Ist der Wunsch nach einer Fahrradbrücke bei Bingen geplatzt?

Der Wunsch nach einer Rad- und Fußgängerbrücke über den Rhein bei Bingen und Rüdesheim ist da. Es stellt sich aber die Frage, ob und inwiefern diese überhaupt gebaut werden darf. Ein Gutachten nennt jetzt Antworten. Ist die Idee damit vom Tisch?

Ist der Wunsch nach einer Fahrradbrücke bei Bingen geplatzt?

Eine Brücke nur für Fußgänger und Fahrradfahrer über den Rhein nach Rüdesheim – Bingen möchte diese Idee unterstützen und vorantreiben. Die Stadt stellt sich aktuell aber die Frage, ob eine solche Brücke überhaupt genehmigungsfähig ist. Der Stadtrat bekam hierauf jüngst die gutachterliche Antwort. Welche Hauptgründe sprechen laut dem Rechtsgutachten gegen den Bau? Wir erklären, wie es aktuell um die Brücke steht.

Die UNESCO, der Welterbetitel und der Naturschutz

Wenn die Brücke im UNESCO-Weltkulturerbegebiet „Oberes Mittelrheintal“ gebaut wird, muss sie „welterbeverträglich“ sein: Trotz der Brücke müsste also der „außergewöhnliche universelle Wert des Weltkulturerbes“ (OUA) erhalten sein. Überdies muss das UNESCO-Welterbekomitee dem Vorhaben zustimmen, was laut dem Gutachten derzeit „sehr unwahrscheinlich“ ist. Ohne die explizite Zustimmung sei eine „rechtmäßige Planung kaum möglich“. Jedenfalls müsste das Welterbekomitee vom Vorhaben überzeugt werden, um den Welterbetitel behalten zu können. Aktuell sei aber das Komitee nicht vom Vorhaben überzeugt und fordert dem Gutachten zufolge, vor etwaigen Planungen beteiligt zu werden. Verschiedene Gründe sprächen gegen eine Zustimmung: Die „Kulturlandschaft“ werde von der Brücke beeinträchtigt, „insbesondere der Blick auf die Weinberge und den Mäuseturm“. Im Übrigen würden die Rheinfähren die „optimale Form der Rheinquerung“ darstellen, wie es auch im Masterplan für das Obere Mittelrheintal heißt.

Da Bingen und Rüdesheim nicht nur im Welterbegebiet, sondern auch in mehreren Naturschutzgebieten liegen, wird es umso schwieriger für die Genehmigung einer Brücke: Laut dem Gutachten sei sogar ein Planungsverbot für die Brücke nicht auszuschließen. Zwar könnten die Naturschutzgebiete dem Gutachten zufolge gegebenenfalls angepasst werden, das würde aber die Naturschutzbehörde aller Voraussicht nach nicht mittragen.

Nur, wenn triftige Gründe für den Bau der Brücke im „überwiegenden öffentlichen Interesse“ liegen und damit den Naturschutz überwiegen, könnte sie trotz der Schutzgebiete genehmigt werden, erläutert das Gutachten. Damit sei jedoch „nicht ernsthaft zu rechnen“. Um die Brücke bauen zu dürfen, müsste beispielsweise der Tourismus erheblich von ihr profitieren. Zudem müssten im Vergleich zur jetzigen Situation „nennenswert“ mehr Menschen die Brücke als die derzeitigen Alternativen nutzen. Dafür gibt es allerdings aus Sicht der Gutachter keine Anhaltspunkte.

Und jetzt?

Zusammenfassend sagt das Rechtsgutachten, dass es für das Projekt einer Rad- und Fußgängerbrücke „hohe rechtliche Hürden“ gebe. Diese würden aber nicht „von vornherein ausschließen“, dass die Brücke genehmigt werden könne – sie würden „die Genehmigungsfähigkeit doch erheblich in Frage stellen“. Es sei „sehr wahrscheinlich“, dass die Brücke nicht genehmigt werde und nicht gebaut werden dürfe. Weitere Planungsschritte würden „jedenfalls ein hohes Risiko“ bergen, endgültig mit dem Vorhaben zu scheitern. Auch fehle es aktuell an Unterstützung für das Projekt von den beteiligten Landkreisen auf beiden Rheinseiten sowie von Hessen und Rheinland-Pfalz.

Die Ergebnisse des Gutachtens wurden dem Binger Stadtrat zur Sitzung am 21. Mai vorgelegt. Dieser war von den Ergebnissen nicht begeistert, wie der Merkurist-Redakteur im Stream verfolgen konnte. Bei ihm entstand der Eindruck, dass sich das Gremium von dem Vorhaben verabschiedet habe. Weitere Untersuchungen zur Machbarkeit einer Brücke sollen nicht mehr angestellt werden, so die Meinung mancher Ratsmitglieder. Nun hat der Stadtrat beschlossen, mit der Stadt Rüdesheim und mit dem Fährenbetreiber über die Zukunft zu sprechen, zum Beispiel ob und wie der Fährverkehr gefördert werden könnte.

Hintergrund

Seit Jahrzehnten wird über eine feste Rheinquerung bei Bingen nachgedacht, nachdem die Hindenburgbrücke (eine Eisenbahnbrücke) im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Während zunächst eine Autobrücke bei Bingen, Ingelheim und Rüdesheim fokussiert wurde, gab es zuletzt die Idee, eine Rad- und Fußgängerbrücke in Nähe des Binger Hafens zu bauen. Bei der Autobrücke würden verschiedene Gründe gegen eine Genehmigung sprechen, besagt eine Machtbarkeitsstudie aus 2021. Ein Gutachten, das jüngst dem Binger Stadtrat präsentiert wurde, spricht aber auch nicht für eine Rad- und Fußgängerbrücke.

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