Schon häufiger hat das Mainzer Staatstheater international erfolgreiche Musicalkomödien auf die Bühne gebracht – wie etwa „The Producers“ in der Spielzeit 2019/20 oder zuletzt „Der kleine Horrorladen“. Das neueste Stück soll jetzt offensichtlich nicht nur Musicalfans ansprechen, sondern bringt einen absoluten TV-Klassiker auf die Bühne: „The Addams Family“.
Vom Kult-Comic zum Musical
Erfunden wurde die skurrile Gruselfamilie vor knapp einem Jahrhundert von Charles Addams, zunächst als Cartoon-Zeichnungen. Mit ihrer Vorliebe für das Makabre, ihrem schwarzen Humor und ihrem düster-exzentrischen Lebensstil sind die Addams das komplette Gegenteil einer gutbürgerlichen amerikanischen Familie – und trotzdem (oder vielleicht genau deswegen) ein Vorbild für liebevolle Familienverhältnisse. Mehrere Serien- und Filmadaptionen verhalfen der Addams Family zu Kultstatus, der auch heute ungebrochen scheint: Spätestens mit der Netflix-Serie „Wednesday“ um die gleichnamige Familientochter aus dem Jahr 2022 flammte der Hype wieder auf.
Eine besondere Rolle spielt Wednesday Addams auch im Musical, das 2009 von Marshall Brickman, Rick Elice und Andrew Lippa kreiert wurde. Doch tritt sie dort auf andere Weise auf, als Fans der TV-Adaptionen es gewohnt sein dürften. Denn das gefühlskalte Mädchen mit einer Vorliebe für Armbrüste und kreative Foltermethoden ist erwachsen geworden – und unsterblich verliebt. Dass ihre Wahl ausgerechnet auf Lucas Beineke gefallen ist, einen Blondschopf aus einer ganz normalen Familie, macht den restlichen Addams zu schaffen.
Die Situation spitzt sich zu, als die beiden Familien sich bei einem gemeinsamen Abendessen kennenlernen sollen. Erschwert wird das Ganze durch ein Geheimnis, das Wednesday nur ihrem Vater Gomez verrät – der deshalb zum ersten Mal in seinem Leben seine Ehefrau Morticia belügen muss.
Wednesday in Mainz
Auf die Mainzer Bühne gebracht wird „The Addams Family“ vom Team um Christian Brey, der auch schon die bereits erwähnten Publikumserfolge „The Producers“ und „Der kleine Horrorladen“ inszenierte. Keine Überraschung also, dass die Premiere am 22. März im Großen Haus restlos ausverkauft war. Bereits im Foyer war allseits freudige Erwartung zu spüren, einige Fans hatten sich sogar thematisch passend im Goth-Look angezogen.
Die Vorstellung selbst begann direkt mit einem Highlight: dem Ensemble-Lied „Bist du ein Addams“. Hier trifft alte Addams-Nostalgie auf einige popkulturelle Überraschungen. So flackern in der Choreografie von Yoko El Edrisi Anspielungen auf Bobby Picketts „Monster Mash“, Michael Jacksons „Thriller“ oder auch Jenna Ortegas viralen Tanz aus der „Wednesday“-Serie auf.
Der Bezug zu Jenna Ortegas „Wednesday“-Performance spiegelt sich auch im Kostümdesign für die Mainzer Wednesday (Carlotta Hein) wider, das an Ortegas Schuluniform und düstere Kleider aus der Netflix-Serie erinnert. Das bringt allerdings auch eine Schwierigkeit mit sich: Da die quirlig-verliebte Wednesday im Musical sich grundlegend von der düsteren Wednesday von Netflix unterscheidet, entsteht direkt nach dem ersten Song ein inhaltlicher Bruch. Den kann Carlotta Hein aber glücklicherweise etwas später mit einer herrlich gespielten Performance des Solos „Neue Wege“ wieder glätten.
Morticia und Gomez als Publikumsmagnet
Grundsätzlich liegen die Stärken des Musicals nicht in der Geschichte an sich, sondern in der Art und Weise, wie sie erzählt wird. Schon das Broadway-Musical erhielt damals gemischte Kritiken, woran die eher flache Story sicherlich nicht ganz unschuldig war. Doch das Mainzer Ensemble versteht es, die Stärken des Stücks für sich zu nutzen: Maike Elena Schmidt als Morticia verführt mit ihrem Schauspiel und ihrer Stimme nicht nur ihren Mann Gomez (Michael Kamp), sondern das gesamte Publikum. Die Chemie der beiden und ihr perfektes komödiantisches Timing stecken an und sind einer der Grundpfeiler des Stücks.
Großes Comedy-Talent zeigt auch Holger Kraft als Onkel Fester, der mit seinem direkten Spiel zum Publikum und seinen an die Wirklichkeit angelehnten Witzen immer wieder zeigt, dass sich das Musical selbst nicht allzu ernst nimmt – und vor allem eins will: Spaß machen.
Große Highlights und sympathische Pannen
Dieses Ziel erreicht das Stück zu 100 Prozent, und das in allen Sparten der Inszenierung. Bühnenbild, Licht und Kostüme setzen genau die richtige Stimmung für die düstere Komödie. Die Musik, allen voran in den Ensemble-Stücken, reißt mit und Nebenrollen wie Grandma Addams (Iris Atzwanger), der an Frankensteins Monster angelehnte Lurch (Gregor Loebel) und die zunächst unscheinbare Alice Beineke (Anika Baumann) bieten tolle Überraschungen.
Besonders hervorzuheben ist auch die Puppenspielerin Svea Schiedung, die den nicht-menschlichen Figuren täuschend echtes Leben einhaucht: ob dem Eiskalten Händchen, einem verspielten Riesentintenfisch oder einem Monster unter dem Bett.
Bei so viel Spaß, Leichtigkeit und düsterem Humor störte es auch nicht, dass die Premieren-Aufregung vereinzelt gesangliche Unsicherheiten mit sich brachte – oder der Vorhang am Schluss nicht ganz unfallfrei schließen konnte und Morticia aus ihrer Schlusspose riss. Dass Maike Elena Schmidt dabei kurz aus der Rolle fiel und lachen musste, bot ungeplant das perfekte Ende zu einem wunderschönen Musical-Abend. Die Reaktion des Publikums spricht für sich: Standing Ovations im gesamten Zuschauerraum.
Wann ihr euch das Stück ansehen könnt
Ob für Musical-Fans, Addams-Family-Liebhaber oder einfach nur Neugierige: „The Addams Family“ im Mainzer Staatstheater ist definitiv einen Besuch wert. Auch für Familien ist das Stück geeignet, Kinder sollten allerdings nicht zu jung sein – sexuelle Anspielungen und sterbende Vögelchen könnten nämlich für Schreckmomente sorgen. Acht weitere Vorstellungen sind in der aktuellen Spielzeit geplant: am 6., 8., 13. und 20. April, am 3., 18. und 29. Mai sowie am 1. Juli. Termine nach der Sommerpause stehen noch nicht fest.
Karten kosten zwischen 21,50 und 49,50 Euro, darin eingeschlossen sind auch Snacks und Getränke. Weitere Informationen zu Tickets, den Vorstellungsterminen und zum Stück findet ihr hier.