Merkurist-Leser Rainer ist bei einem Spaziergang in Kostheim auf sehr verdächtige Spuren gestoßen: An einem Baum direkt am Mainufer klafft ein großes Loch, der Stamm ist hier nur noch ein paar Zentimeter dick. Das zeigen die Fotos, die er von der Stelle gemacht hat. „Wer knabbert an diesem Baum auf der Maaraue an der Mainmündung ?“, fragt er deshalb in einem Snip.
Tatsächlich ist seit wenigen Jahren bekannt, dass sich hier ein Biber niedergelassen hat, erklärt Peter Siersleben vom Nabu Wiesbaden auf Anfrage von Merkurist. Es scheine sich nach bisherigen Erkenntnissen um ein Einzeltier zu handeln. Soweit er weiß, wurden aber bisher weder ein Bau entdeckt noch Schäden festgestellt.
Biber gestalten Gewässer naturnah und schaffen Lebensräume
Grundsätzlich sei es ein gutes Zeichen, wenn sich der Biber wieder ansiedelt: „Durch den Dammbau gestaltet er die Gewässer wieder naturnah und schafft damit neue Lebensräume für viele Feuchtland-Arten“, so Siersleben. Sollte es tatsächlich so sein, dass sich Biber hier niederlassen, wäre das etwas Besonderes. Denn bereits im 16. Jahrhunderts wurde der Biber in Hessen ausgerottet. „Das letzte Exemplar wurde 1596 an der Gersprenz im Odenwald gesichtet“, erklärt Siersleben.
Denn sein warmes und wasserabweisendes Fell gehörte zu den wichtigsten Handelsgütern während der Hansezeit. Aus ihm wurden Mäntel gefertigt, Hüte und Mützen. Sein Fleisch war vor allem in der Fastenzeit beliebt – wegen seines Lebensraums in Gewässern und seinem Schuppen-Schwanz wurde er von der Kirche als Fisch kategorisiert. Noch bis 1976 durfte der Biber in Deutschland bejagt werden. Seit etwa 1840 galt der Biber aber in Rheinland-Pfalz als ausgerottet.
Population des Bibers steigt allmählich – dank Wiederansiedlungen
Vor rund 40 Jahren habe man dann begonnen, ihn im Spessart wieder anzusiedeln, sagt der Nabu-Experte Siersleben. Seitdem habe sich die Population auf ca. 1200 Tiere vermehrt. Vom Spessart aus haben sich die Tiere dann neue Lebensräume gesucht „und vor einigen Jahren auch unsere Region erreicht“, so Siersleben. Begleitet werde die Ausbreitung von Behörden und ehrenamtlichen Biberbetreuern. In Wiesbaden sei das Umweltamt zuständig.
Nicht jeder würde sich freuen, dass Biber wieder auftauchen: „Manchen Gewässeranrainern sind die baulichen Begabungen von Meister Bockert ein Dorn im Auge, für das Land Hessen kommt die Rückkehr des Bibers jedoch genau zur rechten Zeit“, so Siersleben. Denn bis 2027 sollten alle Gewässer einen „guten ökologischen Zustand" erreichen, verlangen es EU-Vorschriften. „Hessen ist jedoch noch weit von diesem Ziel entfernt, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen.“ Der Biber würde diese Arbeit „zum Nulltarif“ erledigen, indem er begradigte und verbaute Flüsse in naturnahe Gewässerlandschaften verwandle.
Nicht nur um Wiesbaden herum, auch in Rheinhessen breitet sich der Biber allmählich aus. Wie Stefanie Venske, die für das Bibermanagement in Rheinland-Pfalz zuständig ist, gegenüber Merkurist berichtete, hat der Biber vor einigen Jahren erstmals die Grenzen vom Elsass überquert: