Die Geschichte der Nationalsozialisten in Mainz nahm in einem unscheinbaren Haus in der Mainzer Altstadt ihren Anfang. Hier, zwischen dem Mainzer Staatstheater und dem Kostümladen „Deiters“, befand sich in den 1920er-Jahren das „Würzburger Bürgerbräu“.
Dort trafen sich an einem Tag Anfang 1925 drei „schnieke Herren“, wie Henrik Drechsler vom „Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz“ sie nennt: Fritz Walper, Karl Kasper und Peter Schwenk. Sie gründeten in der Kneipe in der Dominikanerstraße die Ortsgruppe der damals noch jungen NSDAP in Mainz. Großen Zulauf jedoch fand ihre Gruppe nicht, so Drechsler im Merkurist-Gespräch weiter. Gerade einmal 50 Mitglieder hatte sie nach einem halben Jahr laut dem Portal „Regionalgeschichte.net“.
Kirche verhinderte Erfolg des NSDAP in Mainz
Einer der Gründe für den ausbleibenden Erfolg war die katholische Kirche. „In Mainz waren mehr als 70 Prozent der hier lebenden Christen katholisch“, sagt Drechsler. „Und die Katholiken hatten mit der Zentrumspartei bereits eine Partei.“ Zudem folgten die Katholiken einem „Unvereinbarkeitsbeschluss“, der eine Mitgliedschaft in der NSDAP ausschloss. „Die Bindung an die katholische Kirche war also sehr viel stärker, als sie es heute ist“, so der Historiker.
Der zweite Punkt sei die Wirtschaft gewesen, so Drechsler weiter. Mainz sei damals stark industriell geprägt, viele der Bewohner in der Industrie beschäftigt gewesen, die vor allem in den rechtsrheinischen Gebieten ansässig war: in Amöneburg, Kostheim und Kastel. „Dementsprechend war Mainz relativ stark von der Arbeiterschaft geprägt, die traditionell bei den Sozialdemokraten, den Kommunisten oder den Gewerkschaften engagiert war. Und die bildeten einen starken Gegenpol zu den Nationalsozialisten“, sagt Drechsler.
Schwache Wahlergebnisse der NSDAP in Mainz
So seien auch die Wahlergebnisse der NSDP in Mainz lange Zeit relativ schwach gewesen, weit unter dem Reichsdurchschnitt und dem im rheinhessischen Umland, das protestantisch und landwirtschaftlich geprägt war. Bei der Reichstagswahl im Dezember 1924 erhielt die Partei gerade einmal 0,4 Prozent der Stimmen (damals noch als Nationalsozialistische Freiheitsbewegung).
Die Mainzer Ortsgruppe löste sich bereits nach zwei Jahren wieder auf. Es habe interne Streitigkeiten gegeben, sagt Drechsler weiter. „Das war eine Zeit lang sehr chaotisch, mit viel Fluktuation.“ Dr. Hugo Wolf, der die Gruppe führte, verließ laut Regionalgeschichte.net ganz die Partei. Auch eine Neugründung hatte erst Jahre später Zulauf.
Bis 1930 war die NSDAP auch im Mainzer Stadtbild kaum präsent, da die französische Besatzungsmacht ein Uniformverbot erlassen hatte. Das änderte sich im Frühjahr 1930, als die Franzosen aus den linksrheinischen Gebieten abgezogen waren:
Großer Zulauf nach Abzug der Franzosen
Nun wurden auch die Treffen größer, die Versammlungen von kleinen Räumen in die Stadthalle verlegt, so viel Zulauf bekam die Ortsgruppe plötzlich. „Die Zahl der Mitglieder war so stark angestiegen, dass die Ortsgruppe jetzt in mehrere Sektionen aufgeteilt wurde“, heißt es bei Regionalgeschichte.net – darunter etwa Altstadt, Neustadt, Bahnhof, Gautor, Kastel, Kostheim und Mombach.
Schon im nächsten Jahr stattete Adolf Hitler Mainz seinen ersten Besuch ab: Im November 1931 sprach er vor Tausenden Zuhörern. Auch die Wahlergebnisse sahen jetzt ganz anders aus: Bei der Reichstagswahl im September 1930 errang die NSDAP 14,7 Prozent der Mainzer Stimmen, zweieinhalb Jahre später waren es dann 35,4 Prozent.