Vom Pferd zum Elektrobus: Die Geschichte des öffentlichen Personennahverkehrs in Wiesbaden

Vor 150 Jahren begann die Geschichte des öffentlichen Nahverkehrs in Wiesbaden. Begeben Sie sich mit uns auf eine Zeitreise, beginnend im Jahr 1875. Dem Geburtsjahr von Carl Jung, Thomas Mann, Ferdinand Porsche – und der Wiesbadener Verkehrsbetriebe.

Vom Pferd zum Elektrobus: Die Geschichte des öffentlichen Personennahverkehrs in Wiesbaden

Es ist mir gänzlich unverständlich, wie Jemand, der eine Pferdebahn gesehen, in allem Ernst eine solche in den engen Straßen von Wiesbaden für möglich halten kann! – Stellungnahme im Rheinischen Kurier vom 14. April 1872

Eine Straßenbahn mit 1 PS

Mitte des 19. Jahrhunderts ist Wiesbaden eine florierende Stadt: Regierungs- und Verwaltungssitz, Kongress- und Kurstadt. Im „Nizza des Nordens“ finden sich zahlreiche Kurgäste aus aller Welt ein – unter anderem auch Kaiser Wilhelm II., in dessen Entourage sich auch zahlreiche Adlige, Künstler und Unternehmer in der „Weltkurstadt“ niederlassen. Gleichzeitig ist die Industrialisierung in vollem Gange. Die Menschen ziehen vom Land in die Städte, um in den großen Fabriken Arbeit zu finden. Die Stadt wächst mit neuen Stadtteilen nicht nur in der Fläche. Zwischen 1820 und 1880 verzehnfacht sie ihre Einwohnerzahl auf mehr als 50 000, hinzu kommen zahlreiche Besucher und Kurgäste. So steigt der Bedarf an Mobilität, innerstädtisch zum einen, aber auch ins Umland.

In dieser Zeit kommt auch die Idee zentraler öffentlich nutzbarer Straßenbahnen auf. Pionier auf dem Gebiet ist der dänische Ingenieur A. W. Møller. Unter dessen Leitung startet am 22. Juni 1865 die erste Pferde-Straßenbahn in Berlin. Møller selbst gründet ein Unternehmen und versucht auch andere Städte von den Vorteilen einer Straßenbahn zu überzeugen – und so wendet er sich auch an die Stadtverwaltung in Wiesbaden.

Doch in der Sitzung vom 8. April 1872 wird das Gesuch durch die Stadtverordneten abgelehnt – und auch Teile der Wiesbadener Bürgerschaft sind mit der Aussicht auf eine Pferdebahn im Wiesbadener Stadtgebiet nicht einverstanden. Einer breiten öffentlichen Debatte um die Vorteile eines modernen Stadtverkehrs folgt ein politischer Prozess. Dieser endet mit der Konzessionserteilung und der Eröffnung der ersten Wiesbadener Pferdebahn am 16. August 1875 – als 11. Trambahn im Deutschen Kaiserreich. Die erste Strecke verbindet die Untere Rheinstraße und die Innenstadt mit dem Nerotal.

Von da an entwickelt sich der Personennahverkehr in Wiesbaden rasant, neue Linien kommen hinzu, die teilweise im 8-Minuten-Takt befahren werden und von bis zu 2000 Fahrgästen täglich genutzt werden.

SEG und ESWE

Die Süddeutsche Eisenbahngesellschaft (SEG) wird am 11. Februar 1895 in Darmstadt gegründet und entsteht durch den Zusammenschluss verschiedener privater Bahnen des Eisenbahnunternehmers Hermann Bachstein, darunter auch die Dampfstraßenbahn, die Pferdebahn und die Nerobergbahn in Wiesbaden. Seit 1929 legt die SEG schrittweise ihre Straßenbahnlinien still, bis sie schließlich 1943 an die Stadt Wiesbaden übergehen.

1929 werden die „Städtischen Verkehrsbetriebe“ gegründet und die SEG-Straßenbahnlinien nach und nach durch Omnibuslinien ersetzt. Später werden die Verkehrsbetriebe in die städtischen Versorgungswerke eingegliedert, woraufhin das Unternehmen als „Stadtwerke Wiesbaden Aktiengesellschaft“ auftritt. Seit einer Werbeaktion Mitte der 1970er-Jahre sind die Stadtwerke als „ESWE“ bekannt – die Buchstaben S und W werden in Lautschrift ausgeschrieben.

Von elektrischen Straßenbahnen zu Bussen

Bereits 1896 eröffnet die erste elektrische Straßenbahn von der Rheinstraße bis zur Walkmühl-Brauerei und löst bis 1900 den Pferde- sowie Dampfbahnbetrieb vollständig ab. Doch bis zum komplexen Liniennetz der ESWE Verkehrsgesellschaft, wie es die Wiesbadener heute kennen, ist es noch ein langer Prozess, der durch gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziale Veränderungen und zwei Weltkriege geprägt ist. Mit den „Blauen Kurautobussen“ fahren Busse nicht nur an beliebte Ausflugsziele, sondern ab 1913 auch im Linienverkehr nach Schlangenbad und Langenschwalbach.

Der weitere Ausbau des öffentlichen Verkehrs wird durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs aufgehalten.

Erst 1922 wird eine innerstädtische Buslinie eröffnet: Zwischen dem Luisenplatz und Schierstein (Hafen) verkehren Doppeldeckerbusse. 1929 werden die Straßenbahnen schrittweise auf dieselbetriebene Omnibusse umgestellt.

Die Nerobergbahn

Am 25. September 1888 wird die Nerobergbahn feierlich eröffnet. Nach französischem Vorbild schließt sich an die Feierlichkeiten ein „Dejeuner“ an – weitergefeiert wurde scheinbar auch in kommenden Wochen, denn schon im November 1888 wird eine Polizeiverordnung erlassen: Zuwiderhandlungen, wie Lärmen und Singen der Fahrgäste sowie das Besteigen der Bänke im Inneren des Wagens können mit einer Geldstrafe bis 9 Mark oder gar Haft geahndet werden. 1925 übernimmt die Stadt Wiesbaden die Nerobergbahn.

Die Standseilbahn verbindet das Nerotal mit der Spitze des Nerobergs und wird seit jeher vor allem von Touristen genutzt. Auf der 438 Meter langen Strecke überwinden die charakteristischen gelben Wagen rund 83 Höhenmeter mit einer Steigung von 19 %, stellenweise sogar 26 %. Die Nerobergbahn gilt als die letzte Bergbahn, die als Wasserlast- und Zahnstangen- Standseilbahn gebaut wurde und ist heute ein technisches Kulturdenkmal nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz. 1972 wird sie generalüberholt und feiert 1988 ihr 100-jähriges Jubiläum mit einem Rekord an Besuchern.

Das Jubiläumsfest

Am 07. September 2025 feiert die ESWE Verkehr das 150jährige Bestehen der Wiesbadener Verkehrsbetriebe und lädt dazu herzlich alle Bürgerinnen und Bürger ein, gemeinsam einen schönen Tag bei (hoffentlich) bestem Wetter, leckerem Essen und abwechslungsreichen Entertainment zu verbringen. Zwischen 11:00 und 19:00 Uhr freut sich die ESWE Verkehr über Ihren Besuch in der Gartenfeldstraße 18, direkt neben dem Wiesbadener Hauptbahnhof. Und wenn Ihnen unsere kleine Zeitreise gefallen hat: Auf unserem Jubiläumsfest finden Sie die vollständige, historische Ausstellung, eingebaut in einen Bus, aus der einige Passagen dieses Artikels stammen. Also kommen Sie unbedingt vorbei – wir freuen uns auf Sie!