Nachdem in der Nacht auf Mittwoch (30. April) der SPD-Neustadtladen am Lessingplatz mit dem Schriftzug „Klassenverräter“ besprüht wurde, haben sich nun die mutmaßlichen Täter in einem anonymen Schreiben zu Wort gemeldet. Darin erklären sie ihre Motivation für die Aktion – und üben scharfe Kritik an der Reaktion der SPD.
Aktion gegen Koalitionsvertrag
In dem auf der Plattform Indymedia veröffentlichten Text bezeichnen sich die Verfasser als „ein paar Autonome aus Mainz“. Sie wollten mit der Aktion den „kontinuierlichen Verrat“ der SPD an der Arbeiterklasse anprangern, wie sie schreiben. Konkret richte sich ihr Protest aber gegen den Koalitionsvertrag der neuen Regierung aus SPD und den Unionsparteien, dem die SPD am Mittwoch mehrheitlich zugestimmt hatte und der am Montag (5. Mai) unterschrieben wurde.
Das Graffiti wurde bereits aufgesprüht, bevor die SPD überhaupt für den Koalitionsvertrag abgestimmt hatte – „doch wenn man sich bei der SPD auf eines verlassen kann, dann auf den Verrat am Proletariat!“, heißt es in dem Schreiben. „Daher brauchten wir auch nicht die Veröffentlichung des Ergebnisses abzuwarten, da uns ohnehin klar war, dass die SPD-Basis selbst dem schäbigsten Kompromiss des Koalitionsvertrages zustimmen wird, um der Parteilinie treu zu bleiben.“
Kritik an Reaktion der SPD
Weiterhin kritisieren die Verfasser die Reaktion der SPD auf die Farbattacke. Julia Wagner, Sprecherin des SPD-Ortsvereins Mainz-Neustadt, hatte die Aktion gegenüber dem SWR als „politischen Anschlag auf die SPD, aber auch auf den demokratischen Diskurs insgesamt“ bezeichnet.
Die mutmaßlichen Täter halten dagegen: „Ihr sprecht von Verrohung der Gesellschaft und meint damit Graffiti. Doch seid ihr selbst mit eurer menschenfeindlichen Politik für diese Verrohung verantwortlich.“ Mit der geplanten Abschaffung des Bürgergelds zugunsten einer neuen Grundsicherung, die im Koalitionsvertrag festgelegt ist, betreibe die SPD „verfassungsfeindliche Politik“.
Doch nicht nur auf Bundesebene wird die SPD im mutmaßlichen Bekennerschreiben kritisiert. Statt „Kinderfeste und Vogel-Exkursionen“ zu veranstalten, solle die Mainzer Neustadt-SPD lieber „sinnvollere und solidarischere Angebote“ schaffen, heißt es dort. „Wie beispielsweise Rechtsberatung für Miet- und Arbeitsrecht, Suppenküchen und gemeinsame Kochangebote für alle, Unterstützung von Wohnungslosen, sowie Jugendangebote.“
Polizei sucht weiter nach Zeugen
Die Polizei hatte nach der Farbattacke ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung eingeleitet und sucht weiterhin nach Zeugen (wir berichteten). Die SPD hatte die Schmierereien als „klare politische Attacke“ und „Anschlag auf die Demokratie“ bezeichnet. Laut Ortsvereinssprecherin Wagner ist es nicht der erste Angriff auf die Mainzer SPD gewesen. Die Partei wolle sich davon aber nicht einschüchtern lassen.