Ein schmales Gebiet im Rheingau war Ende der 1910er-Jahre Niemandsland, staatenlos. Es befand sich zwischen den besetzten Gebieten, die rund um Mainz und Koblenz gezogen wurden. Die Bewohner wollten ihre eigene Isolation nicht hinnehmen und gründeten einen eigenen Staat: den Freistaat Flaschenhals.
Grund dafür war damals das Ende des Ersten Weltkriegs (1918), als die Gebiete links des Rheins unter den Alliierten aufgeteilt wurden. Ein je 30 Kilometer großer Radius wurde um die Brückenköpfe von Mainz und Koblenz gezogen und den Siegermächten zugeteilt. Mainz wurde von Frankreich besetzt, Koblenz von den US-Amerikanern. Zwischen den beiden „Kreisen“ blieb ein schmaler Bereich übrig, in dem sich unter anderem Lorch, Lorchhausen, Kaub und Laufenselden befand.
Abgeschnitten und zur Selbstverwaltung gezwungen
Dieses Gebiet war infolgedessen vom Rest der Region und vom unbesetzten Deutschland abgeschnitten und damit auf sich selbst gestellt. Elf Orte aus drei verschiedenen Landkreisen befanden sich quasi in Niemandsland. Die französischen Alliierten kümmerte das zunächst wenig, wie Stephanie Zibell und Peter Josef Bahles in ihrem Buch „Freistaat Flaschenhals: Historisches und Histörchen aus der Zeit zwischen 1918 und 1923“ schreiben. Ein Wiesbadener Regierungspräsident fürchtete indes, dass es deswegen zu Problemen in der Versorgung kommen könnte. Denn direkte Wege, über die die Gemeinden erreichbar gewesen wären, gab es keine mehr. Teilweise fehlten auch zwischen den Orten Straßenverbindungen. Auch Schiffe durften nicht anlegen.
Der Bürgermeister von Lorch, Edmund Pnischeck, lehnte eine Besatzung des Gebiets aber ab. Er wollte, dass wenigstens ein kleiner Teil „frei von jedem direkten oder auch indirekten welschen Einfluss“ bleibe, wie Zibell und Bahles in in ihrem Buch zitieren. Durch die Isolation waren die Gemeinden nun komplett zur Selbstverwaltung gezwungen. Da kam Pnischeck auf die Idee, einen eigenen „Staat“ zu gründen. Im Januar 1919 erklärte er das Gebiet für unabhängig – ohne eine rechtliche Grundlage. Wegen seiner Form zwischen den beiden Kreisbögen, vom Rhein begrenzt, gab er ihm den Namen „Freistaat Flaschenhals“. Pnischeck selbst sei der Sprecher der Gemeinden auf dem Gebiet. Er veranlasste außerdem ein eigenes Notgeld, dessen Motive von einem Künstler aus Kaub gestaltet wurden.
Das Ende des „Freistaats Flaschenhals“
Pnischeck ließ Straßen bauen sowie eine Telegrafenleitung durch nicht besetztes Gebiet. Lebensmittel kamen teilweise aus Limburg, teilweise wurden Waren heimlich nachts per Schiff gebracht.
Nach 1920 wurden die Grenzkontrollen von den Franzosen nach und nach gelockert, bis der „Flaschenhals“ im Sommer wieder an die Region Limburg und den Rest des Deutschen Reichs ohne Einschränkungen angebunden war. Damit endete auch die Selbstverwaltung des „Freistaats“. Die Gemeinden wurden wieder von Landräten verwaltet, ebenso wurden die vorher existierenden Post- und Telegrafenverbindungen reaktiviert. Der „Freistaat Flaschenhals“ existierte ab da nur noch auf der Landkarte. Der Freistaat hat demnach nicht bis 1923 bestanden, wie es auf einem Schild an der Lorcher Rheinfähre steht.