Neue Einrichtung für Obdachlose mit psychischen Erkrankungen in Mainz

In der Mainzer Bahnhofstraße ist vor einiger Zeit eine neue Einrichtung für obdachlose Menschen an den Start gegangen. Die Mitarbeiter kümmern sich hier um Menschen „mit besonderen Unterstützungsbedarfen“.

Neue Einrichtung für Obdachlose mit psychischen Erkrankungen in Mainz

Es ist ein unauffälliger Eingang ohne Schild, ohne besonderen Hinweis, hinter der sich eine ganz besondere Wohngemeinschaft verbirgt. In der Nähe des Hauptbahnhofs bekommen seit ein paar Monaten Mainzer Obdachlose Unterstützung, die mit sehr vielen Problemen zu kämpfen haben und die in anderen Betreuungsangeboten oft nicht zurecht kamen.

Denn in der „Unterkunft Plus“ leben wohnsitzlose Menschen, die unter psychischen Erkrankungen leiden oder besondere Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Sie gelten oft als „schwierig“, als „Systemsprenger“. Hier bekommen sie laut dem Konzept eine intensive Unterstützung, Wertschätzung und sozialpsychiatrische Behandlungen. Einige von ihnen haben zum ersten Mal seit vielen Jahren ein eigenes Zimmer. Eine der Bewohnerinnen etwa lebte zuvor seit 20 Jahren ausschließlich auf der Straße, berichtet der Leiter der Unterkunft Plus, Andreas Geiger, bei einem Vor-Ort-Besuch.

Mehrstufiges Verfahren vor Aufnahme

Einfach ist es jedoch nicht, hier aufgenommen zu werden. Zehn Plätze gibt es aktuell auf zwei Etagen, die getrennt sind nach Männern und Frauen. Die Auswahl erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren, wie Geiger erklärt: Meistens wenden sich zunächst andere Einrichtungen der Obdachlosenhilfe, Familienangehörige oder auch die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Unimedizin Mainz an Geiger. „Nach einem Erstgespräch mit den Betroffenen wird in einer monatlichen Belegungskonferenz mit unseren Mitarbeitern und der Stadt Mainz über die potenziellen Bewohner beraten. Danach wird entschieden, für wen die Unterkunft Plus das ‘passende’ Angebot ist und wen wir aufnehmen können.“

Gestartet sind Geiger und sein Team im September 2024 mit zwei Bewohnern, einer von ihnen ist bereits in eine eigene Wohnung gezogen. Frei gewordene Zimmer werden aber schnell wieder nachbelegt. Der Zulauf sei groß, und Geiger wünscht sich, dass die Stadt, die das Haus gemietet hat, noch ein Stockwerk ausbauen wird, damit vier weitere Menschen aufgenommen werden könnten.

Kostenloses Zimmer

Im Gegensatz zu den anderen Obdachlosenunterkünften leben die Menschen in der Unterkunft Plus kostenlos, da sie sich offiziell in einer „extremen Notsituation“ befinden. Außer dem eigenen Zimmer mit Bad steht den Bewohnern pro Stockwerk ein Aufenthaltsraum zur Verfügung sowie eine kleine Küche und eine Waschmaschine.

13 Menschen arbeiten hier, von Sozialarbeitern bis zu Begleitdiensten. „Sie sind als Ansprech- und Beziehungspartner vor Ort, um bei Problemen oder Konflikten zu helfen, um da zu sein, mit anzupacken oder auch mal gemeinsam einkaufen zu gehen oder auf andere Weisen zu unterstützen“, so Geiger, der selbst Sozialarbeiter mit suchttherapeutischer Zusatzausbildung ist. Zudem leitet er das Heinrich-Egli-Haus, ein Wohnheim für obdachlose Männer. Beide Einrichtungen werden von „Mission Leben“ betrieben.

Beziehung, Vertrauen und Akzeptanz als Grundpfeiler

„Wir haben vor den Menschen, die hier leben, allergrößten Respekt“, so Geiger. „Es sind sehr sensible Menschen, die aufgrund ihrer Erfahrungen und erlittener Verletzungen sehr verletzbar, aber auch misstrauisch und einsam sind.“ Oft hätten sie schwere Probleme, die sie kaum bewältigen könnten und die dann Auslöser gewesen seien für psychische und soziale Krisen oder Erkrankungen. Selbstständig würden sie sich nur in seltenen Fällen Hilfe suchen, aus Scham oder aus Stolz.

„Wer schimpft oder schreit, dem ist vielleicht einfach nie richtig zugehört worden“, so Geiger weiter. In der Einrichtung sollen die Bewohner nun so akzeptiert werden, wie sie sind, ohne Zwänge und Druck. Vielen werde hier zum ersten Mal richtig zugehört. „Beziehung, Vertrauen, ein positives Menschenbild und Akzeptanz, das sind die Grundpfeiler unserer Arbeit. Menschen benötigen Menschen, aber auch Beziehung und Raum, das ist essenziell, in unserer Gesellschaft aber leider immer weniger normal.“

Spenden ermöglichen gemeinschaftliche Aktionen

Seit Eröffnung der „Unterkunft Plus“ vor einigen Monaten habe sich die Arbeit gut entwickelt, „wenngleich nicht immer ganz einfach“, sagt Geiger. Herausfordernd sei etwa die „enorm hohe Flexibilität“, die die Mitarbeiter in der Arbeit mit den Bewohnern aufbringen müssen. „Aber das macht es ja gerade so spannend.“ Mithilfe von Spendengeldern, etwa von „Mainz 05 hilft“, wurden bereits einige Projekte organisiert, darunter gemeinschaftliches Kochen oder ein gemeinsames Weihnachtsfest. Vor Ostern ist eine Bastelaktion geplant.

Geiger hofft, dass die Unterkunft Plus auch über das Jahr 2025 hinaus finanziert werden könne. Denn noch gelte die Einrichtung als Modellprojekt und es sei unklar, wie es weitergehe. Gebraucht würden zudem Vermieter, die bereit seien, den entlassenen Bewohnern ein Zimmer zur Verfügung zu stellen – auch mit negativer Schufa-Auskunft.

Wenn ihr Aktionen oder Ausflüge für die Bewohner der Unterkunft Plus unterstützen möchtet, findet ihr Infos zu Spendenmöglichkeiten auf dieser Webseite.