Mainzer Wohnbau-Geschäftsführer werfen Balkonkraftwerk von Balkon

Anwohner machten vor einigen Tagen eine kuriose Beobachtung: Die beiden Wohnbau-Geschäftsführer ließen sich von einer Drohne filmen, während sie etwas von einem Balkon warfen. Was hatte es mit der Aktion auf sich?

Mainzer Wohnbau-Geschäftsführer werfen Balkonkraftwerk von Balkon

Anwohner der Mainzer Neustadt konnten am Donnerstag (6. November) ein seltsames Schauspiel beobachten. Auf einem Balkon im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses in der Wallaustraße 87 standen die beiden Geschäftsführer der Wohnbau Mainz und ließen sich von einer Drohne filmen. Dann warfen sie gemeinsam einen größeren Gegenstand über das Geländer in den Hof.

Der Vorgang ist auf Bildern deutlich zu erkennen, die Merkurist zugespielt wurden. Bei dem vom Balkon geworfenen Objekt handelte es sich wohl um ein Solarpanel, wie es auch für Balkonkraftwerke verwendet wird. Im Innenhof seien laut dem Anwohner mehreren Personen gewesen, die Kameras und die Drohne bedient hätten.

Wohnbau spricht von „Test“

Unmittelbar vor der Aktion fragte ein Anwohner nach eigenen Angaben Geschäftsführer Franz Ringhoffer, was hier passiere. Laut Tommy J. antwortete der Wohnbau-Chef daraufhin: „Wir drehen hier nur kurz ein Video, um zu zeigen wie gefährlich solche Panels sein können.“ Eine Pressesprecherin der Wohnbau bestätigte nun auf Merkurist-Anfrage hin den Vorgang: „Die Geschäftsführung der Wohnbau Mainz hat einen Test an einem Balkon eines unserer Wohnbauhäuser vorgenommen.“ Ziel des Tests von Roman Becker und Franz Ringhoffer sei es gewesen, das Flugverhalten von Solarmodulen zu erproben.

Eine Vorab-Warnung für Anwohner habe es jedoch nicht gegeben. „Da das betreffende Gebäude im Zuge einer bevorstehenden Modernisierung bereits leer steht und keine Mieter mehr dort wohnen, war es nicht erforderlich, Mieter oder Anwohner vorab zu informieren“, schreibt die Wohnbau-Pressesprecherin in ihrer Antwort. Zur Gewährleistung der Sicherheit seien sechs Personen vor Ort gewesen, die den Hof abgesperrt hätten.

PR-Aktion gegen Balkonkraftwerke?

Die angrenzende Hausnummer 85 im gleichem Gebäude ist hingegen komplett bewohnt. Ob Maßnahmen getroffen wurden, um die Balkone der angrenzenden Wohnungen zu schützen, beantwortet die Pressesprecherin des Unternehmens nicht. Die Bewohner der Hausnummer 85 haben Beschwerde bei der Wohnbau eingelegt und verlangen, dass ihre Wohnungen im Video unkenntlich gemacht werden. Sie vermuten, dass in ihrem Hof ein „Anti-Balkonkraftwerk-Film“ von der Geschäftsführung produziert wurde.

Ob die Filmaufnahmen im Zusammenhang mit einem laufenden Gerichtsprozess stehen, beantwortet die Pressesprecherin ebenfalls nicht. Denn für Mieter der Wohnbau gelten hohe Hürden für die Installation eines Balkonkraftwerks, gegen die aktuell ein Paar vor dem Mainzer Amtsgericht klagt. Die Wohnbau fordert eine fachmännische Installation und Anbringung von Steckersolargeräten.

Die ablehnende Haltung sorgt bei Mietern teilweise für viel Unmut. Denn die Geräte sind eigentlich verbraucherfreundlich zu installieren, da der Stecker in normale (Schuko-)Steckdosen passt. Der Rechtsstreit wird deswegen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Das Urteil könnte wegweisend sein, wird aber voraussichtlich erst im Laufe des nächsten Jahres fallen.

Hintergrund

Die Wohnbau Mainz lehnt Balkonkraftwerke aus verschiedenen Gründen ab, obwohl die derzeitige Gesetzeslage Mietern viele Freiheiten einräumt und Steckersolargeräte zu den sogenannten privilegierten Maßnahmen zählt. Paradoxerweise haben andere städtische Unternehmen, wie die Mainzer Stadtwerke, in der Vergangenheit versucht, Balkonkraftwerke zu fördern (wir berichteten).

Experten vermuten, das hinter der Ablehnung weniger rechtliche, sondern vielmehr wirtschaftliche Interessen der Wohnbau Mainz stecken könnten.

Mehr dazu lest ihr im folgenden Artikel:

+++ Hinweis +++

In einer ersten Version des Artikels war von einem „Balkonkraftwerk-Verbot für Wohnbau Mieter“ die Rede. Es handelt sich jedoch nur um ein de facto-Verbot, das durch hohe Auflagen des Unternehmens an Mieter, nämlich eine fachmännische Installation und Anbringung von Steckersolargeräten, entsteht. Wir haben die entsprechende Stelle im Artikel präzisiert.