OB-Interview: Mainzer Neustadt bekommt „grünes Wohnzimmer“

Wie gut versteht er sich mit dem Wiesbadener OB? Was sagt er zum kritischen Motivwagen an Rosenmontag? Und wie geht es weiter mit dem Mainzer Marktfrühstück? Oberbürgermeister Nino Haase im Merkurist-Interview.

OB-Interview: Mainzer Neustadt bekommt „grünes Wohnzimmer“

Seit fast einem Jahr ist Nino Haase (parteilos) Oberbürgermeister von Mainz. Im Merkurist-Interview spricht er über einen kritischen Motivwagen, sein Verhältnis zum Wiesbadener Oberbürgermeister und über seine bisherige Amtszeit.

Merkurist: Herr Haase, Sie haben im Februar Ihre erste Fernseh-Fastnacht „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ als Oberbürgermeister hinter sich gebracht. Waren Sie vorher angespannt? Als Politiker wird man dort teilweise heftig durch den Kakao gezogen.

Haase: Nein, da war pure Vorfreude. Und ich habe mich sehr gefreut, dort mit meinem Wiesbadener OB-Kollegen Gert-Uwe Mende zu sein. Uns kam leider erst zu spät die Idee, als zwei Teile der fertigen Schiersteiner Brücke zu gehen. Aber die ist ja noch nicht ganz fertig und deshalb haben wir noch Potenzial für nächstes Jahr. Ich war bei vielen Fastnachtssitzungen und wurde oft erwähnt, aber meistens nett – als Häschen. Wenn das das Schlimmste ist, was man nach einem Jahr findet, dann kann ich als Neuling im Amt sehr gut damit leben.

Bei Ihrem Motivwagen am Rosenmontag war die Kritik nicht ganz so nett. Da war der Subtext: Der setzt nichts um und ist meist nur auf Feiern unterwegs. Wie bewerten Sie diese Kritik?

Das ist wahrscheinlich der Standard, den ein OB aushalten muss. Aber ich vermute auch, dass der MCV in der ganzen Euphorie darüber, dass der Oberbürgermeister die Finanzierung für die Straßenfastnacht auf den Weg gebracht hatte, vergessen hat, auf dem Motivwagen zwei bis drei weitere Häkchen zu setzen.

„Der Motor wurde beim Wohnungsbau zuletzt abgewürgt – mit diesen Maßnahmen soll er wieder laufen.“

An welche Häkchen denken Sie da?

Gerade beim Thema Kitapersonal-Hochstufung auf eine bessere Bezahlung hätte man wissen können, dass das umgesetzt wurde. Wir haben im letzten Jahr zirka 45 Kita-Fachkräfte mehr eingestellt. Der Durchschnitt der letzten zwölf Jahre lag bei zehn. Für zehn Monate Amtszeit gar nicht so schlecht. Zudem haben wir jetzt beschlossen, 80 Prozent geförderten Wohnraum in Mainz auf den Weg zu bringen. Wir setzen auch die Baukostenobergrenze aus und sorgen für den Bau familienfreundlichen Wohnraums. Denn es geht nicht nur um bezahlbaren, sondern auch familienfreundlichen Wohnraum, also Vier- und Fünf-Zimmer-Wohnungen. Der Motor wurde beim Wohnungsbau zuletzt abgewürgt – mit diesen Maßnahmen soll er wieder laufen.

Sie haben den Wiesbadener OB Gert-Uwe Mende (SPD) angesprochen. Wie ist denn Ihr Verhältnis zu ihm?

Sehr gut. Wir sehen uns relativ häufig, sind im regen Austausch. Mainz und Wiesbaden sollte man auch immer nur gemeinsam begreifen als große Region. Da gibt es wenig Trennendes. Wir arbeiten bei vielen Themen eng zusammen; ein sehr gutes Beispiel dafür: die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden.

Trotzdem gibt es die Tradition der Hassliebe zwischen beiden Städten. Ist das nicht verstärkt worden durch das „neureiche“ Mainz? Sonst war Wiesbaden immer die reichere Stadt.

Nein, das ist doch schön. Wir sind, was Haushalte angeht, sicherlich krisenerprobter als Wiesbaden. Unsere Erfahrungen geben wir da gerne weiter. In meinen Augen gibt es aber insgesamt überhaupt keine Spannungen zwischen beiden Städten. Auch beim Thema Ostfeld arbeiten wir eng zusammen, wo jetzt umfassende Klimastudien auf den Weg gebracht worden sind, in die auch die Mainzer Behörden Einblick hatten.

Anderes Thema: Um den Jahreswechsel wurde heftig diskutiert über ein Böllerverbot rund um das Mainzer Tierheim. Sie sprachen sich deutlich für ein Verbot aus, erklärten aber auch, dass der Stadt rechtlich die Hände gebunden seien. Dafür wurden Sie unter anderem von einer Mainzer Zeitung heftig kritisiert. Wie haben Sie die Kritik erlebt?

Ich sehe solche Berichte gelassen. Fakt ist: Es gibt kein einziges Tierheim in Rheinland-Pfalz, in dessen Nähe eine Böllerverbotszone erlassen wurde. Und mit einem Beispiel aus Schleswig-Holstein zu kommen, ein Bundesland, das ja nun mal eine solche Verordnung hat, finde ich auch eher mäßig.

„Ich verstehe immer noch nicht, warum man eine solche Verordnung auf Landesebene nicht ändert.“

Sie hatten sich mit Briefen an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Landesumweltministerin Katrin Eder (Grüne) gewandt und sie gebeten, die Rechtslage zu ändern. Wie ist da der Stand?

Mir liegt inzwischen immerhin eine Antwort aus dem Bundesinnenministerium vor. In der steht: Wenn „Gefahr im Verzug“ ist, dann könnte man eine Böllerverbotszone einrichten. Dann muss man aber als Kommune nachweisen, etwa durch Videoaufnahmen, dass dort bewusst Angriffe auf Tiere stattgefunden haben. Klar, das werden wir versuchen. Aber ich hoffe, dass jedem klar ist, dass das nicht so einfach ist. Ich verstehe immer noch nicht, warum man eine solche Verordnung auf Landesebene nicht ändert. Noch besser wäre eine Änderung auf Bundesebene, also dass man außer Altenheimen, Kinderheimen, Krankenhäusern und besonders feuergefährdeten Gebäuden einfach auch Tierheime, Wildtierparks und Zoos mit aufnimmt. Wir werden nun aber auf jeden Fall eine Freiwilligen-Kampagne starten und aufklären. Davon erhoffen wir uns mit dem Tierheim schon viel. Jedenfalls wollen wir, wenn es dann tatsächlich um eine Verbotszone geht, Rechtssicherheit haben. Es gibt sehr hohe Hürden dafür. Wenn wir Tierschutz einfordern, müssen wir weiterhin dafür kämpfen. Die gesetzliche Grundlage für das Verbot rund um das Tierheim muss kommen, keine Frage.

Blicken wir auf die Kommunalwahl, die am 9. Juni ansteht. Kann der Ausgang der Wahl auch große Auswirkungen auf Ihre Arbeit haben?

Natürlich kann er das. Aber in meinen Augen ist das Amt Oberbürgermeister per se kein politisches Amt – man ist zwar Teil des Stadtrats, aber man ist vor allem Teil der Verwaltung. Ich habe es auch im Wahlkampf immer gesagt: Die Aufgabe des OB ist, die Verwaltung am Laufen zu halten. Das betrifft zum Beispiel den Bereich Digitalisierung für die Mitarbeiter. Das ist für mich eine Riesen-Aufgabe. Es gibt so viel interne Arbeit hier. Deswegen ist mir die Zusammensetzung des Stadtrats zwar nicht egal, aber ich bin davon überzeugt, dass jede demokratisch gewählte Zusammensetzung bereit ist, mich bei der Modernisierung der Verwaltung zu unterstützen. Dasselbe gilt beim Vorhaben, wieder mehr Personal zu aktivieren. Bisher habe ich alle meine Vorlagen, die ich in den Stadtrat eingebracht habe, auch durchgebracht.

Sie haben eben demokratisch gesagt. Das würde dann nicht für die AfD gelten?

Das gilt für jede Partei, die sich an die Grundwerte unserer Demokratie hält.

Sie waren bei der „Demo gegen Rechts“ in Mainz dabei, haben auch eine Rede gehalten. Die AfD hat das kritisiert und sagt, dass Amtsträger neutral bleiben sollen. Wie schätzen Sie das ein?

Amtsträger müssen neutral bleiben, in dem Sinne, dass sie in ihren Verwaltungshandlungen den Gleichbehandlungsgrundsatz verfolgen. Natürlich muss jeder gleichbehandelt werden und so agieren wir, so agiere ich auch. Nichtsdestotrotz darf ich auch bundespolitische Themen – und um die ging es hauptsächlich bei dieser Demo – ansprechen und kommentieren.

Im Laufe des Jahres beginnen die Arbeiten zur Neugestaltung des Gutenberg-Museums. Diese haben dann auch Auswirkungen auf das beliebte Marktfrühstück, das bereits im März startet. So darf ab Juli der Liebfrauenplatz nicht mehr als Ausschankfläche genutzt werden. Zuletzt hieß es, dass die Stadt im Gespräch mit den Winzern sei, einen Ausweichstandort für den Liebfrauenplatz zu finden. Können Sie uns schon konkrete alternative Standorte nennen?

Wir haben in Mainz ein paar große Plätze und wir gucken uns alle an, die möglichst innenstadtnah sind. Das Marktfrühstück muss erst nach der Johannisnacht umziehen. Momentan sind wir im engen Austausch mit der Wirtschaftsdezernentin und man findet mit Sicherheit eine gemeinsame Lösung. Wo der alternative Standort sein wird, kann ich aber Stand jetzt noch nicht sagen.

„Beim Thema Leerstand sind wir sehr aktiv.“

Thema Innenstadt: Einige Geschäftsleute mahnen an, dass der Übergang zwischen Neu- und Altstadt besser verknüpft werden müsse. Speziell geht es ihnen um eine Aufwertung des Bereichs vom Neubrunnenplatz bis hin zum Kaufhof. Glauben Sie auch, dass in diesem Bereich etwas getan werden muss?

Natürlich haben wir auch Stellen in der Stadt, die sich nicht nur zum Positiven entwickelt haben. Jetzt müssen wir schauen, was wir dort besser machen. Es gibt das Projekt „LEAP“ (Lokale Entwicklungs- und Aufwertungsprojekte). Dafür wurde jetzt die gesetzliche Grundlage geschaffen. Konkret bedeutet das: Wenn man genug Anlieger aus einem Viertel zusammenbekommt, kann man sie verpflichten, eine gewisse Abgabe zur Aufwertung des Viertels zu zahlen. Ähnliches startet nun im Bereich Lotharstraße/Stadthausstraße. Wir haben dort auch schon einiges angeregt. Zum Beispiel hat jetzt der Austausch der Mülleimer begonnen. Das Umweltdezernat hat veranlasst, dass die Straßenreinigung in einem Amt gebündelt wird. Früher hat es das Gründezernat gemacht auf Grünflächen, der Entsorgungsbetrieb auf asphaltierten Flächen und an Bushaltestellen war nochmal jemand anderes beauftragt. Jetzt wird alles aus einer Hand geregelt und somit die Effizienz erhöht. Auch beim Thema Leerstand sind wir sehr aktiv. Wir sind zum Beispiel dabei, ein Gebäude am Flachsmarkt zu erwerben, wo schon lange Leerstand herrscht. Auch konnten zuletzt einige prominente Leerstände – beispielsweise gegenüber von C&A – vermittelt werden.

Viele Bürger fordern auch mehr Grün in der Stadt.

Natürlich ist das ein guter Punkt. In einer schnell wachsenden Stadt braucht es aber auch Flächen, um etwas aufzustellen oder zu pflanzen. Da muss man also immer abwägen. Mehr Grün wollen wir zum Beispiel im zweiten Bauabschnitt am Rheinufer schaffen, wo wir gerade eine große Bürgerbeteiligung durchgeführt haben. Auch im Regierungsviertel wollen wir mehr Grün und damit eine hochwertige Aufenthaltsfläche schaffen. An der Nordmole im Zollhafen, die Ende des Jahres eröffnet wird, wird es einen 700 Meter langen Grünstreifen geben – so eine Art Wohnzimmer für die Neustadt würde ich es nennen. Das wird richtig schön.

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führten Michael Meister und Ralf Keinath.