„Mainzer:innen“: Warum gendert die Stadtverwaltung?

Die Stadt Mainz gendert in ihrer Kommunikation nach außen mithilfe des Doppelpunkts. Wir haben nachgefragt, wie es dazu kam.

„Mainzer:innen“: Warum gendert die Stadtverwaltung?

Wer der Stadt Mainz auf Social Media folgt oder ab und an auf ihre Website schaut, könnte es schon bemerkt haben: In ihrer Kommunikation nach außen gendert die Stadtverwaltung. So heißt es beispielsweise in einem Facebook-Post zum Beirat für Bürgerbeteiligung: „Insgesamt gingen über 660 Bewerbungen von Mainzer:innen aus 15 Stadtteilen im Alter von 18 bis 86 Jahren ein.“

Was genau bedeutet der Doppelpunkt eigentlich?

Der Doppelpunkt im Wort „Mainzer:innen“ soll dazu führen, dass sich nicht nur Mainzer und Mainzerinnen angesprochen fühlen – also nicht nur diejenigen, die sich als weiblich oder männlich identifizieren. Er soll als optisches Zeichen dafür stehen, dass auch Menschen adressiert werden, die sich mit keinem dieser beiden Geschlechter identifizieren, sondern beispielsweise nichtbinär sind. Beim Vorlesen des Worts „Mainzer:innen“ wird anstelle des Doppelpunkts eine kleine Pause, der sogenannte Glottisschlag, gesprochen.

Auf Merkurist-Anfrage teilt eine Stadtsprecherin mit, dass die Verwaltung schon seit mindestens 2007 die Maßgabe habe, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Damals sei dieses Ziel in die „Allgemeine Dienst- und Geschäftsanweisung (AGA)“ aufgenommen worden. Im Jahr 2017 seien die Bemühungen dann noch einmal dadurch vorangetrieben worden, dass das Bundesverfassungsgericht das Recht auf Gleichbehandlung im Personenstandsrecht eingeräumt habe. Spätestens danach haben in der Stadtverwaltung mehrere gegenderte Ansprache-Varianten kursiert, die „nach Gusto“ benutzt worden seien.

„Viele Mitarbeiter:innen haben den Asterisk, den Gender_Gap, das Binnen-I oder eben den Doppelpunkt gesetzt. Um ein einheitliches Sprachbild zu erzeugen, hat sich die Verwaltung 2021 auf Vorschlag des Frauenbüros und der Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LSBTIQ entschieden, den Doppelpunkt zu verwenden“, erklärt die Stadtsprecherin Ellen König. Für diese Art zu gendern habe man sich entschieden, weil der Doppelpunkt einige Vorteile biete: So ziehe er das Wort nicht auseinander und werde von den meisten Vorleseprogrammen gut erkannt.

Wie das Gendern angenommen wird

Seit 2021 soll also theoretisch in jeglicher Kommunikation der Stadt nach außen mit dem Doppelpunkt gegendert werden. Auch König zufolge „gilt die Sprachregelung für alle Arten von Texten“, die die Stadt zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit verfasst. Wenn wir unser obiges Beispiel noch einmal genauer betrachten, gestaltet sich das aber offensichtlich schwierig: So informiert die Stadt in dem zitierten Facebook-Post darüber, dass 660 „Mainzer:innen“ sich für den „Beirat für Bürgerbeteiligung“ beworben haben – nicht den „Beirat für Bürger:innenbeteiligung“. Außerdem heißt Nino Haases Amt weiterhin „Oberbürgermeister“, nicht „Oberbürger:innenmeister“. Bei Verwaltungsbegriffen mit langjähriger Tradition scheint die Regelung also noch nicht zu greifen.

Auf die Frage, ob die Stadt Mainz die Bevölkerung an der Entscheidung für das Gendern in ihrer öffentlichen Kommunikation beteiligt hat, antwortet König mit Nein. „Das ist originäres Verwaltungshandeln“, lautet ihre Begründung. Ihres Wissens habe es bisher auch nur eine Beschwerde gegeben, die beim Haus der Jugend in den Briefkasten eingeworfen wurde. Es habe sich um eine vorgedruckte Postkarte gehandelt, auf der sich über die Gendersprache und den Doppelpunkt im Besonderen aufgeregt worden sei. Ob es auch gegenüber anderen Ämtern Reaktionen gegeben habe, wisse sie nicht.

Die Frage, ob OB Haase (parteilos) hinter der Verwendung des Doppelpunkts zum Gendern stehe, ließ König unbeantwortet. Die Entscheidung dazu fiel noch vor seiner Amtszeit unter dem damaligen Oberbürgermeister und jetzigen Landesinnenminister Michael Ebling (SPD).

Hintergrund

Nicht jede Stadtverwaltung gendert mit Möglichkeiten, die auf mehr als zwei Geschlechter verweisen. Wiesbaden verwendet beispielweise in seinen Pressemitteilungen in der Regel die männliche und weibliche Form, also „Bürgerinnen und Bürger“. Den Ämtern und Schulen in Sachsen-Anhalt wurden Gender-Zeichen zuletzt sogar untersagt. Dresden, Stuttgart und Köln nutzen beispielsweise den Asterisken („Mainzer*innen“).

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