umzügen verkleidet unterwegs. Das gefällt mir schon. Allerdings gibt es hier auch wieder die gleiche Kritik wie am Marktfrühstück. Wenn es einfach nur als Anlass genommen wird, sich zu betrinken, mag ich das nicht.

In Rheinhessen waren es die Weinberge. Gibt es in Mainz einen Ort, den Sie besonders schön finden?

Es gibt einige Ecken, die ich in Mainz toll finde. Ich finde zum Beispiel die Altstadt sehr schön, der Dom ist natürlich ein Highlight. Was mir aber auch gut gefällt, ist der Kästrich. Wenn man da steht und runterguckt, ist das echt cool. Und vielleicht ein bisschen überraschend, weil sie von außen optisch nicht so ansprechend sind: die Bonifaziustürme. Ich war gerade heute Vormittag bei einem Termin bei den Kollegen von Funk. Die sitzen da oben und der Blick ist sensationell.

Drehen Sie da auch Ihre Videos von „MrWissen2Go“?

Nein, die drehe ich meistens zu Hause im Keller. Ich habe da eine grüne Wand und da steht die Kamera. Ich nehme meine Videos selbst auf – was sehr praktisch ist. Wenn etwas Aktuelles passiert, wie jetzt zum Beispiel zuletzt der Angriff des Iran gegen Israel, muss ich nicht irgendwo hinfahren, sondern ich gehe einfach einen Stock tiefer und kann mich dort um die Videos kümmern.

Machen Sie das alles alleine?

Bei „MrWissen2Go“ mache ich inhaltlich alles selbst, bis auf die Rubrik „MrWissen2Go Exklusiv“. Das ist eine Reportage-Rubrik, die gibt es einmal im Monat. Da sitzt ein Team meistens einen ganzen Monat dran, das würde ich zeitlich nicht schaffen. Aber die anderen Videos recherchiere ich selbst, schreibe die Skripte selbst und dann übernimmt das Team den Schnitt und die Grafiken. Anschließend gehen die Videos in die Abnahme. Bei „MrWissen2Go Geschichte“ ist es ein bisschen anders. Da gibt es ein Team an Autorinnen und Autoren, die das übernehmen – wobei ich in den Entstehungsprozess auch involviert bin.

Was gefällt Ihnen denn besser? Die Arbeit auf YouTube und Social Media oder die beim Fernsehen, bei „Terra X“?

Im Fernsehen ist der Vorteil, dass man oft große Produktionen hat, bei denen man sehr aufwendig produzieren kann. Wir sind jetzt demnächst mit „Terra X“ in den USA, in Norwegen, in Frankreich, Italien. Was ich an YouTube wiederum sehr schätze, ist dieses unmittelbare Verhältnis zum Publikum. Die Leute kommentieren, man kann mit ihnen ins Gespräch kommen. Man kann ein Video auch alleine produzieren, wenn es schnell gehen muss. Insofern hat beides Vorteile und ich könnte mich gar nicht festlegen, was ich lieber mag.

Wie lange dauert es, ein Video für „MrWissen2Go“ zu produzieren?

Das kommt immer auf das Thema an. In der Regel dauert es zwei bis drei Tage, bis ein Skript steht – oder auch mal länger. Das muss geprüft werden, dann wird das Video produziert. Technisch dauert es insgesamt sicherlich eine Woche, wenn nicht noch länger, bis ein Video nach der Postproduktion parat ist. Das Iran-Israel-Video habe ich aber zum Beispiel selbst geschnitten. In solchen Fällen muss es schnell gehen, sonst ist es wieder veraltet, weil sich die Dinge neu entwickeln.

Ist es bei so einer schnellen Recherche auch schon einmal passiert, dass eine Fehlinformation dabei war?

Fehler lassen sich leider nicht vermeiden, auch wenn wir alles versuchen. Das ist in anderen Redaktionen ja genau so. Meistens fällt es der Community auf und dann überlegen wir: Wie gravierend ist jetzt dieser Fehler? In aller Regel ist es vielleicht ein Tippfehler oder eine Kleinigkeit ist falsch. Dann macht man einen angepinnten Kommentar, also einen Kommentar, der allen angezeigt wird, und einen Hinweis im Beschreibungstext. Aber es gab auch schon Fälle, in denen wir ein Video austauschen, neu veröffentlichen und das dann entsprechend korrigieren mussten. Ich finde es auch wichtig, dass das geschieht und mich ärgert das sehr, weil eigentlich mein Anspruch ist, dass sowas nicht passiert.

Im April waren Sie in Mainz bei einer Benefizgala für die Ukraine und haben dort auch über das Problem der Fehlinformationen und gezielten Desinformation gesprochen, gerade zu Kriegszeiten. Wie versuchen Sie mit „MrWissen2Go“ dagegen vorzugehen?

Wenn ich irgendwo Informationen finde, schaue ich, ob es dafür noch eine zweite, davon unabhängige Quelle gibt – also eine ganz klassische journalistische Herangehensweise. Gleichzeitig ist es wichtig, generell misstrauisch sein, die Dinge nicht einfach als gegeben hinzunehmen, sondern immer nochmal nachzuprüfen. Auf meinem Kanal versuche ich auch, ganz offensichtliche Falschmeldungen aufzugreifen und klarzustellen. Das ist immer ein schmaler Grat. Denn einerseits gibt man diesen Dingen dann eine Bühne und sorgt dafür, dass sie sich noch mehr verbreiten. Aber andererseits gibt es auch Dinge, die müssen einfach klargestellt werden.

Bei der Benefizgala haben Sie auch gefordert, dass es ein Schulfach Medienkompetenz geben sollte. Wie sollte das Ihrer Meinung nach aussehen?

Ich finde, so ein Schulfach kann man durchaus schon in der Grundschule starten. Da geht es dann um spielerisches Erarbeiten von Medieninhalten und den Umgang damit. Und das kann später immer komplexer werden: der Umgang mit persönlichen Daten. Wie kann man prüfen, ob Dinge, die man im Netz findet, richtig sind oder falsch? Aber es kann auch um künstliche Intelligenz gehen und um die Weiterentwicklung von KI. Mit nichts haben junge Menschen so viel zu tun in ihrer Freizeit – immer mehr auch während der Schulzeit – wie dem Internet. Da sollte das auch im Unterricht eine Rolle spielen.

Ein Problem, das oft mit Desinformation zusammenhängt, sind Hetze und Hass im Internet. Gibt es bei Ihren Videos Themen, unter denen besonders viele Hasskommentare auftauchen?

Ja, es gibt Themen, bei denen ist das vorprogrammiert: wenn es um Migration geht, wenn es um Konflikte geht – oder auch um Religionen. Immer in solchen Situationen gibt es sehr viel Desinformation und gleichzeitig teilweise auch mutmaßlich gesteuerte Kampagnen von Bot-Armeen, die ein bestimmtes Narrativ verbreiten und versuchen, damit eine Stimmung zu beeinflussen oder zu erzeugen.

Haben Sie in solchen Fällen auch schon einmal User angezeigt?

Ja, bei Straftaten wie Volksverhetzung oder Beleidigung. Allerdings war das bisher in keinem einzigen Fall erfolgreich. Die Ermittlungen sind immer eingestellt worden, weil die Person nicht ermittelt werden konnte. Das ist frustrierend, wenn man sieht, jemand kann da ungehindert Straftaten begehen und es passiert ihm nichts. Das ermutigt die Leute, so weiterzumachen. Ich glaube auch, dass das, was wir im Netz erleben, damit zu tun hat, dass sich im Laufe der Jahre so eine Spirale gebildet hat. Einer hat mal angefangen, irgendwas zu schreiben. Und dann dachten sich andere: „Och, wenn der das schreibt, kann ich das auch.“ Und dann wurde es immer heftiger. Das führt dann dazu, dass wir heute Sachen lesen, die eigentlich bestraft gehören. Ich bin ein großer Fan von Meinungsfreiheit und lege das auch sehr weit aus. Aber sobald offensichtlich ein Gesetz gebrochen wird, muss es geahndet werden.

Zum Glück gibt es ja nicht nur negative Kommentare im Internet. Vor allem bei Schülern kommen Ihre Videos gut an. Bekommen Sie da auch öfter Dankesbotschaften?

Ja – und das ist wirklich schön! Wenn ich irgendwo in einer Schule einen Vortrag halte, kommen die Leute und sagen: „Dank dir habe ich die letzte Klausur bestanden.“ Das glaube ich zwar nicht. Ich glaube, sie haben vor allem ihretwegen bestanden, weil sie ja die Leistung erbringen müssen. Aber wenn es dazu beigetragen hat, dass sie das schaffen, ist es natürlich schön. Es kommen auch immer wieder Nachrichten, Kommentare und vieles mehr. Besonders freut es mich, wenn mir Leute schreiben: „Ich fand Geschichte immer total langweilig, aber durch dich bin ich ein bisschen auf den Trichter gekommen.“ Hin und wieder kommt es tatsächlich vor, dass sie dann auch schreiben: „Geschichte hat mich gar nicht interessiert – heute studiere ich das“, oder „Heute bin ich Geschichtslehrer oder Geschichtslehrerin“. Und genau dafür mache ich das. Einfach, um eine Begeisterung für dieses Fach zu wecken.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führten Inken Grundmann und Veronika Dyks.