Für viele Mainzer war es das wohl erstaunlichste Ergebnis bei den Ortsvorsteherwahlen im Juni: Der 43-jährige Josef Aron von den Grünen löste Amtsinhaberin Sabine Flegel (CDU) als Ortsvorsteher von Gonsenheim ab. Flegel war zuvor 20 Jahre im Amt gewesen. Für Aron selbst sei die Überraschung gar nicht so groß gewesen. „In Gonsenheim wurde in den letzten Jahren immer mehr Grün gewählt: bei den Kommunalwahlen, der Landtagswahl, der Bundestagswahl, der OB-Wahl und nun auch bei den Ortsbeiratswahlen“, erzählt er im Gespräch mit Merkurist auf dem Gonsberg Campus.
Seine Vorgängerin habe ihm schnell gratuliert und ihre Unterstützung angeboten. „Sie hat so viele Kontakte, da wäre ich doch blöd, das nicht zu nutzen“, sagt Aron. „Wir tauschen uns aus. In erster Linie geht es um Gonsenheim, Parteipolitisches ist dann erstmal zweitrangig.“
Seit fünf Jahren bei den Grünen
Erst seit fünf Jahren gehört Aron den Grünen an, seit einem Jahr sitzt er im Gonsenheimer Ortsbeirat. Hier habe er wichtige Einblicke bekommen, „was dort alles passiert, auch das Inoffizielle“. Nach einer Weile hätten ihn seine Parteikollegen gefragt, ob er sich als Ortsvorsteher-Kandidat aufstellen lassen würde. „Und irgendwann ist aus der anfangs scherzhaften Frage eine konkrete Idee geworden“, so Aron. Sein Antrieb: „Ich möchte wirklich etwas bewegen, dafür kämpfen, den Stimmenanteil der AfD zu reduzieren und den der Grünen nach vorne zu bringen. Ich wollte mich einbringen, damit es besser wird.“
Dennoch musste er erst einmal klären, ob sich die Arbeit als Ortsvorsteher mit der Familie – Aron hat drei kleine Töchter – und seinem Beruf als Bauingenieur vereinbaren lässt. Außerdem ist er ehrenamtlich beim THW und den Maltesern aktiv.
Seit der Jugend ehrenamtlich aktiv
Ehrenämter hat Aron schon, seit er 16 Jahre alt ist, erzählt er im Merkurist-Gespräch. Vor allem in der Jugendarbeit sei er viele Jahre lang tätig gewesen. Er selbst habe als Kind die Erfahrung gemacht, wie viel erreicht werden könne, wenn man sich für andere einsetzt. Damals wurden er, seine vier Geschwister und seine Eltern, die 1979 von Eritrea nach Bad Mergentheim geflohen sind, von einer „Ziehpatentante“ unterstützt, wie er sie nennt.
„Sie war bei den Hausaufgaben dabei, bei Schulgesprächen, bei Behördengängen.“ Und das Wichtigste: „Sie hat uns verteidigt, als es hieß: ‘Ausländerkinder gehen nur auf die Hauptschule’. Sie wusste, was wir leisten konnten. Das war der Schlüssel zur Integration.“ Bis heute ist Aron ihr für ihr Engagement dankbar. Er machte Abitur und zog im Jahr 2004 nach Mainz, studierte hier Bauingenieurwesen und arbeitet inzwischen als Teamleiter der ABO Wind AG in Gonsenheim.
In Mainz hat er in mehreren Stadtteilen gewohnt. Vor acht Jahren zog er dann nach Gonsenheim, „in den schönsten Stadtteil“, wie er lachend sagt. Seine Frau sei in Gonsenheim aufgewachsen, Verwandte wohnen in der Nähe. „Wir genießen es hier zu wohnen, vor allem mit unseren drei Kindern“, so Aron. Die Wege in die Stadt seien kurz, auch mit dem Fahrrad. „Gleichzeitig haben wir in Gonsenheim alles, was wir brauchen.“
Erfahrungen mit Rassismus
Doch mit Mainz verbindet er nicht nur Schönes. „Ich habe auch in Mainz meine Erfahrungen mit Rassismus gemacht. ‘Ach, Sie sprechen aber gut Deutsch’ sind typische Aussagen. Mittlerweile halte ich den Menschen den Spiegel vor und sage: ‘Sie aber auch’“, erzählt er. Auch von der Polizei sei er schon oft kontrolliert worden. „Das war Standard: Ich habe den Ausweis immer schon vorher herausgeholt.“ Während des Studiums habe er sich genau überlegen müssen, vor welchen Clubs er sich in die Schlange stellt, denn viele von ihnen hätten ihn allein wegen seiner Hautfarbe abgelehnt. „Ich wusste dann schon, dass ich da mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht reinkomme“, erinnert er sich.
Als Ortsvorsteher will er sich künftig vor allem dafür einsetzen, dass Kinder und Jugendliche mehr Gehör finden. „Sie werden viel zu wenig eingebunden“, sagt Aron. „Gerade Gonsenheim ist ein Riesen-Stadtteil mit vielen jungen Menschen. Da müssen wir mehr tun.“ Die Zahl der Basketballplätze wolle er beispielsweise erhöhen, denn in ganz Gonsenheim gebe es nur zwei.
„Ich glaube, es wird oft gedacht, dass es Gonsenheim ja gut geht, dass es ein reicher Stadtteil ist, in dem es viel gibt. Aber gerade für junge Menschen muss man mehr machen“, sagt Aron. Familien sollten mehr unterstützt werden, etwa mit kostenlosen Sportangeboten.
Mehr Außengastronomie
Ähnlich wichtig sei ihm, dass es künftig mehr Außengastronomie im Stadtteil gibt. „Wir Mainzer sitzen gerne draußen und genießen das bei dem schönen Wetter. Das müssen wir in Gonsenheim weiter vorantreiben, das brauchen die Leute.“ Denn wenn es mehr Cafés und Treffpunkte gebe, würden die Leute auch bleiben, und danach die Geschäfte nutzen. So würde er etwa gern den Juxplatz besser gestalten, der bisher als Parkplatz und Freifläche für Jahrmärkte genutzt wird. „Die vorhandenen Geschäfte, der Kiosk und der Eispavillon Mario sind etwas verloren. Hier müssen wir es schaffen, dass man dort lieber verweilt und zusammensitzt.“
Doch erst einmal wolle er selbst rausgehen, die Themen anhören, die die Leute beschäftigen: Mit Sprechstunden vor Ort, etwa in der Elsa oder in Altenheimen. „Einfach mit einem Tisch, zwei Stühlen und Kaffee.“
Seit 29. August ist er offiziell Ortsvorsteher von Gonsenheim, seine Amtszeit geht bis 2029. Und wie geht es dann weiter? Würde er sich sogar zutrauen, nächster Oberbürgermeister-Kandidat der Grünen zu werden? Aron lacht wieder. „Dem Nino Konkurrenz machen? Wir kennen uns schon länger, haben früher manchmal zusammen gefeiert – und jetzt begegnen wir uns auf politischer Ebene wieder.“ Dann überlegt er kurz. „Man sollte niemals nie sagen. Aber in erster Linie geht es jetzt darum, alles kennenzulernen und hier in Gonsenheim die Dinge voranzutreiben.“
Das Gespräch führten Ralf Keinath und Sandra Werner.