Mainzer Nachtbürgermeister: Darum höre ich auf

Fünf Jahre lang war Timo Filtzinger der Nachtkulturbeauftragte der Stadt Mainz. Nun tritt er zurück. Gegenüber Merkurist nennt er die Gründe für den Rücktritt.

Mainzer Nachtbürgermeister: Darum höre ich auf

In einem Instagram-Post verkündete die Stadt Mainz am Dienstagabend das Aus für ihren Nachtbürgermeister: „Timo Filtzinger, seit 2020 ehrenamtlicher Nachtkulturbeauftragter der Stadt Mainz, hat seinen Rücktritt an dem Abend bekanntgegeben.“ Wer sich als Nachfolger bewerben wolle, könne sich an die Verwaltung wenden. Warum Filtzinger nach viereinhalb Jahren das Ehrenamt niederlegt, wird in dem Post nicht geschrieben. Merkurist wollte es direkt von Filtzinger wissen – und der übt Kritik an der Stadt*.

Als er das Ehrenamt 2020 mitten in der Corona-Pandemie antrat, sei Filtzinger sicher gewesen: „Das ist wie für mich gemacht. Ich war motiviert. Ich hatte große Lust.“ In den ersten Jahren habe es dann auch immer einen sehr engen Austausch mit der Stadt Mainz gegeben. „Das hat unfassbar gut funktioniert. Da war Michael Ebling als Oberbürgermeister noch mein Ansprechpartner.“ Ebling habe das Amt des Nachtbürgermeisters wertgeschätzt. „Er war interessiert und hat sich auch von sich aus gemeldet: ‘Hey, gibt es was Neues?’“

Kein Gastronomen-Stammtisch im Jahr 2024

Auch mit Eblings Nachfolger Nino Haase habe Filtzinger persönlich kein Problem. „Ich finde ihn nett, wir verstehen uns gut.“ Doch Interesse und Wertschätzung für sein Amt als Nachtkulturbeauftragter habe er nach dem Wechsel nicht mehr so stark gespürt. So gab es laut Filtzinger im ganzen Jahr 2024 keinen Gastronomen-Stammtisch mit dem Oberbürgermeister. „Dabei war der Stammtisch Ende 2023 sehr gut besucht“, so Filtzinger. Das Büro des Oberbürgermeisters habe damals alle Punkte notiert, eine Rückmeldung hätten die Gastronomen aber nie bekommen.

Für den nächsten Stammtisch habe es dann auch schon ein konkretes Datum im Mai und einen Ort gegeben. Monate vor dem Termin habe Filtzinger das OB-Büro gefragt, ob er die Einladungen an die Gastronomen verschicken soll. „Ich habe zig Mal im Büro angerufen und über die Assistentin um Rückruf gebeten. Ich habe mehrere E-Mails geschrieben, nur mit einer Bitte um kurze Bestätigung.“ Doch erst am Tag selbst sei ein Anruf vom Büro gekommen: „Findet das Treffen heute Abend statt?“ Filtzinger sagt: „Natürlich hatte ich da niemanden eingeladen. Das hat mich schon ziemlich geärgert.“ In einem persönlichen Gespräch habe er OB Haase dann mitgeteilt, dass er mit der Wertschätzung und dem Interesse nicht einverstanden sei und überlege aufzuhören.

Gastronomieverordnung aus dem Jahr 1971

Am Montag (20. Januar) gab es nun den ersten Gastronomen-Stammtisch seit 2023 mit Haase und Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz. Filtzinger sagt: „Bei vielen Belangen der Gastronomen wurde einfach nur auf die Landesverordnung verwiesen. Zum Beispiel, wenn es darum ging, draußen länger als 22 Uhr öffnen zu können.“ Wie Filtzinger sagt, gilt für Rheinland-Pfalz immer noch die Gastronomieverordnung des Landes – aus dem Jahre 1971. In Hessen habe man die Verordnung vor etwa 15 Jahren reformiert, so sei dort unter anderem der Alkoholausschank nicht mehr an strenge Konzessionen gebunden. „Die Stadt Mainz kann die Landesverordnung zwar nicht ändern, aber ich würde mir wünschen, dass sie gemeinsam mit der Gastronomie einen Brief an das Land aufsetzt.“

Filtzinger findet, dass die Außendarstellung der Stadt, etwa auf Social Media, nicht zur Realität passe. „Dort sind wir immer unfassbar schnell und unfassbar gut. Aber aus meiner Sicht sind wir eine ziemlich schlafende Stadt.“ Er habe nicht den Eindruck, dass Menschen, die etwas gründen wollen, in Mainz ausreichend unterstützt werden. „Normalerweise müsste die Stadt auf dich zukommen und sagen ‘Hey, schön, dass du da bist. Wie können wir dich unterstützen? Das ist dein Ansprechpartner vom Bauamt, das ist dein Ansprechpartner vom Ordnungsamt’.“

Zuletzt habe er selbst überlegt, eine Nutzungsänderung für seinen Altstadtladen „Hey Du“ zu beantragen. Dafür müsste man Gästetoiletten bauen. „Ich habe über ein Jahr darum gebeten, einen kurzen Vor-Ort-Termin mit Bauamt und Ordnungsamt zu bekommen, wenigstens zehn Minuten, eine kurze Begehung. Ich wollte nur wissen: ‘Ist das machbar oder seht ihr das kritisch?’ Keine Chance.“ Vom Bauamt sei nur gekommen, dass er einen Bauantrag stellen müsse. „Doch dafür muss ich einen Architekten beauftragen, das sind hohe Kosten für eine ganz einfache Frage“, so Filtzinger. Das Ordnungsamt wiederum verweise immer wieder auf die Gastronomieverordnung von 1971. „Und jetzt reden wir hier über einen Miniladen. Man kann sich vorstellen, wie frustrierend diese Bürokratie für Inhaber von größeren Locations ist.“

Positives Fazit von Filtzinger

Dennoch blickt Filtzinger positiv auf seine Zeit als Nachtbürgermeister zurück. „Das Allerschönste aus meiner Sicht: Wir haben es gemeinsam durch Corona geschafft. Mainzer Gastronomen, die sich sonst auf der Straße vielleicht nicht mal gegrüßt hätten, saßen beim Stammtisch zusammen. Sie haben sich nicht mehr als Konkurrenten gesehen, sondern gefragt, wie sie gemeinsam die Stadt beleben können.“ Auch das Feedback der Gastronomen habe ihn gestärkt. „Viele haben sich für meinen Einsatz bedankt.“ Es sei nun an der Zeit, einen Mainzer Gastronomieverein zu gründen. „Dann kann man die Interessen und die Wünsche der Gastronomen gesammelt an die Stadt weitergeben“, so Filtzinger. „Und bekommt dann hoffentlich auch eine Antwort.“

Für die Gastronomie wünscht er sich, dass das Land Rheinland-Pfalz die alte Verordnung modernisiert. Außerdem hoffe er für seinen Nachfolger, dass aus dem unbezahlten Ehrenamt eine richtige Stelle gemacht wird, wenigstens in Teilzeit. So sei es etwa in Mannheim, Ludwigshafen und Frankfurt. Seinem künftigen Nachfolger rät er: „Du musst auf jeden Fall Lust haben. Und du brauchst ein dickes Fell.“

*Anmerkung: OB Haase wies gegenüber Merkurist alle Vorwürfe zurück. Unter diesem Link könnt ihr den Bericht mit der Stellungnahme der Stadt lesen.