Es waren ungewöhnliche Temperaturen für einen Frühsommer in diesem Jahr. Fast 40 Grad erreichte das Thermometer Anfang der Woche. Doch nicht nur die Luft erwärmt sich an solchen Hitzetagen, sondern auch das Wasser. So erreichte der Rhein bei Mainz am 2. Juli eine Temperatur von 27,4 Grad – und damit über zwei Grad mehr als im Mittel.
Solche Temperaturen können, wenn sie länger anhalten, weitreichende Folgen für das Öko-System des Flusses haben, erklärt Jochen Fischer vom Landesamt für Umwelt im Merkurist-Gespräch. „Besonders kritisch wird es dann, wenn gleichzeitig der Durchfluss gering ist, der Rhein also einen niedrigen Pegel aufweist.“ Denn fließt weniger Wasser, erwärmt es sich noch schneller. „Im schlimmsten Fall kann es dann zu einem Fischsterben kommen“, so Fischer.
In Mainz wird die Wassertemperatur, gemeinsam mit anderen Werten, über eine Station an der Theodor-Heuss-Brücke gemessen. Von hier aus fließen Proben, die einen halben Meter unter der Wasseroberfläche entnommen werden, direkt in die Rheinwasser-Untersuchungsstation Mainz-Wiesbaden, die sich auf selber Höhe am Ufer befindet. Die nächsten Messstationen befinden sich in Bingen und Worms.
Vier Warnstufen bei hoher Wassertemperatur
Als der Rhein in Mainz am 30. Juni die Marke von 25 Grad überschritten hatte, wurde die erste von vier Warnstufen ausgerufen. Unter anderem wurden Industrieunternehmen aufgefordert, vorsorgliche Maßnahmen zu treffen. Sie müssen dann etwa die Wassertemperatur vor und nach der Einleitung von Kühlwasser aus dem Rhein messen und prüfen, ob statt dem Rheinwasser alternative Methoden zur Kühlung genutzt werden können. Am Freitag (4. Juli) wurde auf die zweite Warnstufe erhöht.
„Je höher die Temperaturen in Gewässern sind, desto mehr sinkt der Sauerstoffgehalt“, so Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne). Das könne nicht nur die Fische, sondern auch weitere Organismen gefährden. „Dies wäre nicht nur ökologisch ein Desaster, sondern würde auch die Wasserqualität enorm beeinträchtigen, da viele Organismen helfen, die Flüsse zu reinigen.“ Außerdem könne das eine Algenblüte zur Folge haben.
Fische und Muscheln geraten unter Stress
Wird die Warnstufe 3 (mehr als 28 Grad) erreicht, wie es 2018 das letzte Mal der Fall war, müssen Firmen einige Wochen lang jene Produktionen stark einschränken, die einen hohen Kühlwasserbedarf haben. Die vierte Warnstufe wird ausgerufen, wenn die Wassertemperatur des Rheins über 29 Grad liegt. „Im Jahr 2003, dem ersten ‘Hitzesommer’ seit 1976, lag die Temperatur des Rheins an 72 Tagen bei 25 Grad“, erklärt Jochen Fischer. „Je länger ein solcher Zustand anhält, desto kritischer wird es für die Organismen.“
So könnten sich etwa Infektionskrankheiten verbreiten, gegen die das Immunsystem der Fische kaum mehr ankommt. „Vor allem Aale könnten dann großflächig sterben“, sagt Fischer. Dabei sind diese Tiere erst vor einigen Jahren wieder in den Rhein zurückgekehrt. Auch für Muscheln, die das Rheinwasser filtern, könnte es gefährlich werden. Zu den gefährdetsten Arten gehöre beispielsweise die Bachforelle, die auf niedrige Temperaturen angewiesen ist. Denn Fische könnten ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren. Für zusätzliche Belastungen sorgen etwa Medikamentenrückstände, die bislang kaum aus dem Abwasser zu beseitigen sind. „Wir befürchten, dass sich der Druck auf bestimmte Lebensgemeinschaften weiter erhöht und sich verändern wird“, so Fischer.
Niedrigerer Wasserstand, weniger Grundwasser
Anhand eines Rheinwasservorhersagemodells können Fachleute aus verschiedenen Bundesländern seit einiger Zeit untersuchen, wie sich die Temperatur langfristig entwickeln könnte, und daraus ihre Schlüsse ziehen. Hinzugezogen werden dabei nicht nur die Wetterprognosen für die kommenden Jahre, sondern etwa auch das allmähliche Verschwinden der Gletscher. Denn die Schneeschmelze sei wichtig für den Rhein, da sie ihn speist. „Wenn die ausbleibt, sinkt der Pegel und die Wassertemperatur steigt noch weiter“, so Fischer.
So könnte nicht nur die Gefährdung für die Lebewesen ein Problem werden. Auch werde weniger Grundwasser gebildet, weniger Wasser könne gespeichert werden. Auf den niedrigeren Wasserstand würden sich schon viele Industrieunternehmen einstellen, die ihre Güter per Schiff transportieren: indem sie künftig eher Schiffe nutzen, die einen niedrigeren Tiefgang haben, so Fischer.
„Klimawandel bedeutet, dass es häufiger und länger anhaltende Hitzeperioden geben wird“, so Fischer weiter. „Und das wird auch starke Auswirkungen auf die Flüsse und deren Lebenswesen haben.“
Die aktuellen Tageswerte der Wassertemperatur verschiedener Flüsse in Rheinland-Pfalz könnt ihr euch hier ansehen.