Seit Carl-Ludwig Wagner (bis 1991 im Amt) ist Rheinland-Pfalz nicht mehr von einem CDU-Ministerpräsidenten geführt worden. Geht es nach Gordon-Schnieder (50), ändert sich das im Frühjahr 2026. Der CDU-Politiker geht bei der Landtagswahl als Spitzenkandidat seiner Partei ins Rennen um den Ministerpräsidenten-Posten. Seine Chancen, das Amt von Alexander Schweitzer (SPD) zu übernehmen, stehen laut aktuellen Umfragen gut.
Doch wie tickt der Mann aus der Vulkaneifel eigentlich? Merkurist hat Gordon Schnieder zum Interview in Mainz empfangen und mit ihm unter anderem über die Stadtbild-Debatte, seine Herkunft und ein Saumagen-Essen mit Markus Söder gesprochen.
Herr Schnieder, was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an das Stadtbild von Mainz denken?
Ich bin zwar kein Stadtmensch, ich lebe aus tiefer Überzeugung auf dem Dorf, wo ich auch geboren wurde und später gerne wieder zurückgekommen bin. Aber Mainz ist einfach eine sehr schöne Stadt.
Wir haben bei unserer Frage natürlich das Wort Stadtbild reingeschmuggelt. Vor einiger Zeit gab es eine große Debatte um den Begriff des Bundeskanzlers Friedrich Merz, der Probleme im Stadtbild in Zusammenhang mit irregulärer Migration gebracht hat. Es gab Kritik und Zustimmung. Wie haben Sie die Diskussion erlebt?
Ich finde es erstmal richtig, diese Diskussion zu führen. Auch wenn Mainz eine attraktive Stadt ist, gibt es auch hier Orte, Plätze, Angsträume, wo es ein subjektives Unsicherheitsgefühl gibt. Besonders, wenn es dunkel wird, wenn man allein unterwegs ist. Wir haben diese Problemlagen in den Großstädten. Wir haben sie aber auch in den ländlichen Räumen. Es gibt eine laute linke Minderheit, die das sofort in eine Richtung kanalisieren wollte. Aber es gibt eben auch eine breite bürgerliche Mehrheit, die genau weiß, wovon Friedrich Merz spricht.
Aber haben diese Angsträume denn nur mit dem Thema Migration zu tun?
Es liegt auch am Thema irreguläre Migration, aber nicht nur. Wir haben Ecken, die sind zu dunkel. Wir haben verdreckte Stadtquartiere. Unser Vorschlag ist zum Beispiel, an bestimmten Orten eine KI-gestützte Videoüberwachung einzusetzen, weil wir eben merken, dass Menschen dieses subjektive Unsicherheitsgefühl an bestimmten Orten wie Unterführungen und Parks haben. Und Hessen macht es vor: Das kann man KI-gestützt und auch datenschutzkonform regeln.
Beim Thema Migration spielt auch das Finanzielle immer eine Rolle. Viele Kommunen, die eh schon überlastet sind, sagen, sie können das Ganze nicht mehr stemmen. Wie kann das Land helfen, die Kommunen finanziell zu entlasten?
Wir müssen den Kommunen wieder den finanziellen Spielraum geben, den sie brauchen. Bei der Anzahl an Menschen, die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, müssen wir im Bereich der Infrastruktur nachziehen. Bei den Kitas, den Schulen, in der gesundheitlichen Versorgung. Das müssen die Kommunen leisten und das können sie nicht, weil sie seit Jahren strukturell unterfinanziert sind.
Die Oberbürgermeister der Landeshauptstädte der großen Flächenländer haben sich kürzlich in einem Brandbrief an Bund und Länder gewendet und gesagt: Wir brauchen jetzt finanzielle Unterstützung.
Wir müssen Geld in die Hand nehmen. Rheinland-Pfalz hat kein Einnahmeproblem. Wir haben seit 2016 nur ein Verlustjahr gehabt. Insgesamt haben wir über 9 Milliarden Überschuss gemacht. Rund dreieinhalb Milliarden liegen noch in der Haushaltssicherungs-Rücklage. Das Land ist aber nicht dafür da, Geld auf die Seite zu legen. Wenn ich seit Jahren merke, die Gemeinden sind strukturell unterfinanziert, dann muss ich eben aus diesen Überschüssen Geld nehmen und den Kommunen zuführen. Und zwar so, dass sie ihren Bedarf damit decken können.
Der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase sagt: Die Sozialkosten fliegen einem in Kommunen wie Mainz um die Ohren. Es gibt auch konkrete Vorschläge, dass zum Beispiel das Land Schulden übernimmt und im Bundesrat nur noch Gesetzen zustimmt, bei denen die Finanzierung der Kommunen gesichert ist. Wie bewerten Sie die Forderungen?
Die zweite Forderung ist richtig. Die reine Schuldenübernahme ist ein Einmalfaktor. Genauso wie die Investitionsprogramme, die das Land in den letzten zwei Jahren aufgelegt hat. Im investiven Bereich haben die Kommunen das Problem nicht, sondern im laufenden Betrieb, der ordentlich ausfinanziert werden muss. Das Verfassungsgericht hat mehrfach geurteilt, dass der kommunale Finanzausgleich des Landes verfassungswidrig ist.
„Vor Ort muss wieder spürbar sein, dass Politik Dinge verbessern kann. Die Straßen, die Schulen, die Sportplätze.“
Sind Sie da auch schon im konkreten Austausch, zum Beispiel auch mit einem Herrn Haase als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt? Oder sagen Sie, das ist jetzt noch nicht Ihre Rolle?
Wir sind in einem permanenten Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden. Da kriegen wir auch die aktuellen Zahlen her, und die sehen für nächstes Jahr noch dramatischer aus. Von daher muss jetzt dringend etwas passieren. Vor Ort muss wieder spürbar sein, dass Politik Dinge verbessern kann. Die Straßen, die Schulen, die Sportplätze. Das ist für mich auch eine Frage, wie ich Menschen wieder zurückbringen kann von den Populisten auf der linken oder rechten Seite zurück zu den etablierten Parteien.
Ein anderes wichtiges Thema ist die Energieversorgung. Sie haben einen bemerkenswerten Satz für einen CDU-Politiker gesagt: „Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach muss das neue Normal werden.“ Außerdem haben Sie gesagt, dass Sie kein zwingender Befürworter der Atomkraft sind. Klingt so ein bisschen, als wären Sie bei den Grünen, oder?
Man muss der Realität ins Auge schauen. Wir haben die Atomkraftwerke abgeschaltet. Da mag es einige geben, die sagen, man kann das eine oder andere noch mal hochfahren. Und dann gibt es gerade auch von populistischer Seite die Forderung, neue zu bauen. Da sollten wir uns planungsrechtlich ehrlich machen. In den nächsten 30 Jahren wird das nicht gelingen. Der Kurs Richtung Erneuerbare ist vom Grundsatz richtig. Was hier im Land falsch läuft, ist, dass man die Priorität nur auf Photovoltaik und Windkraft legt und Wasserkraft und Geothermie komplett ausblendet. Biomasse steht vor dem Förder-Aus.
Ich finde, wir müssen technologieoffen alle Erneuerbaren in den Fokus nehmen und dann überlegen: Wie kriegen wir eine Grundlast hin, wenn keine Sonne scheint, wenn kein Wind weht? Deshalb gibt es den Vorschlag mit den neuen Gaskraftwerken, den ich auch unterstütze. Und dass Photovoltaik auf dem Dach das neue Normal sein muss, hat auch einen Hintergrund: Ich möchte nicht, dass wir wertvolle Ackerflächen in Photovoltaik-Großanlagen umwandeln. Lasst uns doch erst mal die Flächen mit Photovoltaik bedecken, die schon versiegelt sind.
Noch mal kurz zum Thema Windkraft. Die aktuelle Landesregierung möchte da mehr Tempo reinbringen beim Bau neuer Windkraftanlagen. Wie sehen Sie das?
Wir brauchen mehr Tempo. Wir brauchen auch dort den weiteren Ausbau. Aber die Prozesse dauern zu lange. Die müssen wir beschleunigt bekommen.
Das gilt ja auch generell beim Thema Bauen. Viele Projekte dauern sehr lange, könnten effizienter sein, schneller gehen. Brauchen wir eine große Entbürokratisierung im Land Rheinland-Pfalz?
Die brauchen wir in Brüssel, die brauchen wir auf Bundesebene. Aber die brauchen wir eben auch hier im Land. Beispiel Bauen: Wir müssen uns auch noch mal sehr ehrlich darüber unterhalten, was für Standards wir wirklich brauchen. Es kann nicht immer nur 100 % oder null sein. Ich finde, es muss im Wohnungsbau dann auch mal bei 80 % Standard gut sein. Die letzten 20 % sind die, die es teuer machen.
Haben Sie da konkrete Beispiele? Welche Standards sind vielleicht gerade zu hoch gesetzt?
Ich glaube, dass die Energieeinsparung beim Hausbau zu hoch angesetzt ist. Man kann auch mit weniger zufrieden sein, spart dadurch CO₂ ein und es ist für alle bezahlbar.
Sie haben in einem Interview gesagt, dass Sie sehr zahlenfixiert sind. Nehmen wir mal an, Sie wären jetzt Ministerpräsident und führen eine Regierung an: Welche drei Zahlen in Rheinland-Pfalz würden Sie gerne ändern?
Erstens: Die finanzielle Ausstattung der Kommunen. Das ist eine massive Kennzahl, die uns auch schnell nach vorne bringen wird. Zweitens würde ich gern die Zahl der Lehrer erhöhen. Wir haben immer noch einen Lehrermangel. Drittens müssen wir uns um die Krankenhausversorgung und Gesundheitsversorgung kümmern. Wir wollen mehr zusätzliche Studienplätze schaffen und weitere Finanzmittel zur Verfügung stellen, die das Krankenhaussterben abmildern. Wir haben da enorme Probleme.
Das heißt, das wären die ersten Projekte, die sie angehen würden?
Das sind die dringendsten Projekte, die wir angehen müssen, wenn wir über Zahlen sprechen. Wir haben aber auch über 420 Förderprogramme nur hier in diesem Land. Allein 330 für die Kommunen. Da sollten wir uns auch fragen: Was ist eine sinnvolle Förderung? Wo will ich politisch hin? Ich finde: Wir müssen als Politik Leitplanken setzen. Aber darin müssen wir den Kommunen und Unternehmen vertrauen, eigene Entscheidungen zu treffen. Diese Förderprogramme müssen auf den Prüfstand. Das ist echte Entbürokratisierung.
Bleiben wir bei Zahlen. Die Umfragen sehen momentan gut aus für die CDU. Was macht Sie optimistisch – gerade mit Blick auf frühere Landtagswahlen – dass das auch am Wahltag so ist?
Wir kämpfen dafür, dass wir stärkste Kraft bleiben. Umfragen sind immer Momentaufnahmen, aber es stecken ein paar Details drin, die mir die Zuversicht geben. Zum Beispiel, dass sich die Mehrheit der Menschen in diesem Land eine CDU-geführte Landesregierung wünscht. Oder dass die Hälfte seit über anderthalb Jahren unzufrieden mit der Arbeit der Landesregierung ist. Das deutet in Richtung Wechselstimmung und spornt uns weiter an.
Gleichzeitig zeigen die Umfragen, dass es eigentlich nur eine realistische Machtoption gibt, nämlich die Große Koalition. Erwartet uns ein Kuschelwahlkampf?
Ich habe von Anfang an gesagt: Ich mache keinen Wahlkampf gegen irgendjemanden. Die Menschen interessiert auch nicht, was vor zehn Jahren falsch gelaufen ist. Die wollen wissen: Wo wollt ihr dieses Land hinführen in der nächsten Dekade? Deshalb habe ich in der Fraktion gesagt: Überall da, wo wir kritisieren, hätte ich gern einen Lösungsvorschlag, wie wir es besser machen.
Sie sind 1991 in die CDU eingetreten. Da waren Sie 16 Jahre alt. Das hatte auch mit Ihrem älteren Bruder Patrick Schnieder zu tun, der heute Bundesverkehrsminister ist. Man hat ja manchmal in der Konstellation mit älteren Geschwistern dieses Rebellische. Eine andere Partei kam für Sie damals nicht in Frage?
Nein, die kam für mich nicht in Frage. Die CDU war damals schon meine Heimat und das ist sie bis heute geblieben. Ich war damals bei mir in der Stufe, glaube ich, das einzige Mitglied der Jungen Union. Es gab noch ein paar Jusos. Heute treffe ich sie manchmal wieder und sie sind vernünftig geworden (lacht).
Was sagen die Leute von damals denn eigentlich dazu: Sie sind CDU-Chef in Rheinland-Pfalz, Ihr Bruder ist Bundesverkehrsminister. Wie erklärt sich das, dass aus einem kleinen Ort mit 1000 Einwohnern solche Politikerkarrieren wachsen?
Ich glaube, das kann man nicht planen. Ich habe nie gesagt, ich will oder ich muss Berufspolitiker werden. Aber ich habe die Chancen ergriffen, wenn sie gekommen sind. Ich war erst auf kommunaler Ebene aktiv. Das hat mir Spaß gemacht, weil ich Politik vor Ort machen konnte. Ich war Ortsbürgermeister in meiner Heimatgemeinde. Der schönste Job bis heute, weil man sofort Ergebnisse sieht. Dann gab es eben die Chance, in den Landtag zu gehen. Die habe ich genutzt. Meine Partei hat mich aufgestellt, ich habe das Direktmandat gewonnen, 2021 wieder. Ich war oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
„Mittlerweile sehe ich meinen Bruder häufiger bei dienstlichen Terminen als privat.“
Wie muss man sich heute die Familienzusammenkünfte vorstellen? Wird viel über Politik geredet?
Es sind die großen Familienfeste, wo wir uns alle treffen. Mittlerweile sehe ich meinen Bruder häufiger bei dienstlichen Terminen als privat. Aber wir sehen uns immer Weihnachten, immer Ostern und immer am Geburtstag unserer Mutter. Da sind dann auch mein anderer Bruder und meine Schwester dabei. Bei allem Privaten, was man bespricht, kommt man auch immer wieder aufs Thema Politik.
Sie haben mal das Land Rheinland-Pfalz verlassen und in Köln gelebt. Sie sagten, dass Sie in Köln nie so richtig warm geworden sind. Wie ist es denn in Mainz? Sie haben hier zwar keine Wohnung, aber verbringen natürlich viel Zeit in der Stadt.
Stadt war noch nie meins. Ich bin da eher so das Dorfkind mit den Vereinen, den Freunden, mit unserem Dialekt. Ich habe auch noch drei Jahre in Bonn gelebt, aber ich war fast jedes Wochenende zu Hause. Ich bin mit 16 nicht nur in die CDU eingetreten, sondern auch in den Kirchenchor. Den habe ich 30 Jahre begleitet, das heißt freitags ging es immer zu den Proben. Ich war Vorsitzender im Musikverein, auch wenn ich kein Instrument spiele. Das heißt, der Kontakt war immer da und ich wollte auch immer zurück. Dann ergab sich die Chance, in die Kreisverwaltung nach Bitburg zu wechseln. Damit war ich wieder komplett zu Hause.
Kommt Ihnen die Provinzperspektive zu kurz in öffentlichen Debatten? Journalisten wohnen meist in Städten, Politiker wohnen meist in Städten.
Ich sehe seit Jahren, dass man immer wieder sagt, wir brauchen Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, aber die Schere geht immer weiter auseinander. Der Großteil der Rheinland-Pfälzer lebt auf dem Land. Ein Beispiel: ÖPNV hier funktioniert anders als bei mir zu Hause. Allein im vorletzten Jahr kostete der ÖPNV die Landkreise über 240 Millionen und trotzdem wird er nur wenig genutzt. Auf dem Land wird es nicht ohne Individualverkehr gehen. Für den ländlichen Raum brauchen wir andere Konzepte als das, was in den Städten notwendig ist.
Gilt das auch in anderen Bereichen?
Es fällt gerade in den ländlichen Regionen die gesundheitliche Grundversorgung in der Fläche weg. Das Gerolsteiner Krankenhaus ist schon seit zweieinhalb Jahren zu. Jetzt hat auch das Krankenhaus in Prüm Insolvenz in Eigenverantwortung angemeldet. Mein Landkreis ist so groß wie das komplette Stadtgebiet von Berlin. Für die 60.000 Menschen in den 109 Ortsgemeinden gibt es nur noch ein Krankenhaus im Landkreis. Da finde ich schon, dass wir das Augenmerk wieder mehr auf die ländlichen Regionen legen sollten.
Auf Ihrer Instagramseite war vor kurzem zu sehen, wie Sie mit Markus Söder Saumagen gegessen haben. Sie posten sonst, anders als Söder, relativ wenig Privates in sozialen Medien. Warum?
Ich versuche meine Familie und besonders die Kinder so gut es geht aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Es gibt Veranstaltungen, da gehen meine Frau und ich zusammen hin. Aber den Großteil mache ich allein. Es reicht, wenn einer in der Öffentlichkeit steht. Das ist für meine Familie schon auch mitunter belastend.
Sie könnten ja auch Hobbys posten, zum Beispiel ein Selfie beim Wandern.
Als ich noch regelmäßig Wandern gegangen bin, vor etwa zwei Jahren, da habe ich das sogar gemacht. Da fehlt im Moment einfach die Zeit. Ich stehe als Politiker jetzt in einem anderen Fokus. Da geht es eben eher darum, was will ich mit diesem Land machen? Wo will ich das hinführen?
Aber muss man dieses Spiel heutzutage nicht mitspielen? Tiktok, Tanzvideos…
Oder mit Aktentasche (lacht). Nein, ich muss auch nicht jedes Essen posten. Das ist nicht so meins. Mir geht es nicht um jeden Klick.
„Ich finde, man kann die Sprache geschlechtergerecht gestalten, ohne sie umzubauen.“
Wo wir gerade schon über Markus Söder gesprochen haben: Ein Thema, das ihn sehr umtreibt, ist das Gendern. In Hessen, wo die CDU regiert, gibt es das umgangssprachlich genannte Genderverbot. Wie stehen Sie dazu?
Ich habe die Meinung, dass erstmal jeder für sich entscheiden kann, wie er es macht. Aber es darf keine Konsequenzen haben, wenn ich es nicht mache. Das wird mir aus Schulen oder Hochschulen durchaus anders zurückgemeldet. Wir müssen auch mal an die denken, die zu uns kommen und Deutsch lernen. Für die sind Sternchen und Unterstriche schwierig. Ich finde, man kann die Sprache geschlechtergerecht gestalten, ohne sie umzubauen.
Haben Sie selbst schon mal gegendert in irgendeinem Kontext, zum Beispiel in einer Mail?
Nein. Ich bin aber kürzlich angeschrieben worden mit den Worten „Sehr geehrte Abgeordnet*innen“. Das habe ich auch noch nicht erlebt. Man hat doch keine wirkliche Zeitverzögerung, wenn man einfach beide Formen verwendet.
Man könnte auch fragen: Warum eigentlich beide Formen? Viele sagen ja, das generische Maskulinum reicht eigentlich. Bei Bürger seien alle mitgemeint.
Bei Bürger sind alle mitgemeint. Aber ich begrüße Formen wie „Sehr geehrte Damen und Herren“, das hat auch mit einer Wertschätzung zu tun. Natürlich ist es richtig, dass Frauen als Frauen angesprochen werden.
Jetzt gibt es aber auch Leute, die sich nicht als Mann oder Frau identifizieren. Die würden sich dann ja nicht angesprochen fühlen von „Damen und Herren“.
Ich finde, in Damen und Herren ist alles drin.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schnieder.
Das Interview führten Ralf Keinath und Peter Kroh.