Ende Juni erst haben Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften beschlossen, den Mindestlohn anzuheben: Von derzeit 12 Euro um 41 Cent pro Stunde. Die Änderungen sollen ab Anfang 2024 gelten. In einem weiteren Schritt soll er dann Anfang 2025 auf 12,82 Euro steigen. Die SPD würde ab nächstem Jahr sogar auf 14 Euro erhöhen. Die Inflation fresse die Löhne der Arbeitnehmer auf, sagte etwa Bundesvorsitzender Lars Klingbeil in einem Interview mit der Bild am Sonntag. Damit sollen vor allem Arbeitnehmer entlastet werden, die wenig verdienen.
Doch es gibt Menschen am unteren Ende der Gehaltsskala, für die gilt die Erhöhung nicht: diejenigen, die einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigt sind. Ihr Entgelt besteht aus einem Grundbetrag (mindestens 126 Euro monatlich) und einem Steigerungsbetrag. Dieser bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung und ist daher unterschiedlich hoch. Einige bekommen zusätzlich ein Arbeitsförderungsgeld von derzeit 52 Euro monatlich.
200 Euro Verdienst im Monat
Zwar wurde der Grundbetrag für die Beschäftigten ab dem 1. Januar 2023 um 17 Euro angehoben, doch insgesamt verdienen Werkstattmitarbeiter damit gerade einmal rund 200 Euro – pro Monat. „Werden Mitarbeiter von WfB's wieder benachteiligt?“, fragt daher Merkurist-Leser Maik in einem Snip. Der Stundenlohn bei Werkstattmitarbeitern liege demnach unter drei Euro. „Wenn man sechs Stunden und 30 Stunden in der Woche arbeitet und noch Grundsicherung hinzukommt, von der ein Teil des Werkstattlohns angerechnet wird, bleibt im Monat nicht viel zum Leben“, so Maik.
Auch bei Mainzer Stellen, in denen Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen arbeiten, ist der Sold nicht besonders hoch. So berichtete ein Vater im vergangenen Jahr gegenüber Merkurist, dass sein Sohn als Küchenhelfer bei einer Behörde in Gonsenheim knapp 320 Euro pro Monat verdiene, bei einer Fünftagewoche.
Für Werkstattmitarbeiter gilt kein Mindestlohn
Menschen, die in den Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten, gelten nicht als Arbeitnehmer. Sie werden als „voll erwerbsgemindert“ eingestuft. In einer WfbM werden also Menschen beschäftigt, für die der allgemeine Arbeitsmarkt nicht zugänglich ist, so beschreibt es die Lebenshilfe. Sie sollen hier bestenfalls auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Daher gelte für sie auch kein Mindestlohn. Auch Sozialversicherungsbeiträge müssen nicht gezahlt werden. Sie bekommen einen kleinen Verdienst, um damit zum Beispiel Wohnung, Essen und Kleidung zahlen zu können. Zusätzlich haben sie etwa Anspruch auf Urlaub, Mutterschutz oder Teilzeit. Jörg Greis, der Geschäftsführer der Mainzer GPE, der Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen gemeinnützige GmbH, sagte bereits vor einem Jahr gegenüber Merkurist, dass diese Regelungen „in einem hohen Maße kritikwürdig“ seien und „dringend einer Veränderung bedürfen“.
So hoffe er beispielsweise, dass die Werkstattbeschäftigten einen Arbeitnehmerstatus erhalten, der dem des allgemeinen Arbeitsmarkts weitgehend entspreche. Denn dann würden die Regelungen des Mindestlohns greifen.