Über 600.000 Menschen haben bis Freitagnachmittag (24. Februar) das „Manifest für den Frieden“ unterschrieben. Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtsaktivistin Alice Schwarzer hatten die Petition initiiert und vor zwei Wochen veröffentlicht. Darin wird der Bundeskanzler dazu aufgefordert, „die Eskalation der Waffenlieferungen“ in die Ukraine zu stoppen und Friedensverhandlungen mit Russland anzustreben. In den sozialen Medien, Zeitungen und Talkshows wird die Petition nun heiß debattiert. Der Mainzer Sozialmediziner Prof. Gerhard Trabert, einer der 69 Erstunterzeichner der Petition, hat sich gegenüber Merkurist nun zu seinen Beweggründen und der Diskussion geäußert.
„Wie wollen wir dieses Leid in der Ukraine stoppen, wenn kein militärisches Ende absehbar ist, und wir dennoch ausschließlich auf die Eskalationsschiene setzen?“, begründet Trabert seine Entscheidung, die Petition zu unterschreiben. „In dieser Situation befinden wir uns meiner Meinung nach. Aber der mediale und politische Mainstream läuft immer nur in Richtung Waffen und Krieg mit dem Ziel, Russland militärisch zu besiegen. Wir brauchen aber schwere Waffen für den Frieden, damit das Leid und Sterben der Menschen in der Ukraine aufhört.“
Ende des Kriegs für ukrainische und russische Zivilbevölkerung
Ein Ende des Kriegs wünsche er sich nicht nur für die ukrainische, sondern auch für die russische Zivilbevölkerung. „Es geht auch darum, das Leid in Russland zu reduzieren, denn die russische Bevölkerung leidet auch unter diesem Krieg“, so Trabert. Gleichzeitig wünsche er sich für Russland „einen Demokratisierungsprozess, der Diktatoren und Despoten wie Putin wegfegt und nie mehr an die Macht kommen lässt“. Für die Ukraine hingegen solle in Zukunft „eine Wiedervereinigung aller ukrainischer Territorien“ erreicht werden.
Dass alle Unterzeichner der Petition pauschal kritisiert würden, findet Trabert „befremdlich“. Für ihn zeichne sich deutlich ab, dass die Unterstützer der Petition „aus allen politischen Lagern unter Druck gesetzt“ würden. Tatsächlich musste Sahra Wagenknecht am Dienstag (21. Februar) bei Markus Lanz heftige Vorwürfe einstecken. So stellte die russische Journalistin Marina Owsjannikowa die Vermutung auf, dass Wagenknecht von Putin bezahlt werde. Die vollständige Sendung findet ihr hier.
Abgrenzung gegen Rechts
Dass das „Manifest für den Frieden“ so stark kritisiert wird, liegt unter anderem an Formulierungen wie dieser: „Verhandeln heißt, Kompromisse machen, auf beiden Seiten.“ Einige Kritiker vermuten dahinter eine pro-russische Gesinnung, die der Ukraine ihre Existenz als souveräner Staat absprechen und die Freiheit der Ukraine somit zum Verhandlungsthema machen könnte. Außerdem sehen Kritiker eine Nähe von rechtsextremen Personen und Gruppierungen zur Petition sowie zu einer am Samstag (25. Februar) geplanten Friedensdemonstration in Berlin.
Davon wolle Trabert sich jedoch vehement abgrenzen. „Ich habe Frau Schwarzer und Frau Wagenknecht mehrere Emails geschrieben, in denen ich eindeutig vermittelt habe, dass eine klare Abgrenzung gegenüber einer rechtspopulistischen Instrumentalisierung für mich essentiell ist“, sagt er. Außerdem betont er, dass er das Manifest und nicht Aussagen von Schwarzer oder Wagenknecht unterzeichnet habe.
All die Kritik und Diskussionen änderten für Trabert jedoch nichts an der Bedeutsamkeit der Inhalte des Manifestes. „Ich würde mir wünschen, dass man mehr über Friedenskonzepte und Strategien diskutiert“, so Trabert. „Dass das Leid der Menschen in der Ukraine im Zentrum unserer politischen Diskussion steht, und wie man am besten dieses Leid schnellstmöglich beenden kann.“ Mit seinem Verein „Armut und Gesundheit“ wolle er weiterhin Hilfsprojekte und Krankenhäuser in der Ukraine unterstützen. Im Mai 2022 war Trabert selbst in der Ukraine, im Mai oder Juni dieses Jahres wolle er erneut dorthin reisen.