Abzocke bei Jura-Examen: Gesetze über 700 Euro bald für die Tonne?

Wer Jura studiert, muss nicht nur stressresistent sein, sondern auch tief in die Tasche greifen. Eine neue Regelung könnte Jura-Studenten jetzt dazu zwingen, ihre bisherigen Gesetzbücher einfach wegzuwerfen und für mehrere Hundert Euro neu zu kaufen.

Abzocke bei Jura-Examen: Gesetze über 700 Euro bald für die Tonne?

Fast 170 Euro kosten die Gesetzestexte, die ein Jura-Student für das erste Staatsexamen braucht. Für das zweite Staatsexamen kommen noch die Kommentar-Sammlungen hinzu – für zusätzlich knapp 550 Euro. Eine neue Regelung könnte nun dafür sorgen, dass angehende Juristen in Rheinland-Pfalz ihre aktuellen Gesetzbücher bald nicht mehr nutzen dürfen – und für die Prüfungen noch einmal komplett neu anschaffen müssen.

Neuer Entwurf für die Prüfungsordnung

Bislang durften Jura-Prüflinge in den Gesetzbüchern, die sie zu den Examensprüfungen mitbringen müssen, wichtige Stellen unterstreichen oder farbig markieren. Lediglich Randnotizen waren nicht erlaubt. Ein neuer Entwurf der Juristischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPO), den das Juristische Landesprüfungsamt in Rheinland-Pfalz Ende März herausgegeben hat, will das jedoch ändern: Laut § 6 des neuen JAPO-Entwurfs sollen ab dem 1. August 2023 alle Markierungen verboten sein, eine Übergangsregelung ist nicht vorgesehen. Am Donnerstag (4. Mai) soll die Landesregierung über den Entwurf abstimmen.

Doch was bedeutet die Änderung von § 6 konkret? Abgesehen davon, dass die Examenskandidaten sich in den Prüfungen nicht mehr an ihren Markierungen orientieren können, um unter Zeitdruck schnell die wichtigsten Paragrafen zu finden, würde die neue Regelung viele auch finanziell in die Ecke drängen. Bücher im Wert von mehreren Hundert Euro wären auf einmal nutzlos und müssten komplett neu angeschafft werden, wenn in ihnen markiert wurde. Dabei wurde gerade die Arbeit mit markierten Gesetzen den Studenten jahrelang beigebracht, so eine Stellungnahme von Mitarbeitern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) vom 27. April.

Das sagt das Landesprüfungsamt

Wenn aber im Jura-Studium immer schon das Markieren der Gesetze empfohlen wurde, warum dann der plötzliche Sinneswandel im Landesprüfungsamt? Auf Merkurist-Anfrage begründet ein Sprecher die Änderung von § 6 damit, dass die bisherige Regelung für vermehrte Anfragen an das Landesprüfungsamt gesorgt habe. Vielfach seien Studenten verunsichert und hätten Angst, die Grenze zwischen erlaubter Markierung und Täuschungsversuch zu überschreiten. Aus der Sicht des Landesprüfungsamts würde das klare Verbot von Markierungen diese Unsicherheit aus dem Weg räumen und für mehr Chancengleichheit unter den Prüflingen sorgen.

Und tatsächlich ist die Regelung für Markierungen auf der Website des Landesprüfungsamts nicht eindeutig: „Bei der Anfertigung der schriftlichen Aufsichtsarbeiten werden einfache Unterstreichungen, das heißt solche ohne System, oder ähnliche Hervorhebungen (z.B. farbige Markierungen) in den zugelassenen Gesetzessammlungen und Hilfsmitteln nicht beanstandet.“ Auf den ersten Blick wird dabei nicht ersichtlich, was unter einer Markierung „ohne System“ zu verstehen ist. Weitere Erklärungen oder Beispiele werden nicht angeführt.

Ein weiterer Grund für die Anpassung der Markierungsregelung: Mittelfristig sei in Rheinland-Pfalz geplant, die Gesetzestexte und weiteren Hilfsmittel in den Prüfungen digital zur Verfügung zu stellen, so der Sprecher. „Dann aber entfällt die Möglichkeit einer (vorherigen) Markierung ohnehin. Darauf soll die geplante Regelung vorbereiten.“ Wann die Prüfungen aber tatsächlich mit digitalen Gesetzen geschrieben werden können, verrät das Landesprüfungsamt nicht.

Jura-Studenten wehren sich mit Petition

Mit einer Petition wollen die Jura-Studenten und Rechtsreferendare in Rheinland-Pfalz nun gegen die Änderung von § 6 vorgehen. „Nach jahrelanger Praxis und Arbeit am (markierten) Gesetz binnen weniger Monate dieses Lernsystem komplett zu verwerfen ist ein Unding und setzt Studierende enormen Belastungen aus“, so die Jura-Fachschaft der Universität Trier, die die Petition gestartet hat. Die Studenten würden mit Kosten von mehreren Hundert Euro allein gelassen und könnten die Gesetze, die sie bisher verwendet haben, nur noch in den Müll werfen.

In der Petition kritisiert die Fachschaft vor allem, dass es keine Übergangslösung für die plötzliche Kehrtwende gibt, und wirft dem Landesprüfungsamt vor, mit der Änderung nicht das Wohl der Studenten, sondern eigene Interessen zu verfolgen: „Das Landesprüfungsamt will sich seiner Verantwortung und einer aus unklar formulierten Regelungen erwachsenden Arbeitsbelastung entziehen. Vordergründiges Ziel kann nur sein, nicht weiter von als lästig empfundenen Anfragen behelligt zu werden.“

Ob die Petition tatsächlich Erfolg hat, bleibt abzuwarten. Wie der Sprecher des Landesprüfungsamts erklärt, sei der Landtag nämlich nicht verpflichtet, sich mit einer Petition zu befassen, die über einen privaten Online-Anbieter laufe – was hier der Fall ist. Allerdings muss der Landtag dem neuen JAPO-Entwurf auch noch zustimmen. Und bis dieser am 4. Mai vorgestellt wird, können die Fachschaften, Berufsverbände und Gerichte noch Stellung dazu beziehen.

Hintergrund

Der neue Entwurf der Juristischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPO) vom 24. März 2023 umfasst nicht nur die Änderung der Markierungsregel in § 6. Unter anderem sieht der Entwurf auch Veränderungen vor, die von den Jura-Fachschaften als positiv gewertet werden, wie beispielsweise die Einführung der verdeckten Zweitkorrektur oder die Herabsetzung der erforderlichen Durchschnittsnote, um zur mündlichen Examensprüfung zugelassen zu werden.

Den vollständigen JAPO-Entwurf, die Petition gegen die Änderung von § 6 sowie einige Stellungnahmen dazu findet ihr hier.

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