Ministerpräsident Schweitzer: Darum bin ich seit Jahren Veganer

Wie ist das Leben als veganer Spitzenpolitiker und wie geht man als Politiker mit Beleidigungen im Netz um? Darüber haben wir im zweiten Teil des Merkurist-Interviews mit RLP-Ministerpräsident Alexander Schweitzer gesprochen.

Ministerpräsident Schweitzer: Darum bin ich seit Jahren Veganer

Im ersten Teil unseres Merkurist-Interviews mit Ministerpräsident Alexander Schweitzer haben wir mit ihm unter anderem über Küchentischthemen und die Sicherheit in Rheinland-Pfalz gesprochen. Im zweiten Teil geht es um den rauen Umgangston in der Politik und sozialen Medien sowie Schweitzers Alltag als Veganer.

Unter Politikern demokratischer Parteien herrscht seit Monaten ein sehr rauer Umgangston. Kanzler Olaf Scholz und Christian Lindner sind nur ein Beispiel dafür. Müssten sich nicht Politiker aller Parteien mäßigen?

Ja, der Ton macht die Musik. Ich bin für harte Auseinandersetzungen in der Sache. Menschen haben den Anspruch, dass man über die großen Themen spricht: Das Leben ist teuer geworden, was kann man dagegen tun? Da ist das Thema Krieg und Frieden. Und drittens kommt für mich hinzu: Wie schaffen wir es, als deutsche Volkswirtschaft wieder die Lokomotive in Europa zu werden? Das sind drei wichtige Themen. Ich würde mir wünschen, dass die politischen Parteien dazu ihre Vorschläge formulieren. Man darf sich auch hart widersprechen, man darf aber dem Gegenüber nicht absprechen, dass er auch recht haben könnte. Und man darf ihn vor allem auch nicht persönlich angreifen oder beleidigen.

Wo wir gerade beim Thema Beleidigung sind: Es gab vor einigen Wochen einen großen Wirbel, als Robert Habeck als „Schwachkopf“ tituliert wurde und daraufhin den Beleidiger angezeigt hat. Wie gehen Sie mit Beleidigungen um?

Der Ton ist rauer geworden und ich finde, man darf da auch keine falsche Toleranz zeigen. Warum sollte ich im Internet Dinge akzeptieren, die ich in der Mainzer Fußgängerzone auch nicht akzeptieren würde? Ich bin dafür, dass wir mit klarer Widerrede und da, wo es strafrechtlich relevant ist, auch mit den Möglichkeiten eines Rechtsstaates agieren. Aber ich finde, man muss am Ende immer versuchen, trotzdem offen und präsent zu bleiben, auch in den Social-Media-Kanälen. Manche ziehen sich zurück. Ich kann es persönlich verstehen, aber für mich ist es zurzeit nicht der richtige Weg.

Haben Sie auch schon User angezeigt?

Das war für mich persönlich bisher nicht nötig, doch laufen bei uns in der Staatskanzlei noch einige Verfahren.

Aber wie bewerten Sie den Fall Habeck? Auch etwa Friedrich Merz oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann haben Strafanzeigen wegen Beleidigung gestellt. Sollte man immer direkt den Rechtsstaat bemühen?

Auf jeden Fall gilt der Rechtsstaat auch im Internet. Was wir zur Anzeige bringen sind Hassbotschaften, Hetze und Bedrohungen im Netz, denn die haben nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Wer Hass und Hetze verbreitet, will Menschen einschüchtern und diskreditieren. Politikerinnen und Politiker haben auch Verantwortung für ihre Familie. Und wenn sie bedroht werden, wenn sie mit Beleidigungen überzogen werden, dann finde ich, haben die auch das Recht zu sagen: Das lasse ich mir nicht gefallen. Ich meine das übrigens parteiübergreifend.

„Hass ist keine Meinung und gegen Bedrohungen muss man vorgehen.“

Wäre „Schwachkopf“ denn für Sie persönlich schon zu viel?

Ich weiß nichts über die konkreten Fälle und kann daher das Verhalten der genannten Politikerinnen und Politiker nicht bewerten. Ich sage nur, es gibt gute Gründe, in Auseinandersetzungen zu gehen. Ich sage nochmals, Hass ist keine Meinung und gegen Bedrohungen muss man vorgehen.

Sie hatten sich in einem Instagram-Post vor der US-Wahl für Kamala Harris ausgesprochen, auch wenn Sie ihren Namen nicht explizit genannt haben. Nun kam es doch anders als erwartet. Donald Trump ist erneut Präsident.

Trotz meines Posts (lacht).

Der kam offenbar nicht bis nach Amerika durch. Donald Trump hat rheinland-pfälzische Wurzeln in Kallstadt. Würden Sie ihn einladen nach Rheinland-Pfalz?

Ich glaube, er wartet jetzt nicht auf eine aktive Einladung. Aber wenn er vorhat, Rheinland-Pfalz zu besuchen, dann würde ich ihn selbstverständlich begrüßen und würde ihm auch gerne die Pfalz zeigen. Übrigens auch die demokratischen und vielfältigen Wurzeln der Pfalz.

Würden Sie ihm auch ein paar Takte sagen oder hielten Sie das für vermessen?

Ich will einfach ganz grundsätzlich sagen: Rheinland-Pfalz hat eine enge Verbundenheit mit den USA. Ich habe sie persönlich auch. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir auch in Zukunft eine gute Zusammenarbeit mit der amerikanischen Administration brauchen. Wir haben sie jeden Tag mit den amerikanischen Streitkräften und ihren Familien hier in Rheinland-Pfalz. Ich bin froh, dass sie da sind. Und das geht über die Amtszeit eines Präsidenten hinaus.

Für viele Menschen ist der Januar der „Veganuary“. Für Sie ist das ganze Jahr über Veganuary. Seit 2016 sind Sie Veganer. Wie kam es eigentlich dazu?

Es fing zunächst mit Neugierde an. Ich habe es als Experiment begonnen und bin einfach dabeigeblieben.

Wegen der Tiere?

Tatsächlich ja. Ich komme aus einer Familie, in der Fleisch immer zu jeder ordentlichen Mahlzeit gehört hat. Und ich hatte irgendwann das Gefühl, ich brauche das nicht und hatte auch das Gefühl, dass ich eher zu viel davon esse. Und dann hat sich ein ganz grundsätzliches, ethisches Thema hinzugemischt. Das hat etwas mit Tierrechten und meiner Tierliebe zu tun. Dann habe ich für mich persönlich beschlossen: Ich probiere mal, ohne Fleisch und ohne tierische Produkte auszukommen. Und offensichtlich bin ich seitdem auch nicht vom Fleisch gefallen. Ich fühle mich gut damit und bleibe dabei.

Das heißt, Sie hatten auch gar keinen Übergang, dass sie erst Vegetarier wurden, sondern haben von einem auf den anderen Tag nie wieder tierische Produkte gegessen?

Ohne Ausnahmen. Ja.

Und wie ist es bei Terminen? Da kriegen Sie doch wahrscheinlich ständig etwas angeboten. Käsehäppchen, Saumagen… Wie gehen Sie damit um?

Ich esse es dann halt nicht. Und ich gehe auch meistens nicht auf die Termine, um zu essen. Es spielt also in der Regel nicht die Hauptrolle. Und wenn mir jemand etwas anbietet, dann lehne ich dankend ab. Oft hat es sich auch schon rumgesprochen, und es ist wirklich manchmal berührend, wie sehr Gastgeber sich darauf vorbereiten, zum Beispiel mit einem veganen Brotaufstrich. Das finde ich immer total lieb und gastfreundlich. Und ich habe den Eindruck, es wird von Monat zu Monat auch anders. Inzwischen habe ich bei Terminen oft den Eindruck: Es ist was Veganes da und das hat gar nichts mit mir zu tun, sondern damit, dass ich schon lange nicht mehr der einzige Veganer oder Vegetarier bin.

In der Großstadt ist das wahrscheinlich auch anders als auf dem Land.

Gar nicht. Das ist ein Vorurteil, wenn ich das sagen darf. Es ist tatsächlich auf dem Land nicht anders. Da soll man auch bitte das Dorf nicht unterschätzen. Ich will aber grundsätzlich sagen: Ich bin ein sehr unmissionarischer Mensch. Ich gehe auch auf Schlachtfeste bei mir zu Hause. Ich freue mich, die Menschen dort zu treffen und esse dann halt Sauerkraut statt Fleisch. Und ich werde auch nicht mehr schief angeguckt.

Kochen Sie selbst auch vegan?

Wenn ich koche, dann koche ich natürlich vegan. Aber ich komme nicht so oft zum Kochen. Ich habe mir am Anfang ganz viele vegane Kochbücher zugelegt, die allermeisten noch ungenutzt, weil ich einfach nicht die Zeit habe zum Kochen. Meine Frau kocht besser und öfter als ich. Ich bin mehr der vegane Esser als der vegane Koch.

Ernährt sich Ihre Frau auch vegan?

Nein, eher vegetarisch, sie isst wenig bis kein Fleisch. Und unsere zwei Söhne essen Fleisch. Die haben wir auch nicht missioniert. Es geht bei uns recht bunt zu am Küchentisch.

Ihr bayerischer Amtskollege Markus Söder postet gerne mal sein Essen in den sozialen Medien. Können wir das auch von Ihnen erwarten?

Nein, weil ich das nicht für meine Hauptaufgabe halte, mich zum Essensinfluencer zu entwickeln. Das überlasse ich dem Kollegen Söder.

„Ich habe überhaupt keinen Bammel, sondern ich bin voller Vorfreude.“

Wenige Tage nach der Bundestagswahl steht die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ an, bei der Sie, da gehen wir jetzt mal von aus, erstmals als Ministerpräsident sein werden. Haben Sie jetzt mehr Bammel als vorher, dorthin zu gehen, weil man ja wahrscheinlich dann mehr eingeschenkt bekommt?

Ich habe überhaupt keinen Bammel, sondern ich bin voller Vorfreude. Ich bin großer Fan der Mainzer Fastnacht und war schon seit Jahren immer da. Und zwar unabhängig davon, welche politische Aufgabe ich gerade hatte. Aber natürlich ist es jetzt schon auch noch mal was Besonderes und bin mal gespannt, was da auf mich zukommt.

Danke für das Gespräch, Herr Schweitzer.

Das Interview führten Ralf Keinath und Peter Kroh