Berühmte Autorin bald oft in Mainz

Zum 39. Mal ist in Mainz der Stadtschreiber-Literaturpreis verliehen worden. 2024 geht er an die Bestseller-Autorin Julia Schoch (49).

Berühmte Autorin bald oft in Mainz

„Ich komme in Unschuld nach Mainz“, sagte die Autorin Julia Schoch (49) bei ihrer Vorstellung im Staatstheater am Dienstag. „Ich kenne noch nichts und habe mich auch bewusst nicht vorbereitet.“ Ein ungewöhnlicher Ansatz für eine Stadtschreiberin, könnte man meinen. Doch laut der mehrfach ausgezeichneten Autorin ist das ein Weg, sich wirklich auf die Stadt einzulassen, anstatt sie mit einem vorgefassten Bild kennenzulernen.

Herzliche Begrüßung in Mainz

Außerdem mangelt es nicht an Möglichkeiten, Mainz kennenzulernen: Bei einer Lesung in Darmstadt sei die Autorin nämlich bereits von einer Dame angesprochen worden, die vorschlug, mit ihr eine Stadtführung durch Mainz und eine Bootsfahrt zu machen. „Damit hat Julia Schoch bereits die Mainzer Herzlichkeit kennenlernen dürfen“, so Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) bei der Begrüßung der neuen Stadtschreiberin. Schochs Kommentar dazu: „So darf das weitergehen.“

In ihrer Begründung gab die Literaturpreis-Jury an, sich mit Schoch für eine „beeindruckende Autorin der jüngeren Generation“ entschieden zu haben. 1974 im brandenburgischen Bad Saarow geboren, schreibt sie von ihrer Biografie geprägte Erzählungen und Romane. Wiederkehrende Themen sind die Wende und Erinnerung. „In Ihren Werken werden persönliche Erfahrungen der Frauenfiguren mit politischen Umbrüchen verwoben“, so Grosse zu Schoch. Die Kulturdezernentin hofft nun, dass die Autorin bald auch aus Erinnerungen aus Mainz schöpfen kann.

Der Stoff für Bestseller: Persönliche Erinnerungen

Bekannt wurde Schoch im Jahr 2001 mit ihrem mehrfach ausgezeichneten Kurzgeschichtenband „Der Körper des Salamanders“, es folgten mehrere Preise für Romane, Essays und Übersetzungen. Im Frühling 2023 wurde ihr Roman „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ zum Bestseller. Es handelt sich um den zweiten Band einer autofiktionalen Romanreihe mit dem Titel „Biographie einer Frau“. „Ich hatte sofort diese eine Erzählstimme im Kopf, aber verschiedene Stränge standen am Anfang“, erzählt die Autorin. „Wie Stränge eines Zopfs“ wollte sie sie nebeneinanderlegen, denn zusammen ergäben sie ein großes Ganzes, könnten eigentlich nicht getrennt werden. Erzählen müsse man aber trotzdem fokussiert.

Darum sei es aber auch egal, mit welchem der Bände man beginne. Der erste Band heißt „Das Vorkommnis“, am dritten schreibt Schoch gerade. Worum es da gehe, fragt Grosse. Sie widme sich jetzt den Lebensbegleitern, die vor allem in Gedanken präsent seien, so Schoch. Oft würden diese Gedankenpräsenzen einen Menschen mehr beeinflussen als reale Personen. Überhaupt sei die Erinnerung für das Selbst essenziell, weshalb sie persönlich den Spruch „Lebe im Moment“ auch für eine „blödsinnige Forderung“ halte. Literatur setze sich ihrer Meinung nach für die individuelle Erinnerung ein – und dennoch würden am Ende Leser auftauchen, die sich ähnlich erinnern und sich im Individuellen wiedererkennen.

Gefragt, wie sie denn die Zeit der Wiedervereinigung erinnere, sagt Schoch: „Das war eine schöne, chaotische Zeit. Das ungeheure Chaos in der Gesellschaft hat mir unheimlich gut getan.“ Dank der neuen Unsicherheiten, die die Wende mit sich brachte, habe sie es geschafft, der „Enge der Gesellschaft“ zu entkommen. Denn es war ihr als Schülerin plötzlich möglich, bei einem Literaturwettbewerb eine Reise in die USA zu gewinnen. So habe sie erkannt, dass Kreativität ein Weg zu ihr selbst sein könne.

Hintergrund und Lesungstermine

Der Mainzer Stadtschreiber-Literaturpreis wird seit dem Jahr 1984 verliehen. In diesem Jahr wurde er gestiftet von der Stadt, 3sat und dem ZDF.

Als Mainzer Stadtschreiberin 2024 wird Julia Schoch mehrfach in Mainz lesen und lehren:

  • 23. Juni, 11 Uhr: Lesung zur Johannisnacht auf der Ballplatzbühne

  • 24. Juni, 19 Uhr: Werkstattgespräch mit Studierenden der Johannes Gutenberg-Universität in der Fetten Henne

  • 2. November, 15 Uhr: Lesung auf der Mainzer Büchermesse

  • 4. Dezember, 18:30 Uhr: Lesung in Wissenschaftlicher Stadtbibliothek

Zu Ehren der 40 Jahre Mainzer Stadtschreiber-Literaturpreis kommen auch frühere Preisträger zu Lesungen nach Mainz, genauer in die Kakadu Bar:

  • 9. April, 20 Uhr: Eugen Ruge liest aus „Pompeji“

  • 14. Mai, 20 Uhr: Feridun Zaimoglu liest aus „Leyla“

  • 11. Juni, 20 Uhr: Tilman Spengler liest aus „China lesen oder: Marco Polo und sein Bericht von den ‘Wundern der Welt’“

  • 10. September, 20 Uhr: Ilja Trojanow liest aus „Tausend und ein Morgen“

  • 8. Oktober, 20 Uhr: Eva Menasse liest aus „Alles und nichts sagen“

  • 12. November, 20 Uhr: Katja Lange-Müller liest aus „Unser Ole“

  • 10. Dezember: Dörte Hansen liest eine Überraschung

  • 14. Januar 2025, 20 Uhr: Anna Katharina Hahn liest aus „Der Chor“