Auch in diesem Jahr erstrahlt das Haus von Erwin Blankenberger in Mainz-Ebersheim wieder in einem bunten Lichtermeer. Es ist eine Tradition, die der Familienvater seit 42 Jahren für seine Tochter Anja aufrechterhält. Seit einem tragischen Verkehrsunfall im März 1983 liegt diese im Wachkoma. Die Lichterketten sind für sie, denn sie reagiert auf die festliche Beleuchtung. Jetzt aber kündigt sich eine einschneidende Entscheidung an, wie Blankenberger im Gespräch mit Merkurist erklärt.
Abschied vom Lichterglanz?
„Ich habe mein Haus und den Garten in diesem Jahr noch einmal geschmückt, aber wahrscheinlich war es das letzte Mal.“ Mit 83 Jahren komme er nun in ein Alter, in dem ihm vieles nicht mehr so leicht von der Hand gehe. „Was passiert, wenn ich von der Leiter falle, wer pflegt dann meine Tochter?“, stellt der Familienvater die ernste Frage. Ohnehin sei es zuletzt immer schwieriger geworden, beim Schmücken des Hauses ständig zwischen draußen (Garten) und drinnen (Tochter) zu wechseln, um alles im Blick zu behalten.
Denn vor drei Jahren musste die Familie einen weiteren schweren Schicksalsschlag verkraften: Erwin Blankenbergers Ehefrau verstarb nach einem Schlaganfall. „Ich wollte nach dem Tod meiner Frau zunächst gar nichts mehr machen, aber weil ich das Haus ja schon immer wegen meiner Tochter geschmückt habe, habe ich mich dann doch umentschieden“, sagte Blankenberger damals. „Meine Frau hätte es auch so gewollt, deshalb habe ich es wieder gemacht.“
Da ihn die alleinige Pflege seiner Tochter inzwischen jedoch sehr fordere, wollte Blankenberger das Schmücken seines Hauses eigentlich schon in diesem Jahr aufgeben. „Doch die Leute haben mich gefragt: ‘Machst du diesmal nichts? Die Kinder freuen sich doch immer so’“, erzählt Blankenberger. Deshalb habe er sich noch einmal aufgerafft, sein Haus und seinen Garten zu illuminieren. Nun folge aber der Schlussstrich.
Kleines Hintertürchen bleibt noch
Auch wenn Blankenbergers Entscheidung feststeht, gibt es möglicherweise doch noch ein Hintertürchen, das auch im nächsten Jahr ein „Weihnachtshaus“ ermöglicht. „Vielleicht führt mein Enkel meine Tradition fort“, sagt Blankenberger. Sicher sei dies jedoch nicht. Denn das Schmücken mit den Lichterketten sei ein nicht zu unterschätzender Aufwand. Unabhängig davon wünscht der Ebersheimer allen Mainzern eine frohe Weihnacht und ein gutes neues Jahr.
Rückblick
Im März 1983 wurde Erwin Blankenbergers Tochter Anja, damals 16 Jahre alt, unverschuldet Opfer eines schweren Verkehrsunfalls. Eine Autofahrerin verlor die Kontrolle über ihren Wagen und erfasste Anja auf dem Bürgersteig. Danach beging die Frau Fahrerflucht und flog in den Urlaub. Sie konnte später von der Polizei überführt und rechtskräftig verurteilt werden.
Anja fiel nach dem Unfall ins Wachkoma. Sie wurde zunächst ein Jahr lang in der Uniklinik Mainz behandelt, ehe ihre Eltern sie mit nach Hause nahmen und seitdem dort pflegen. Nun ist es Vater Erwin, der sich rührend um seine Tochter kümmert und ihr mit dem festlichen Lichtermeer jedes Jahr aufs Neue eine Freude bereitete.