Kostet Joggen im Ober-Olmer Wald jetzt Geld? Ein entsprechender Snip sorgte zuletzt für Verwirrung bei den Merkurist-Lesern. Zum Teil stimmt das aber tatsächlich: Gewerbliche Lauftrainer müssen mittlerweile eine neue Gebühr zahlen, ebenso die Anbieter von vielen anderen kostenpflichtigen Veranstaltungen. Die Lauftrainerin und ehemalige Stabhochspringerin Carolin Hingst versucht seit Monaten, dagegen vorzugehen. Zuerst hatte die Allgemeine Zeitung berichtet.
Seit 2013 leitet Hingst Lauf- und Walking-Trainings im Ober-Olmer Wald. „Das war immer mit den Förstern abgestimmt, ich hatte einen offiziellen Gestattungsvertrag“, sagt die Sportlerin gegenüber Merkurist. Im Mai 2024 hätte das Forstamt Rheinhessen diesen Vertrag jedoch gekündigt, wirksam zum 31. Dezember. „Die Kündigung kam aus heiterem Himmel, ohne Vorankündigung.“ Erst auf telefonische Nachfrage habe sie erfahren, dass sie ihre Lauftrainings weiter fortführen könne – gegen eine Gebühr von zehn Prozent der Brutto-Kurseinnahmen.
Forstamt rudert zurück
Leonie Münzer vom Forstamt bestätigt die Einführung der Gebühr: „Seit 2024 wird ein Gestattungsentgelt in Neuverträge übernommen und sukzessive in Altverträgen eingeführt.“ Das gelte nicht für Veranstaltungen, die „im Sinne der Umweltbildung dem Schutz des Waldes zugutekommen“. Für alle anderen Veranstalter sollte ursprünglich eine einheitliche Gebühr von zehn Prozent ihrer Einnahmen gelten, da laut Forstamt alle Anbieter gleichermaßen belastet werden sollten. Inzwischen sei das Forstamt jedoch wieder von dieser Idee abgerückt: „Der einheitliche Satz von zehn Prozent war ein erster Ansatz, steht aber aktuell nicht mehr im Raum.“ Nun werde das Entgelt „einzelfallweise festgesetzt“.
Einer der Gründe für dieses Zurückrudern war offenbar Carolin Hingst. Die ehemalige Olympionikin ist mittlerweile selbstständige Sport- und Gesundheitstrainerin und hält die 10-Prozent-Regel für eine „utopisch hohe Forderung“. Schließlich müsse sie von ihren Einnahmen auch noch Steuern, Versicherungen und andere Kosten bezahlen. „Die wissen gar nicht, was das für einen Freiberufler bedeutet“, so Hingst. „Am Ende müsste ich die Kosten auf die Teilnehmer umlegen, sonst bleibt ja bei mir gar nichts mehr übrig.“ Dass ihre Kunden deshalb mehr bezahlen müssen, wolle sie aber auf keinen Fall. Aktuell koste eine Trainingsstunde bei ihr zwischen 16 und 20 Euro.
Monatelanger Streit
Seit der Vertragskündigung im Mai habe sie zahlreiche Gespräche mit dem Forstamt geführt, um eine andere Lösung zu finden – jedoch ohne Ergebnis. So habe Hingst dem Forstamt zunächst einen Pauschalbetrag als Ersatz für den 10-Prozent-Anteil vorgeschlagen. Dieser sei jedoch nicht angenommen worden. Stattdessen habe das Forstamt die Sportlerin dazu aufgefordert, ihre Einnahmen offenzulegen – um einen „angemessenen Satz“ zu vereinbaren, erklärt Leonie Münzer. Darauf wollte Hingst jedoch nicht eingehen: „Wieso brauchen sie meine Brutto-Kurseinnahmen, wenn ich eine Pauschale vorschlage?“ Als Hingst daraufhin angeboten habe, ihre Kursteilnehmer zu Spenden für den Wald aufzurufen, habe wiederum das Forstamt abgelehnt.
Mehrere Monate zieht sich die Auseinandersetzung jetzt schon. Im November 2024 habe das Forstamt Carolin Hingst angeboten, doch noch einen Pauschalbetrag auszuloten – sofern sie eine Schätzung über ihre erwarteten Einnahmen abgebe. „Nach mehrmaliger Nachfrage und aufgrund fehlender Reaktion“ habe das Amt im Januar schließlich „eine moderate Jahresgebühr angeboten, deren Höhe nach Einschätzung des Forstamtes der Anzahl der Veranstaltungen und Teilnehmenden gerecht wird und im Vergleich zu anderen Veranstalterinnen und Veranstaltern fair ist“, so Leonie Münzer. Aber: „Eine Antwort von Frau Hingst auf dieses erneute Angebot blieb bislang aus.“
Hingst kritisiert „Willkür“
Warum sie auf die neuen Angebote nicht eingegangen ist, erklärt Hingst im Merkurist-Gespräch: „Ich kämpfe nicht nur für mich, sondern auch für alle Freiberufler.“ Da es für die kommerzielle Nutzung von Waldflächen in Rheinland-Pfalz keine Gebührenverordnung gibt, kann das Forstamt über etwaige Nutzungsgebühren selbst entscheiden. „Das ist Willkür“, kritisiert Hingst – vor allem, wenn wie jetzt aktuell keine einheitliche Regelung für alle gelte. „Ich würde das auch unfair finden, wenn bei mir fünf oder sieben Prozent stehen und jemand anders hat zehn Prozent. Da muss Transparenz her, eine Fairness und Nachvollziehbarkeit.“
Grundsätzlich halte sie nichts von der Forderung, für Sportkurse im Wald eine Nutzungsgebühr zahlen zu müssen. „Das Land Rheinland-Pfalz will doch Sport und Bewegung fördern“, sagt sie. „Warum fördert man dann nicht einfach Bewegung im Wald?“ Sie wünsche sich, dass die Branche Gesundheit und Sport mehr Unterstützung bekomme – „und nicht noch Steine in den Weg gelegt werden“.
Immer mehr gewerbliche Veranstaltungen im Wald
Doch warum wurden die Nutzungsgebühren für Veranstaltungen im Ober-Olmer Wald überhaupt erhöht? „Das Forstamt muss eine steigende Anzahl von Anfragen gewerblicher Anbieter im Naturschutzgebiet Ober-Olmer Wald koordinieren“, erklärt Leonie Münzer. Im Jahr 2024 seien das 300 Termine von etwa 40 gewerblichen Anbietern gewesen. „Das ist angesichts der kleinen Waldfläche von 360 Hektar eine große Zahl, wobei von einer Dunkelziffer auszugehen ist.“
Die Koordination der Veranstaltungen sei wichtig, „um Belastungsspitzen zu vermeiden“ – und verursache einen Mehraufwand, der über die ohnehin notwendige Waldpflege und Bekämpfung von Klimawandelschäden hinausgehe. „Der größte Teil der Veranstalterinnen und Veranstalter hat durch Angebote im Ober-Olmer Wald nur geringe Einnahmen und wird durch ein prozentuales Gestattungsentgelt dementsprechend gering belastet“, so Münzer. Abgesehen von der Auseinandersetzung mit Carolin Hingst habe es auch keine Streitfälle gegeben.
Wie geht es weiter?
Hingst selbst könne diese Argumentation des Forstamts nicht nachvollziehen. Probleme wie Vermüllung oder absterbende Bäume hätten mit ihren Kursen nichts zu tun. „Wir machen einfach unser Training, wir bleiben auf den Wegen und gehen nicht an die Bäume ran“, sagt sie. Ihre Lauf- und Walking-Gruppen bestünden aus sechs bis 15 Personen, vereinzelt auch mal 20. „Wir sind da nicht mit 50 Leuten unterwegs.“
Ob und inwiefern Hingst sich doch noch mit dem Forstamt einigen kann, ist unklar. Aktuell scheint die Diskussion festgefahren. Auf einen anderen Trainingsort wie das Rheinufer oder den Volkspark ausweichen möchte die Sportlerin allerdings ungern. „Auf Beton laufen ist nicht ideal für die Gesundheit, vor allem für Anfänger“, sagt sie. „Da ist der Wald besser. Ich dachte auch immer, der Wald ist für alle nutzbar.“