Arbeiten, wenn andere feiern, trinken oder bereits schlafen: Wie ist eine Nachtschicht bei der Mainzer Polizei? Das wollte Merkurist-Redakteurin Veronika Dyks selbst herausfinden und hat die Beamten der Polizeiinspektion Mainz 1 am Freitag (1. September) bei der Nachtschicht begleitet. In drei Teilen berichtet sie von ihren Erfahrungen. Hier geht es zu Teil 1.
23:00 Uhr
Im Stadtpark riecht es nach gebrannten Mandeln, die Stimmen der Besucher verschmelzen zu einem munteren Summen. Dazwischen wartet das Weinmarkt-Einsatzteam auf mich. Nach der langen Autofahrt geht es jetzt zu Fuß weiter. Anders käme man auf dem von Menschen wimmelnden Gelände ohnehin nicht voran.
Zum Weinmarkt-Team gehören auch Thale und Alina. Dass sie diese Sonderschicht machen müssen, stört die beiden überhaupt nicht. „Beim Weinmarkt ist grundsätzlich eine entspannte Stimmung“, sagt Alina. „Präsenz zeigen ist das Wichtigste.“
Die Wirkung ist nicht zu übersehen: Egal wo wir entlang laufen, richten sich automatisch alle Blicke auf uns. Die meisten davon sind freundlich, einige skeptisch. Alina und Thale halten im Gegenzug Ausschau nach „Klientel“. Damit meinen sie Gruppen, die erfahrungsgemäß am ehesten für Unruhen sorgen könnten: junge, betrunkene Männer. Bekommt man als Polizistin dabei auch mal blöde Anmachsprüche zu hören? „Ja“, antwortet Alina, „aber das gehört auch einfach dazu.“
23:05 Uhr
Wie um diese Antwort zu unterstreichen, kommt eine Männergruppe auf uns zu. Sie bieten uns eine Zigarette an, Alina und Thale lehnen höflich ab. Einer der Männer scheint Thale zu erkennen und versucht, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Der Rest des Teams wird neben uns von Kollegen angesprochen, die privat auf dem Fest sind.
Die Polizisten lassen sich von den Unterbrechungen nicht aus der Ruhe bringen. Alina und Thale, die sich inzwischen von der Männergruppe losreißen konnten, erzählen mir mehr vom Weinmarkt. Eine der häufigsten Aufgaben sei es, verloren gegangene Betrunkene zu unterstützen. Bei anderen Mainzer Festen, wie zum Beispiel dem Rheinfrühling oder der Johannisnacht, sei es deutlich anstrengender. Welches ist das unbeliebteste Fest aus Sicht der Polizei? Alina und Thale tauschen einen Blick. „Fastnacht.“
23:21 Uhr
Der nächste Spruch lässt nicht lange auf sich warten. „Ihr verhaftet mich doch nicht, oder?“, fragt ein älterer Mann, der offensichtlich schon ein paar Schoppen intus hat. „Ihr nehmt mich nicht fest, wenn ich jetzt gleich was sage?“ Was genau dieses „was“ sein soll, bleibt ein Geheimnis. Alina und Thale reagieren gelassen, aber ich kann mir einen skeptischen Blick nicht verkneifen. „Jetzt guckt ihr schon so“, sagt der Mann und geht wieder.
23:23 Uhr
Ein anderer Mann spricht uns an und hat Angst, verhaftet zu werden – offenbar ein Freund des vorherigen Kandidaten. Ist es normal, dass man als Polizistin so häufig Kommentare von betrunkenen Männern erntet? „An Fastnacht ist es im Minutentakt“, meint Alina. Für das Team der Altstadt-Wache seien die Mainzer Feste und ihre Betrunkenen aber keine Abschreckung. „Die sind alle jung, die Kollegen, die haben Bock“, sagt Alina. „Dafür lebt man, dafür arbeitet man.“
0:09 Uhr
Die Musik ist aus. Während die Weinstände und Tischgruppen auf dem Weinmarkt immer leerer werden, füllt es sich langsam auf den Wegen. Alina, Thale und ihre Kollegen halten Ausschau nach möglichen Auseinandersetzungen. Kann man so etwas denn schon vorher erkennen? „Das kriegt man schon mit, wenn sich was anbahnt“, erklärt Alina, „wenn der Ton eine andere Lage erreicht.“
Plötzlich geht das Team auf vier junge Männer zu, die sich gegenseitig schubsen. Dann die Entwarnung: Die Stimmung zwischen den Männern ist entspannt, das Schubsen war wohl nur freundschaftlich. Tatsächlich sind die vier so gut gelaunt, dass sie uns direkt fragen, wo man in Mainz am besten feiern gehen könnte – und ob wir nach Dienstschluss mitkommen wollen.
0:30 Uhr
Nachdem es, bis auf einen schlafenden Betrunkenen an einem Stehtisch, keine Auffälligkeiten gab, machen wir uns wieder auf den Weg in die Altstadt-Wache. Auf der Fahrt sehen wir, wie riesige Menschenmassen den Park verlassen und die gleiche Richtung einschlagen.
Dass nicht jeder Weinmarkt-Abend so friedlich verläuft, haben Thale und Alina selbst erlebt. Am ersten Weinmarkt-Wochenende kam es zu einer Schlägerei, in der schließlich auch die Polizisten zur Zielscheibe wurden. Auf der Wache erzählen die beiden mir, wie sie den Einsatz wahrgenommen haben. Auch Philip und Sandro waren in dieser Nacht im Dienst.
Im dritten Teil spricht Veronika mit Mainzer Polizisten über ihre krassesten Einsätze und erlebt eine weitere Blaulicht-Fahrt.