Ministerpräsident Schweitzer: Das machen wir anders als die Bundes-Ampel

Was macht die Ampel in Rheinland-Pfalz anders als die im Bund, wie kann Olaf Scholz Kanzler bleiben und was macht die Landesregierung beim Thema Sicherheit? Ministerpräsident Alexander Schweitzer im Merkurist-Interview.

Ministerpräsident Schweitzer: Das machen wir anders als die Bundes-Ampel

Seit rund einem halben Jahr ist Alexander Schweitzer (SPD) Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Er folgte auf seine Parteikollegin Malu Dreyer, die das Amt seit 2013 innehatte. Im Merkurist-Interview zieht er eine Zwischenbilanz und blickt auf den Wahlkampf zur Bundestagswahl im Februar. Im ersten Teil des Interviews geht es um Teuerungen im Alltag, Sicherheit und die Chancen von Bundeskanzler Olaf Scholz, im Amt zu bleiben.

Merkurist: Herr Schweitzer, in rund eineinhalb Monaten steht die Bundestagswahl an. Zuletzt wurde sehr viel über den Streit der früheren Ampelparteien gesprochen, vor allem über Kanzler Scholz und FDP-Chef Lindner. In Rheinland-Pfalz regiert die Ampel dagegen seit 2016 relativ geräuschlos. Was läuft hier anders?

Schweitzer: Es gibt tatsächlich wenig Streit. Ich sage immer: Wir sind die gute Ampel – und inzwischen auch die einzige Ampel in Deutschland. Das hat etwas mit klaren Regeln zu tun: Wir diskutieren Dinge, die wir unterschiedlich sehen, intern. Dann kommen wir mit guten Kompromissen an die Öffentlichkeit. Das stärkt uns nach innen, weil jeder sich einbringen kann. Und es gibt auch den Menschen das Gefühl, dass da eine Landesregierung gemeinsam handelt, die nicht vor allem mit sich selbst beschäftigt ist. Man tut sich leichter, wenn man mit Menschen zu tun hat, die wie man selbst, mit gegenseitigem Respekt agieren. Ich schätze die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionspartner persönlich sehr stark.

Vor fast genau einem halben Jahr ist die Entscheidung gefallen, dass Sie Ministerpräsident werden. Nehmen Sie uns noch mal mit in diesen Prozess. Gerade hier in Mainz wurde darüber spekuliert, ob nicht Innenminister Michael Ebling (SPD) auch ein geeigneter Nachfolger sein könnte.

Es war keine Hauruckentscheidung, sondern eine gemeinsame Entscheidung. Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat damals zu Gesprächen eingeladen und es saß die engere Führung der rheinland-pfälzischen SPD am Tisch. Und dann kam nach einer kurzen Phase der Gespräche der Zeitpunkt, an dem sich alle Blicke auf mich gerichtet haben und Malu Dreyer dann gesagt hat: Ich fände es gut, wenn du das machen würdest.

Sie hatten zum Amtsantritt das Schlagwort „Küchentischthemen“ eingeführt, also Themen, die man mit der Familie am Küchentisch bespricht. Gibt es aktuell das eine Thema, das bei Ihnen besprochen wird?

Was bei mir zu Hause am Küchentisch momentan besprochen wird, ist zum Beispiel, dass die Schule wieder anfängt. Wir haben zwei Jungs, die beide noch in der Schule sind, meine Frau ist Lehrerin. Das heißt, ich lebe mit drei schulpflichtigen Menschen in einem Haushalt.

„Die Menschen spüren, dass das Leben teurer geworden ist.“

Und welches politische Thema ist aktuell das Küchentisch-Thema Nummer 1?

Die Menschen spüren jetzt zu Beginn des Jahres, wenn die ganzen Rechnungen kommen, dass das Leben teurer geworden ist. Oder wenn sie im Supermarkt einkaufen und für das gleiche Geld weniger bekommen als noch vor einem Jahr. Da hat die Politik die Aufgabe, die Menschen zu entlasten. Darum bin ich sehr froh, dass die noch amtierende Bundesregierung es mit der Opposition hinbekommen hat, die kalte Progression abzudämpfen. Das heißt, dass Menschen, die jetzt über Tarifentscheidungen mehr Geld verdient haben, es auch behalten können. Dafür habe ich mich sehr stark gemacht und im Deutschen Bundestag als Ministerpräsident dazu gesprochen.

Ein anderes großes Thema ist die Sicherheit. Dazu haben Sie in Ihrer Neujahrsansprache mit Blick auf den Magdeburg-Anschlag unter anderem gesagt: „Angst darf unsere Gesellschaft niemals dominieren.“ Was kann die Landesregierung tun, um den Leuten die Angst zu nehmen? Gerade mit Blick auf die kommenden Großveranstaltungen wie den Rosenmontag.

Das ist ein wichtiges Thema. Gerade bei den Fastnachtsveranstaltungen, die uns jetzt in ganz Rheinland-Pfalz erwarten. Die Menschen müssen einfach das Gefühl haben: Ich kann feiern, ich kann draußen sein, ich kann mein Leben genießen. Das subjektive Sicherheitsgefühl muss hoch sein. Wir haben die höchste Zahl an ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten in der Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz – weit über 10.000. Wir haben die Kosten für den Bereich Sicherheit im Landeshaushalt noch mal auf eine Rekordhöhe gebracht und unterstützen die Kommunen dabei, ihre Aufgaben über die Ordnungsbehörden wahrzunehmen. Wenn die Menschen feiern gehen, sollen sie auch wahrnehmen können: Da steht jemand, den könnte ich ansprechen, der guckt mit drauf.

Muss man aufpassen, dass man den Bogen nicht überspannt? Wenn man Fastnacht feiert und da sind lauter Polizisten um einen herum, überall Poller und sonstige Absperrungen …

Das ist ein interessanter Punkt. Ich glaube, an der Stelle sind wir noch nicht. Tatsächlich sind wir noch weit davon entfernt, dass neben jedem Feiernden ein uniformierter Mensch steht. Das würden wir auch nicht wollen. Ich glaube aber, dass es für Menschen wichtig ist zu wissen, dass ihnen geholfen würde. Und das ist das Versprechen, das der Staat auch halten muss.

Sie haben im Sommer das Thema Biotechnologie als Leidenschaftsthema bezeichnet. Und man sieht in Rheinland-Pfalz und vor allem in Mainz: Es passiert viel. Was ist die Vision? Soll Rheinland-Pfalz das Silicon Valley für Biotechunternehmen werden?

Das kann man durchaus so formulieren, auch wenn es ein sehr ehrgeiziger Anspruch ist. Wir haben hier in Mainz ein Cluster mit der Unimedizin, der Universität, mit den Gründungen, die auch zu BioNTech geführt haben. Oder wenn ich an Boehringer denke, an Novo Nordisk, im Bereich der chemischen Industrie an die BASF: Wir haben Unternehmen, die sich in Rheinland-Pfalz sehr wohl fühlen und auch in Zukunft investieren können. Nicht umsonst kommt ein Unternehmen wie Eli Lilly nach Alzey. Bis zum Ende der Legislaturperiode stehen 800 Millionen Euro für Biotechnologie und Lebenswissenschaften zur Verfügung. Da kommen noch die privaten Investitionen in Milliarden-Größenordnungen hinzu. Hier bewegt sich wahnsinnig viel.

Sie haben einige dieser Unternehmen besucht. Gibt es ein Projekt, das Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben ist?

Ich war unter anderem im Sommer einen ganzen Tag unterwegs mit unserem Biotechnologiebeauftragten, Eckhard Thines. Wir haben uns die Baustelle von Tron angeguckt und vieles mehr. Was ich so faszinierend finde: Hier arbeitet Wissenschaft nicht in einem Elfenbeinturm, sondern Ärzte und Forscher arbeiten praktisch am Krankenbett zusammen, das führt in relativ kurzer Zeit zu Verbesserungen für die Gesundheit von Menschen. Und dann kommen noch die Arbeitsmarkteffekte und die wirtschaftlichen Effekte hinzu.

„Oft erlebt, dass Umfragen Momentaufnahmen waren“

Nochmal zurück zur Bundespolitik. Ihre Partei will auch nach Februar den Kanzler stellen. Momentan sieht es bei 15, 16 Prozent in den Umfragen allerdings nicht so rosig aus. Für wie realistisch halten Sie es, dass Olaf Scholz Kanzler bleibt?

Tatsächlich ist die Herausforderung recht groß. Aber für die allermeisten Menschen hat der Wahlkampf noch gar nicht begonnen. Man hat gerade das Weihnachtsessen verdaut und die Silvesterböller hoffentlich weggekehrt. Der Wahlkampf wird richtig losgehen, wenn die Plakate draußen sind. Ich habe in Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren schon oft erlebt, dass Umfragen Momentaufnahmen waren, und nicht zwangsläufig das Ergebnis vorhergesagt haben. Da kann sich noch viel tun, in alle Richtungen. Deshalb bleibe ich optimistisch. Es geht zwischen SPD und Union um einen Swing von 7 Prozent. Das ist im Bereich des Möglichen.

Und in welcher Konstellation könnte Scholz dann Kanzler bleiben? Eine erneute Ampel wird eher schwierig.

Diese Frage stellt sich dann, wenn wir auf Platz eins landen sollten. Wer auf Platz eins ist, findet in der demokratischen Mitte immer Partner. Ich bin der Meinung, dass Demokratinnen und Demokraten nicht permanent ausschließen sollten, mit wem sie arbeiten. Wenn ich Herrn Söder höre, der den ganzen Tag auf die Grünen schimpft und ausschließt, dass er mit ihnen arbeitet, dann versucht er vergessen zu machen, dass in vielen Ländern die CDU mit den Grünen zusammenarbeitet. Das ist ihm wahrscheinlich egal, aber das finden die Menschen dann nicht so wahnsinnig glaubwürdig. Demokraten müssen immer miteinander arbeiten können.

Das Interview führten Peter Kroh und Ralf Keinath. Der zweite Teil folgt in wenigen Tagen auf Merkurist.de!