Vorwürfe gegen Kaishu Sano: Fans fordern Aufklärung von Mainz 05

Organisierte Fans des 1. FSV Mainz 05 fordern Aufklärung im Fall Kaishu Sano. Japanische Behörden hatten nach dem Vorwurf eines sexuellen Übergriffs ihre Ermittlungen gegen den FSV-Spieler eingestellt. Einigen Fans reicht das jedoch nicht.

Vorwürfe gegen Kaishu Sano: Fans fordern Aufklärung von Mainz 05

Nach mehr als zwei Wochen in Untersuchungshaft ist Mainz-05-Neuzugang Kaishu Sano Anfang August ins Training eingestiegen. Mitte Juli war der Sommertransfer der 05er in seiner japanischen Heimat festgenommen worden. Der Vorwurf lautete zunächst offenbar, Sano habe gemeinsam mit zwei weiteren Männern einen sexuellen Übergriff auf eine Frau begangen. Ganze 16 Tage saß Sano in U-Haft, bevor er Ende Juli freigelassen wurde: Die Staatsanwaltschaft in Tokio stellte ihre Ermittlungen gegen Sano ein. Weitere Hintergründe kamen jedoch nicht ans Licht.

Am Sonntag (4. August) tauchte am Mainzer Bruchwegstadion ein Spruchband auf, das offenbar auf Kaishu Sano und die Vorwürfe gegen ihn Bezug nimmt. Zu lesen war: „Kein Frieden mit Tätern! Aufklärung jetzt!“ Ob sich eine Gruppe Mainzer Fans zu dem Spruchband bekennt, ist unklar. Zumindest liegt die Vermutung nahe. Die Ersteller des Spruchbandes wollen offenbar Antworten auf offene Fragen in dem Fall, in dem letztlich viele Gerüchte im Umlauf sind und nur wenige Fakten offengelegt wurden.

Dass diese von Mainz 05 kommen können, scheint derzeit jedoch ausgeschlossen, denn genaue Informationen zu dem Fall liegen aktuell nur der Staatsanwaltschaft in Tokio vor. Die äußerte sich selbst jedoch nicht zu der Angelegenheit. Fakt ist: Die Ermittlungen gegen Sano wurden eingestellt, mit einer Anklage gegen ihn ist nicht zu rechnen, daher gilt er weiterhin als unschuldig.

Statement im Netz aufgetaucht

Am Mittwoch (14. August) tauchte dann eine Art Bekennerschreiben zum Bruchweg-Plakat im Netz auf. Unklar ist, wer hinter den Ausführungen zu dem Thema steckt. Seit Freitag ist der Beitrag, der zunächst anonym erschien, unter dem Titel „Kein Frieden mit Tätern Aufklärung jetzt!“ auf einer Website online. Darin heißt es unter anderem: „Mainz 05 hat ein Problem – ein Problem im Umgang mit Sexismus sowie mit sexueller bzw. sexualisierter Gewalt. Und auch die Kurve, die noch immer männlich dominiert ist, hat dieses Problem, das sich durch die gesamte Gesellschaft zieht.“

Einer der Vorwürfe in dem Text lautet: Mainz 05 halte sich mit Aussagen zum Fall Sano so sehr zurück, dass das Thema praktisch totgeschwiegen werde. „Ein Spieler, der möglicherweise an einer Gruppenvergewaltigung teilgenommen hat, wird – als sei nichts gewesen – ins Team integriert, während Betroffenen damit jede Solidarität entzogen und über die Gewalt ein Mantel des Schweigens gelegt wird, der allein dem Täterschutz zugutekommt.“

Der oder die Verfasser fordern von Mainz 05 eine „schonungslose, umfassende und transparente Aufklärung“. Solange es keine Aufklärung gebe, bleibe Sano „Täter“.

Das sagt die Ultraszene Mainz

Inzwischen hat sich auch die Mainzer Ultraszene in einem Statement zum Fall Sano geäußert. Auf der Website „Q-Block Mainz“ veröffentlichte die Szene am Donnerstag ihre Sicht der Dinge. Auch aus Szene-Sicht müsse Mainz 05 mehr Aufklärung im Fall Sano betreiben – zudem würde der FSV sogar das Thema unter den Tisch kehren, so ein Vorwurf. „Denn wer keinerlei Statement abgibt, der sorgt eben auch nicht dafür, dass Betroffene gehört werden. Das ist keine Neutralität, das ist Passivität. Passivität, die dafür sorgt, dass Täter ihr Leben, im Zweifel ohne Konsequenzen zu befürchten, weiterleben können.“

Dass das Verfahren gegen Sano eingestellt wurde, sei laut dem Statement der Ultraszene nicht mit „Unschuld“ gleichzusetzen. „Dass Sano juristisch in Japan keine Konsequenzen mehr zu befürchten hat, mindert seine mutmaßliche Schuld (in welcher Weise auch immer) eben nicht. Es sollte für einen Verein, der sich immer wieder öffentlich politisch positioniert außer Frage stehen, an einer restlosen Aufarbeitung zu arbeiten.“ Die Ultraszene Mainz fordert von Mainz 05 eine „transparente Kommunikation“. Der FSV müsse seiner „moralisch-gesellschaftlichen Verantwortung“ nachkommen.

Was der Spieler selbst erklärt hat

Über seine Berateragentur „UDN Sports“ hatte sich Sano nach seiner Freilassung auf Japanisch zu Wort gemeldet. Im Statement, das sich in diesem Fall nur schwer übersetzen lässt, entschuldigt sich der Spieler dafür, dass es so viel Wirbel um ihn gab, ein Schuldeingeständnis ist aus seiner Stellungnahme jedoch nicht herauszulesen. So ordnete beispielsweise der Japanologe und Jurist Professor Julius Weitzdörfer von der Fernuniversität Hagen gegenüber der Allgemeinen Zeitung ein, Sano bedauere lediglich eine Belastung für die Frau aufgrund der Ermittlungen. „In Japan entspricht es der gesellschaftlichen Erwartung, anderen nicht zur Last zu fallen und andere nicht zu belästigen“, so Weitzdörfer. „Allein schon, weil über einige Tage Ungewissheit bestand und es negative Presse gab, entspricht es der öffentlichen Erwartung, dass er sich dafür entschuldigt.“

In einem Interview mit dem Bezahlsender „Sky“ erklärte der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel im Trainingslager in Bezug auf Kaishu Sano: „Ich glaube, das ist eine ganz, ganz schwierige Situation für ihn.“ Erst habe es „dieses Dilemma“ gegeben – gemeint sind die Vorwürfe gegen Sano. „Dazu kommt er nun in ein neues Land mit einer neuen Kultur und spricht die Sprache nicht.“

Sano müsse nun einen „Rucksack“ mit sich tragen, denn natürlich sei auch in Deutschland ausführlich über die Vorwürfe gegen ihn berichtet worden. „Irgendwann wird es in die Normalität übergehen. Er trainiert jetzt. Es ist das aller wichtigste, dass er jetzt etwas zu tun hat, den Kopf ein bisschen ausschaltet. Dann wird er das hoffentlich sehr, sehr schnell verarbeiten“, so Heidel weiter.