Schon seit über 20 Jahren laufen die Songs von Katie Melua im Radio, fast genauso lange schon tourt die georgisch-britische Sängerin und Songwriterin (39) immer wieder mit ihren Liedern um die Welt. In diesem Sommer kommt sie zu mehreren Terminen nach Deutschland – und spielt am 27. Juli auf der Zitadelle ein Open-Air-Konzert. Im Interview mit Merkurist spricht sie über ihre Eindrücke von Mainz, über das Singen auf Deutsch, zittrige Knie und ihre Sicht auf Musik als Kunst. Außerdem verrät sie, mit welchem deutschen Sänger sie demnächst ein Duett herausbringen wird.
Merkurist: Hallo Katie, wie geht es Ihnen gerade? Erwische ich Sie zwischen zwei Auftritten?
Katie Melua: Nein, nein. Gerade bin ich zu Hause. Nur im Sommer werde ich zwei Wochen lang auf Tour sein, also nicht so viele Shows spielen. Weil ich zum ersten Mal Mutter geworden bin, ist es gerade wichtig für mich, viel zu Hause zu sein. Zu lernen, wie ich eine gute Mutter bin.
Die zwei Wochen werden dann aber intensiv, oder?
Ja, sicher, aber mein Partner wird mitkommen, damit wir gemeinsam für Sandro (Anmerkung der Redaktion: Name des Sohnes) da sein können.
Und in diesen beiden Wochen werden Sie auch in Mainz sein, genauer am 27. Juli. Sind Sie zum ersten Mal in der Stadt?
Ich bin ziemlich sicher, dass ich schon einmal in Mainz gewesen bin, aber es ist wahrscheinlich lange her. Wir werden in einer Zitadelle spielen, richtig?
Ja, das stimmt.
Ich glaube, ich erkenne das Gebäude wieder. Aber ich war wirklich lange nicht mehr dort und freue mich sehr darauf, weil es so schön ist, nach Deutschland zurückzukommen und für ein deutsches Publikum zu spielen. Ich werde sogar einen deutschen Song performen. Das ist relativ neu für mich.
Lustig, ich wollte Sie tatsächlich fragen, ob Sie auf Deutsch singen werden.
Meistens freuen sich die Leute, wenn ich auf Englisch singe, mein Deutsch ist nicht so gut. Ich werde die Klassiker singen, aber auch einige neue Lieder. Und es gibt einen Song, den der wundervolle deutsche Künstler Philipp Poisel für mich vom Englischen ins Deutsche übersetzt hat. Wir werden ihn auch später im Jahr als Duett veröffentlichen. Auch er gibt im Sommer noch alleine Konzerte und ich singe den Song bei meinen Sommer-Shows auf jeden Fall schon auf Deutsch.
Was für eine schöne Überraschung für Ihre deutschsprachigen Fans! Wenn Sie an Mainz denken, fällt Ihnen dann etwas Bestimmtes ein?
Es hat eine so beeindruckende Architektur, vor allem in der Altstadt. Die hellbraunen Gebäude auf dem zentralen Platz – viele deutsche Städte sind wirklich faszinierend. Ich hoffe, ich finde ein wenig Zeit, mich umzuschauen, vielleicht den Platz zu betrachten oder am Fluss spazieren zu gehen. Das wäre wundervoll. Was würden Sie empfehlen?
Ich würde wirklich einen Spaziergang am Rheinufer empfehlen, und vielleicht – ich weiß nicht, ob Sie gerade Alkohol trinken – als eine frisch gebackene Mutter?
Nein, nur sehr wenig.
Unsere Region ist bekannt für die Weißweinsorte Riesling. Also vielleicht könnten Sie ein Glas Weißwein probieren.
Das wäre das erste in vielen, vielen Monaten.
Ich weiß, dass Sie schon einmal auf Deutsch gesungen haben, nämlich zusammen mit Peter Maffay. Wie hat es sich angefühlt, auf Deutsch zu singen?
Es ist eine seltsame Erfahrung, in einer Sprache zu singen, die man nicht zu 100 Prozent versteht. Aber was ich dann versuche, ist, nicht nur die Wörter auswendig zu lernen, sondern zu verstehen, was jedes einzelne von ihnen bedeutet. Und die Satzstruktur in jedem Vers zu begreifen, damit ich genau weiß, wo in der Melodie die Bedeutung liegt. So ist es für mich in jeder Fremdsprache. Ich versuche, die Emotion zu kommunizieren, und die Musik macht ja schon viel davon.Es ist fast so, als würde ich einen kleinen Einblick in die deutsche Sprache bekommen – ein kleines Fenster, und ich kann für dreieinhalb Minuten, einen Song lang, so tun, als würde ich Deutsch verstehen, obwohl ich das natürlich nicht kann. Ich bin sehr froh darüber, das tun zu dürfen.
2016 habe ich ein Winteralbum mit einem Chor gemacht und wir hatten fünf Sprachen darauf: Englisch, Rumänisch, Ukrainisch, Altrussisch und Georgisch. Aber kein Deutsch. Das korrigiere ich jetzt mit dem Peter-Maffay-Track und dem Philipp-Poisel-Song.
Und Sie hatten die Erfahrung, einen Einblick in eine andere Sprache zu bekommen, mit jedem Titel dieses Albums?
Ein bisschen, ja. Aber natürlich sind das nur winzige Einblicke. Als ich mit neun Jahren in Belfast Englisch gelernt habe, war das wirklich eindrucksvoll für mich. Zum Beispiel, dass es Audrücke gibt, die man nicht übersetzen kann. Im Georgischen haben wir beispielsweise verschiedene Wörter, die beschreiben, wie jemand etwas tut. Ein Verb beschreibt etwa, dass jemand auf dich zugeht, aber auch, auf welche Art und Weise er näherkommt. Und das kann man mit dem englischen Wortschatz nicht ausdrücken.
Vielleicht kann man für solche Bedeutungsunterschiede eher ein Gespür bekommen, wenn man eine Sprache ganz neu lernt? Und beim Singen vielleicht sogar noch mehr, weil es dann nicht nur um die Worte geht, sondern auch um die Emotionen, die mit ihnen einhergehen?
Absolut. Musik geht so viel über Gefühl. Was ich auch liebe, ist, dass bei einer Sprache wie dem Deutschen, die ja nicht einfach ist – aber welche Sprache ist das schon –, die Leute so sehr zu schätzen wissen, dass man versucht, in ihr zu singen. Dass mich mich bemühe. Aber ein Song ist als Kunstform auch ein wenig magisch, daran glaube ich sehr stark. Dass die Menschen das dann in ihrer Sprache erleben können, ist wirklich schön. Ich habe den deutschen Song, von dem ich erzählt habe, bei einigen Shows im Frühling gesungen. Und einige Leute haben mir danach auf Social-Media geschrieben, dass es sie sehr berührt hat, mich Deutsch singen zu hören. Da findet einfach etwas Gutes statt.
Da wir gerade von magischen Momenten sprechen: Haben Sie einen besonderen Moment auf der Bühne in Erinnerung?
Ehrlich gesagt gibt es da so viele. Vielleicht sind es die Shows, bei denen ich besonders aufgeregt bin. Manchmal zittern mir die Knie, wenn ich nervös werde.
Immer noch?
Nicht mehr so oft, aber es passiert immer noch, ja. Wenn dann die Musik beginnt, die ersten Akkorde gespielt werden, ich den Anfang des Lieds höre und dann zu singen beginne, entspannt es mich. Dann merke ich, dass ich den Song als Schutzschild benutzen kann. Er beruhigt meine Nerven. Und das passiert mir immer wieder.
Ein anderer besonderer Moment, der mir einfällt: Als ich im Jahr 2019 mitten in meiner Scheidung steckte, habe ich ein paar Sommershows gespielt. Ich hatte damals sehr schwierige Gespräche mit meinem Ex-Ehemann und wir hatten gerade die Entscheidung gefällt, dass es wirklich vorbei war. Es gab einige Dinge, bei denen ich seine Perspektive einfach nicht nachvollziehen konnte. Und ich erinnere mich, wie ich in dieser Zeit einmal den Song „If You Were a Sailboat“ gesungen habe. Plötzlich, mitten im Lied, konnte ich seine Perspektive verstehen. Es war, als hätte der Song etwas in mir gelockert und ich konnte die Empathie aufbringen, die ich dafür brauchte. Um zu vergeben und weiterzuziehen. Das war wirklich ein eindrucksvoller Moment: Ich kämpfte mit dem wahrscheinlich schwierigsten Beziehungsproblem, das ich jemals bewältigen musste hatte, und die Kunst des Singens und der Musik haben mir hindurchgeholfen.
Das ist wirklich beeindruckend.
Ja, es ist eigentlich fast verrückt. Was ich auch liebe: Es gibt es Lieder wie „The Closest Thing to Crazy“, das sich jetzt anfühlt wie die Liebe zu meinem Sohn. Nicht mehr wie ein Beziehungslied. Ich denke, ein großer Song passt sich an jede Situation an, die man durchlebt.
Gab es auch schon einen besonders denkwürdigen Moment mit einem Ihrer Fans?
Einer wird auf jeden Fall jetzt kommen, denn es gibt ein Paar aus Deutschland, das schon bei sehr vielen meiner Shows war. Sie werden in diesem Sommer ihr einhundertstes Katie-Melua-Konzert besuchen. Ich denke, das wird etwas ganz Besonderes. Was ich absolut wundervoll finde: Immer, wenn sie da sind, stehen sie in der ersten Reihe, direkt in der Mitte. Wenn ich dann auf die Bühne komme und die beiden sehe, ist es, als wären gute Freunde von mir da. Sie kennen meine Shows und die Atmosphäre in- und auswendig. Das ist wirklich außergewöhnlich.
Wird das in Mainz sein?
Ich schaue nach… Ah, hier ist es. Sie haben mir geschrieben, dass es ein Konzert in Deutschland ist, aber nicht, wo genau. Es könnte also in Mainz sein, aber sicher ist das nicht.
Eine letzte Frage habe ich noch: Was mögen Sie am liebsten daran, eine Musikerin zu sein?
Mit tollen Künstlern und Liedern zu arbeiten. Ich tue es, weil ich wirklich an die magische Kunst der Musik glaube. Daran, wie sie die Leute berührt, ihr Leben und ihre Erinnerungen färbt. Und Musiker sind so beeindruckende Menschen, sie arbeiten so hart an ihren Fähigkeiten. Der Lohn ist meistens wirklich nicht so groß, die meisten – etwa in einer Band, in einem Orchester oder dergleichen – verdienen wenig Geld. Sie tun es wirklich für ihre Kunstwerke. Und es ist eine solche Ehre, Zeit mit solchen Menschen verbringen zu dürfen.
Das verstehe ich vollkommen. Vielen Dank für Ihre Zeit und alles Gute für die Tour!
Das Gespräch führte Merkurist-Redakteurin Anna Huber.