Ärger um zahnärztlichen Notdienst in Mainz: Wieso gibt es kein Nacht-Angebot?

An der Mainzer Uniklinik gibt es keinen zahnärztlichen Notdienst mehr, ein Zahnzentrum in der Altstadt schließt um 24 Uhr. Ein Nacht-Notdienstzentrum gibt es nicht. Das sorgt nicht nur bei Merkurist-Lesern für Kritik.

Ärger um zahnärztlichen Notdienst in Mainz: Wieso gibt es kein Nacht-Angebot?

Rund 3000 Zahnärzte gibt es in Rheinland-Pfalz, mehrere Hundert davon allein in Mainz. Wer nachts Zahnschmerzen hat, stößt allerdings auf Probleme. Denn aktuell gibt es in Mainz kein zahnärztliches Notdienstzentrum, das auch unter der Woche die ganze Nacht geöffnet ist. Das kritisiert Merkurist-Leser John in seinem Snip: „Warum gibt es keinen nächtlichen Zahnarzt-Notdienst mehr? Bei AllDent wird man ab 0 Uhr nach Frankfurt verwiesen.“

Notdienst in Uniklinik eingestellt

Noch bis vor zwei Jahren bot die Zahnklinik der Mainzer Universitätsmedizin einen Notdienst an, bei dem Patienten außerhalb der regulären Öffnungszeiten ambulante Hilfe bekamen. Doch Ende Juli 2023 wurde der Notdienst eingestellt. Wieso, erklärt Professor Bilal Al-Nawas, Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, auf Merkurist-Anfrage. „Die Zahnklinik hat keinen ambulanten Versorgungsauftrag, sondern hauptsächlich einen Lehrauftrag“, sagt er. Mit dem zunehmenden Kostendruck auf Krankenhäuser und Kliniken in Deutschland sei die Unimedizin gefordert gewesen, sich auf ihre eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren und weitergehende Angebote wie den zahnärztlichen Notdienst zurückzufahren.

Seitdem verweist die Uni-Zahnklinik auf den Notdienst der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Rheinland-Pfalz. Die KZV ist gesetzlich dazu verpflichtet, einen zahnärztlichen Notdienst zu den sprechstundenfreien Zeiten bereitzustellen, wie eine Sprecherin der Vereinigung gegenüber Merkurist bestätigt. Dieser ist nicht in Form eines festen Notdienstzentrums geregelt, sondern über die ansässigen Zahnärzte, die den Notdienst abwechselnd übernehmen und die Patienten in der Regel in ihren eigenen Praxen behandeln. Für Patienten aus Mainz und Umgebung ist der Notdienst an Wochenenden, Feier- und Brückentagen über die Telefonnummern 01805 / 66 61 60 und 01805 / 66 61 61 zu erreichen – auch nachts.

Lücke bei Notdienst-Regelung?

Unter der Woche ist der Notdienst der KVZ jedoch nicht erreichbar. In Mainz bietet das Zahnarztzentrum AllDent an 365 Tagen im Jahr einen eigenen Notdienst zur Behandlung akuter Schmerzen an – also auch an normalen Werktagen –, allerdings nur bis 24 Uhr. In Frankfurt bietet AllDent seinen Notdienst zwar 24 Stunden am Tag an. Da es sich um ein freiwilliges und unabhängiges Angebot der Zahnzentrum-Kette handelt, ist AllDent aber nicht dazu verpflichtet, solch eine Rund-um-die-Uhr-Behandlung in allen Praxen sicherzustellen.

Heißt das also wirklich, dass Mainzer Patienten in Nächten außerhalb der Wochenenden bei Notfällen keine Hilfe bekommen? Eigentlich nicht: „Rechtlich gesehen ist der Hauszahnarzt dafür zuständig, auch in der Nacht“, sagt Professor Al-Nawas von der Uni-Zahnklinik. Ob auch jeder Zahnarzt tatsächlich nachts zu erreichen ist, sei eine andere Frage – und scheine seiner Meinung nach unrealistisch.

Auch die KZV verweist bei nächtlichen Akut- und Notfällen auf die Zuständigkeit der Hauszahnärzte oder einer „qualifizierten Vertretung“. Zweifel an der Erreichbarkeit der Ärzte könne KZV-Vorsitzende Christine Ehrhardt dabei aber nicht nachvollziehen. So würde die KZV stichprobenartig kontrollieren, ob Praxen nachts tatsächlich eine Rufweiterleitung eingestellt haben oder mit ihrem Anrufbeantworter auf eine im Notfall erreichbare Nummer verweisen. Verstöße würden „streng geahndet“.

Gespräche zu Notdienstzentrum ohne Ergebnis

Für Patienten und Zahnärzte sei diese Regelung jedoch nicht optimal, findet Professor Al-Nawas: „Es braucht eigentlich ein öffentlich geführtes zahnärztliches Notdienstzentrum. Es ist ja auch nicht die Lösung, alles in privatwirtschaftliche Hände zu legen.“ Er selbst sei sehr traurig darüber, dass die Uni-Zahnklinik ihren Notdienst wegen fehlender Zuständigkeit und Gelder nicht mehr anbieten könne. Für eine Kooperation mit der KZV sei er aber offen. Seine Idee: Ein Notdienstzentrum in der Uniklinik, das von der KZV betrieben und verwaltet wird. „Denn eigentlich hat die Unimedizin die idealen Voraussetzungen dafür“, sagt Al-Nawas. „Inhaltlich wäre das eine schöne Lösung.“

Die KZV hingegen sieht keine Möglichkeit für ein Notdienstzentrum. Den aktuellen Notdienst an Wochenenden und Feiertagen würden pro Jahr etwa 3000 Patienten in Rheinhessen nutzen, in Mainz zwischen 450 und 500 – Tendenz sinkend. „Mit der verbesserten Zahngesundheit der Menschen nimmt die Zahl der akuten Schmerz- und Notfälle insgesamt ab“, so eine KZV-Sprecherin. Unter diesem Gesichtspunkt sei ein Notdienstzentrum nicht kostendeckend zu finanzieren und würde die vorhandenen Ressourcen „stark belasten“.

Warum auch eine Kooperation mit der Uniklinik aus Sicht der KZV schwer umsetzbar wäre, erklärt KZV-Chefin Ehrhardt gegenüber Merkurist. „Es gab auch schon Gespräche in die Richtung, aber leider hat es nie geklappt.“ In einem Fall hätte die Uniklinik-Leitung eine zu hohe Summe genannt, die die KZV hätte zahlen müssen, bei einem anderen Versuch habe eine richterliche Entscheidung einen Strich durch die Rechnung gemacht: Nachdem das Bundessozialgericht 2023 in einem Fall aus Baden-Württemberg entschied, dass ein externer Bereitschaftsarzt sozialversicherungspflichtig sei, mussten Bereitschaftspraxen in ganz Deutschland höhere Beiträge zahlen und deshalb teilweise schließen. 2024 einigten sich Ärztekammern und Politik zwar auf einen Kompromiss. Ehrhardt zufolge sollte die KZV Rheinland-Pfalz aber nicht von politischen Entscheidungen abhängig sein, die sich jederzeit wieder ändern könnten.

Software für besseren Notdienst

Deshalb wolle die KZV auf eine neue Software setzen, um das bestehende Notdienstangebot für Patienten und Ärzte zu verbessern. Dabei handele es sich um ein intelligentes System, das Stoßzeiten analysiert, Dienste entsprechend einteilt, Wartezeiten für Patienten automatisch berechnet und sie so automatisch zum nächstgelegenen Notdienst mit freien Kapazitäten leitet. Seit zwei Jahren werde das System bereits in Koblenz und im Westerwald angewandt, ab Januar 2026 soll es in ganz Rheinland-Pfalz zum Einsatz kommen, auch in Mainz und Rheinhessen.

Vor allem für den ländlichen Raum sei das neue System ein Vorteil. „Die Notdienstversorgung in Mainz ist gar nicht das Problem“, sagt Ehrhardt. „Ich habe viel mehr das Land im Blick.“ Schon jetzt sei es ein Problem, dass sich nicht genug Zahnärzte auf dem Land ansiedeln würden und die Praxen dort überlastet seien. Ein zentrales Notdienstzentrum in Mainz könnte dieses Problem aus Ehrhardts Sicht noch verschärfen – und zudem längere Fahrzeiten für Patienten aus Rheinhessen mit sich bringen als die jetzige Regelung mit wechselnden Bereitschaftsdiensten in den vorhandenen Praxen.

„Der Notdienst ist ein sehr emotionales Thema und viele Patienten fühlen sich oft alleingelassen“, so Ehrhardt. „Notdienstregelungen sind aber eine ganz komplexe Sache und wir als KZV müssen auch dafür sorgen, dass unsere Kollegen nicht total überlastet sind.“

Bei Unfallverletzungen: Sofort zur Zahnklinik

Eine Ausweitung der aktuellen Notdienstzeiten auf Wochentage sei auch mit dem neuen System allerdings nicht geplant. „Vielmehr würde eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch den Notdienst eine Parallelstruktur zur Regelversorgung in den Praxen aufbauen, die wir nicht benötigen sowie finanziell und personell nicht stemmen können“, so die KZV.

Mainzer und Rheinhessen, die unter der Woche nachts dringend eine Zahnbehandlung brauchen, müssen sich also auch in Zukunft an ihren Hauszahnarzt wenden – oder zu weiter entfernten Notdiensten wie in Frankfurt fahren. Eine Ausnahme bilden allerdings schwere Unfallverletzungen oder starke Blutungen. „Wer stürzt und danach seine Zähne in der Hand hält, bekommt natürlich Hilfe bei uns in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie“, sagt Al-Nawas von der Uni-Zahnklinik. Das sei rund um die Uhr der Fall, auch an Wochenenden und Feiertagen.