Sportreporter packt aus: So verrückt war es früher bei Mainz 05

Seit 30 Jahren berichtet Sportreporter Peter Moufarrège über den 1. FSV Mainz 05. In drei Jahrzehnten erlebte er Legenden wie Wolfang Frank und Jürgen Klopp, berichtete über Dramen und Erfolge. Doch sein Job hat sich inzwischen massiv verändert.

Sportreporter packt aus: So verrückt war es früher bei Mainz 05

Als Sportreporter Peter Moufarrège im Jahr 1994 anfing, für „Bild“ über die damals graue Zweitligamaus Mainz 05 zu berichten, war sein Job noch ganz anders als heute. Das Internet steckte in den Kinderschuhen, die Zweitligastadien waren größtenteils unüberdachte Bruchbuden und der heutige Star-Trainer Jürgen Klopp war Zweitligakicker beim FSV. Im Gespräch mit Merkurist kann Moufarrège über kuriose Geschichten von damals nur lachen.

Wie so viele Journalisten seiner Generation landete er eher zufällig bei der Zeitung, wie er sich erinnert. Eigentlich hatte Ruhrpottler Moufarrège Sozialwissenschaften studiert, bevor er ins Rhein-Main-Gebiet kam: „Ich hatte damals in Frankfurt als Volontär angefangen und keiner der Reporter hatte sich für Mainz 05 interessiert. Für mich war Mainz 05 also eine gute Möglichkeit, über Profi-Fußball zu berichten.“ Sein erstes Auswärtsspiel als 05-Reporter erlebte er 1994 in Wattenscheid (Bochumer Stadtbezirk). Mit einem erfahrenen „Bild“-Reporter an seiner Seite eilte Moufarrège nach Spielschluss direkt aufs Spielfeld und sprach mit Spielern und Trainern munter über die gerade zu Ende gegangene Partie. „Es gab keine Absperrung, keine Presseabteilung und die Spieler waren froh, dass sich überhaupt jemand von den Medien für sie interessierte“, erinnert sich Moufarrège zurück.

„Kommen Sie doch rüber zur Mannschaft, Sie gehören doch dazu“

Wenn der eine Trainingsplatz am Bruchweg damals nicht bespielbar war, wurden die Fußball-Profis in Kleinbussen auf Sportplätze nach Gonsenheim, Bretzenheim oder Mombach gefahren. Reporter Moufarrège stand dann an der alten Container-Geschäftsstelle am Bruchweg und fragte die Sekretärinnen vor Ort, wo das Team trainiert. „Die Antwort war eigentlich immer dieselbe“, so Moufarrège: „keine Ahnung“. Der „Bild“-Reporter setzte sich ins Auto und fuhr die möglichen Trainingsplätze selbst ab. „Die Spieler haben sich immer gefreut, wenn ich vorbeikam. Ich habe dann schnell zur Mannschaft gehört.“

Unter dem legendären Mainz-Trainer Wolfgang Frank bereiteten sich die 05er im Januar 1997 wochenlang im Trainingslager auf Zypern auf die Rückrunde vor. 24 Tage lang schufteten die Profis. Mit dabei im Trainingslager: Peter Moufarrège – zumindest eine Woche lang. „Die Redaktion hatte mir verboten, noch länger zu bleiben. Damals waren Journalisten und Spieler im gleichen Hotel untergebracht. Das gibt es heute auch fast nur noch bei Mainz 05 so“, sagt Moufarrège. „Als ich eines Tages allein am Tisch im Hotel saß, kam Trainer Wolfgang Frank vorbei und guckte mich an. Frank sagte zu mir: ‘Warum sitzen Sie denn hier allein? Kommen Sie doch rüber zur Mannschaft, Sie gehören doch dazu’.“

Moufarrège gehorchte zögernd, ließ sich aber darauf ein und war wieder ein Stück näher an der Truppe dran. „Von da an musste ich immer mit der Mannschaft essen“, sagt Moufarrège und lacht. „Wolfgang Frank hat auch sehr früh erkannt, dass ein Verein ohne große Wahrnehmung in der Öffentlichkeit einen guten Draht zur Presse braucht. Das war aber nicht immer nur kalkuliert, Frank war auch einfach menschlich ein guter Typ.“

Wie sich die Arbeit der Sportreporter verändert hat

Auch wenn viele „Bild“-Leser in den Neunzigerjahren eher Artikel über die Bundesliga-Größen Eintracht Frankfurt oder FC Kaiserslautern lasen, war Moufarrège immer auf der Suche nach einer Geschichte über die 05er. Auswärtsspiele sprengten damals häufig Moufarrèges Budget, außerdem wurden die Zweitligaspiele in den Neunzigerjahren nicht alle live übertragen, also wusste sich der „Bild“-Reporter zu helfen: Er klingelte bei den 05-Profis auf den ersten Mobiltelefonen durch, während sie auf der Rückreise im Mannschaftsbus saßen. Nicht selten bekam er kein Statement der Spieler, sondern einen Auftrag: „Schreib doch einfach etwas auf, Peter. Du kannst das eh besser als ich formulieren.“

Moufarrège erinnert sich: „Manchmal musste ich ihnen auch Spielnoten geben. Dann habe ich Spieler gefragt, wie sie ihre Mitspieler bewerten. Einmal rief mich Uwe Stöver am Montagmorgen an und beschwerte sich: ‘Sag mal, warum hast du mir eine 5 gegeben!?’ Ich antwortete ehrlich: ‘Keine Ahnung, das war dein Kollege. Ich habe das Spiel nicht mal gesehen’“, so Moufarrège. Er betont, dass trotz aller Verbundenheit auch mal Interessenkonflikte aufkamen: „Ich schrieb ja nicht für die Vereinszeitung. Aber wir konnten uns nach einer kritischen Geschichte trotzdem noch in die Augen sehen.“

Arbeit hat sich spürbar verändert

Heute hat sich die Arbeit für Moufarrège und seine Kollegen spürbar verändert. Spieler und Trainer sind von Medienvertretern eher genervt, Trainings finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, Interviews werden von Pressestellen bearbeitet und erst dann freigegeben. „Die Pressestellen wurden bei größeren Vereinen in den Neunzigerjahren geschaffen, aber eigentlich hatten die Pressesprecher damals gar nichts zu tun, wir Reporter kannten ja alle im Verein sowieso bestens“, sagt Moufarrège. „Wenn man den Trainer sprechen wollte, bekam man damals plötzlich zu hören: Du willst den Trainer sprechen? Da musst du erst mich fragen.“

Ein anderer Punkt sei die Vermarktung der TV-Rechte an das Bezahlfernsehen. „Die lieben Kollegen von Premiere (heute Sky) haben damals Exklusivrechte bei Interviews für sich eingefordert. Sie hatten einen Haufen Geld bezahlt, also wollten sie dafür auch zuerst mit Spielern und Trainer sprechen. Wir anderen mussten uns dann hintenanstellen.“ Was ihm wichtig ist: „Fairerweise möchte ich anfügen, dass bei Mainz 05 mit Tobias Sparwasser und Silke Bannick sehr liebe und kooperative Kollegen das Zepter in der Pressestelle schwingen.“

Dennoch genieße er es auch immer noch, als Reporter in Mainz zu arbeiten, so Moufarrège. „Ich kenne inzwischen Kollegen, die können sich überhaupt nicht vorstellen, dass ein Spieler privat mit ihnen redet. In Mainz ist auch heute noch alles ein bisschen kleiner. Da geht das auch mal.“ Insgesamt sei er dankbar, die erfolgreichen Jahrzehnte beim FSV begleitet zu haben. Sowohl die knapp verpassten Aufstiege 1997, 2002 und 2003, als auch den ersten Bundesliga-Aufstieg 2004 unter Jürgen Klopp. Mit vielen der damaligen Spieler ist er bis heute befreundet.