Ärger in Mainzer Neustadt: Mieter müssen ohne Bad und Wasser leben

Die Küche halb ausgebaut, das Wasser komplett abgestellt, im Badezimmer nur noch Mörtel und freiliegende Rohre: In einem Wohnhaus in der Mainzer Neustadt müssen einige Mieter auf einer Baustelle leben – und das bereits seit Monaten.

Ärger in Mainzer Neustadt: Mieter müssen ohne Bad und Wasser leben

Für seine 50-Quadratmeter-Wohnung in der Mainzer Neustadt zahlt ein Anwohner nur noch einen Euro Miete. Was wie ein Märchen klingt, ist für ihn aber kein Grund zur Freude – sondern Protest. Denn seit Januar ist seine Wohnung eine Baustelle.

Sechs Monate Verzögerungen

Neun Jahre lang wohnt er schon in einem Gebäude in der Adam-Karrillon-Straße, erzählt der Bewohner gegenüber Merkurist. Gute Lage, günstige Miete: Bis vor einem halben Jahr sei er mit seiner Wohnsituation sehr zufrieden gewesen. Um die Bäder im Wohnhaus zu sanieren, sei Anfang 2024 in mehreren Wohnungen das Wasser abgestellt worden – in einigen nur teilweise, in anderen ganz. Ursprünglich hätte die Sanierung nur zehn Tage dauern sollen. „Leider war früh zu sehen, dass die Arbeiten nicht dem üblichen Ablauf entsprachen, und so zogen sie sich wochenlang hinaus.“ Von den Vermietern oder der Hausverwaltung hätten die Mieter in dieser Zeit kein Wort gehört.

Über zwei Monate nach Baubeginn sei schließlich ein Update gekommen – allerdings nicht mit den erhofften Neuigkeiten. „Zwischen Auftraggeber und Baufirma hat es gekracht“, erzählt der Bewohner. „Der Auftraggeber sprach von Pfusch und die Baufirma von Mobbing.“ Am 19. März habe die Baufirma ihre Arbeit niedergelegt. „Bis zum heutigen Tag bewegt sich absolut nichts auf den Baustellen.“ Eine andere Baufirma habe sich das Haus einmal im April und einmal im Mai angesehen – schließlich aber doch abgesagt.

Leben auf einer Baustelle

Ungefähr 20 Wohnungen seien betroffen, die unteren Stockwerke am schlimmsten, erzählt der Bewohner. Er selbst gehöre zu denjenigen, die seit Beginn der Bauarbeiten komplett ohne fließendes Wasser auskommen müssten. Sein Badezimmer ist quasi ein Rohbau, zwei Löcher in der Wand lassen auf den Hausflur blicken.

Im März musste er zusätzlich seine Küche ausräumen. Dort habe die Baufirma die Wand zum Badezimmer geöffnet, um Wasserleitungen umzulegen – dann aber festgestellt, dass der ursprüngliche Plan nicht funktioniere und die Wand provisorisch wieder verschlossen.

Die Möbel und Geräte, die zuvor in Küche und Bad untergebracht waren, mussten er und einige andere Bewohner anderweitig unterbringen. „Wir lagern alles im Wohn- und Schlafzimmer und leben zwischen Elektrogeräten und Badezimmerartikeln auf engstem Raum.“

Um im Haus duschen und auf Toilette gehen zu können, stehen den betroffenen Mietern zwei Badezimmer in leerstehenden Wohnungen zur Verfügung. „Ich mache aber so viel wie möglich auf der Arbeit oder bei Freunden“, sagt der Bewohner. Bis zu zwei Stunden müsse man warten, bis eine der Toiletten frei sei. Aus dem Badezimmer im vierten Stock dringt schon vor der Tür ein penetranter Geruch, in der Kloschüssel sind braune Spuren zu sehen.

„Das interessiert den Vermieter anscheinend nicht“

„So geht es nicht mehr weiter“, sagt der Bewohner. Keine eigene Toilette, keine eigene Dusche. Wenn er nicht gerade bei Freunden essen könne, müsse er sich Essen bei Lieferdiensten bestellen – und das gehe mit der Zeit ins Geld. Eine neue Wohnung in Mainz zu finden, die er auch bezahlen kann, sei für ihn quasi unmöglich. „Ich kann nicht für mich alleine 1000 Euro Miete zahlen.“

Was ihn an der ganzen Situation besonders ärgere: die schlechte Kommunikation. „Unser Vermieter hat uns lange Zeit komplett ignoriert, nicht auf Anrufe, Briefe oder E-Mails reagiert“, kritisiert er. „Ein Großteil der Bewohner hat die Miete gekürzt oder die Zahlung eingestellt, doch das interessiert den Vermieter anscheinend nicht.“ Im Juni habe er sich mit den anderen betroffenen Bewohnern zusammengesetzt und einen Brief an die Vermieter geschrieben. Darin forderten sie die Vermieter dazu auf, die Wohnungen wieder „in Ordnung“ zu bringen – anderenfalls würden sie rechtliche Schritte in Erwägung ziehen.

Das sagt die Hausverwaltung

Auf Merkurist-Anfrage wollte sich die zuständige Hausverwaltung „Home Immobilien Management“ nicht äußern. Auch die Jüdische Gemeinde Mainz (JG), Eigentümerin und Vermieterin des Wohnhauses, verzichtete auf ein Statement. Gegenüber dem SWR teilte die Hausverwaltung jedoch mit, dass es aktuell einen Rechtsstreit mit der zuständigen Baufirma gebe. Ein externer technischer Projektleiter und ein unabhängiger Sachverständiger hätten bei den Bauarbeiten wiederholt Mängel festgestellt. Diese seien von der Baufirma aber nicht behoben worden.

Da die erste Baufirma den Vertrag nicht gekündigt habe, sei es gerade noch nicht möglich, ein neues Unternehmen mit der Sanierung zu beauftragen. Zuerst müsse der Vertrag mit der Baufirma ordnungsgemäß beendet werden – und dafür gebe es gewisse Fristen. Das sei der Grund für die lange Verzögerung. Inzwischen hätten Vermieter und Hausverwaltung jedoch einige andere Baufirmen darum gebeten, neue Angebote zu machen, und stünden kurz vor einer Lösung, heißt es im SWR. Sobald es mit den Bauarbeiten weitergehe, werde man die Mieter informieren.

Zwei verschiedene Aussagen

Stichwort Information: Gegenüber dem SWR sagt die Hausverwaltung, dass sie die Mieter auf dem Laufenden gehalten habe. Außerdem seien nicht 20 Wohnparteien betroffen, sondern 16. Die Mietminderungen habe man in Kauf genommen. Es sei der Hausverwaltung zudem wichtig zu betonen, dass alle Mieter das Angebot erhalten hätten, während des Umbaus vorübergehend in eine der leerstehenden Wohnungen im Haus zu ziehen.

Der Bewohner, der mit Merkurist gesprochen hat, bestätigt, dass das Thema Ersatzwohnung zur Sprache gekommen sei. „In einer E-Mail vom 28. März war die Rede davon, leerstehende Wohnungen für die betroffenen Mieter zu suchen“, sagt er. Ein konkretes Angebot habe es aber bis heute nicht gegeben.

Vermieter entschuldigen sich

Die JG selbst hat sich als Eigentümerin des Hauses bislang nicht öffentlich zu Wort gemeldet. Vergangene Woche hat sie jedoch einen Brief an die Bewohner geschickt, der auch Merkurist vorliegt. Darin erläutert sie ausführlich, wie es zu dem Zerwürfnis mit der Baufirma gekommen sei und welche Schritte nun geplant seien – ähnlich, wie es die Hausverwaltung auch dem SWR gegenüber beschreibt.

Anders als die Hausverwaltung bestätigt die JG jedoch die Aussage, dass die Bewohner nicht genug informiert worden seien. „Den mangelnden Kommunikationsfluss bitten wir zu entschuldigen, die zuständige Hausverwaltung wurde von uns wiederholt aufgefordert, die Mieter ausreichend zu informieren. Leider scheint dies nicht geschehen zu sein“, heißt es in dem Schreiben. „Wiederholt haben wir auch um Vorschläge gebeten, die hygienischen Zustände zu verbessern und sind leider irrtümlich davon ausgegangen, dass die Hausverwaltung dafür Lösungen angeboten hat.“

„Warten geht wieder von vorne los“

Die JG verspricht in dem Schreiben, alles zu versuchen, um die Sanierung endlich fortsetzen zu können – und bittet die Bewohner um Verständnis. Der Gemeindevorstand sei ehrenamtlich tätig und müsse sich deshalb auf die Expertise der engagierten Firmen und technischen Experten verlassen. „Keinesfalls lag und liegt es in unserer Absicht, Sie zu täuschen oder hinzuhalten.“ Auch für die JG selbst sei die Situation schwierig, die finanziellen Einbußen seien „nicht unerheblich“ – zumal sie der Baufirma vorwirft, von der JG bezahlte Baumaterialien einfach mitgenommen zu haben.

„Die haben sich einfach blenden lassen und wurden verarscht, die haben die falsche Baufirma ausgesucht“, so das Fazit des Bewohners. Dass allein die Hausverwaltung die Schuld an der mangelnden Kommunikation mit den Mietern trage, glaubt er nicht. „Es gehören immer zwei dazu.“ Seiner Meinung nach wären die Vermieter genauso in der Pflicht gewesen, die Situation vor Ort zu kontrollieren. Nach allem, was passiert ist, hat er wenig Hoffnung, dass sich die Lage schnell verbessern wird. „Jetzt geht das Warten wieder von vorne los.“