Mit 34 Jahren gehört Jana Schmöller zu den jüngsten Führungskräften in der Mainzer Stadtverwaltung. Seit Juli leitet die Sozialdemokratin nun das Dezernat für Soziales, Kinder, Jugend, Schule und Gesundheit. Damit beerbte sie Dr. Eckart Lensch (64), der nach acht Jahren das Amt abgegeben hatte. Wir haben die neue Dezernentin gefragt, was sie anders als ihr Vorgänger machen will und was Mainz so besonders macht.
Merkurist: An Sie wurden von Anfang an große Erwartungen gestellt, Sie würden „frischen Schwung“ reinbringen, wie die Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion Kathleen Herr kürzlich sagte. Was wollen Sie anders machen als bisher?
Jana Schmöller: Ich glaube, mein Vorgänger Eckhart Lensch und ich haben viele Gemeinsamkeiten, aber auch viele Unterschiede. Ich kann bei meiner Arbeit hier an vieles anknüpfen, was mir wichtig ist. Klar, wir sind zwei unterschiedliche Menschen, das spielt ja auch eine Rolle. Das Offensichtlichste ist das Alter, damit gehen schon ganz unterschiedliche Lebensrealitäten einher und so auch die Schwerpunktsetzung. Für mich etwa ist es das Thema Betreuung in der Kita. Eckhart Lensch kannte sich beim Thema Gesundheit besonders gut aus, weil er aus dem Bereich kommt. Das war in Zeiten der Pandemie sehr wichtig.
Die Themen in Ihrem Dezernat sind sehr umfangreich: Von Kindern und Jugendlichen über Senioren bis hin zu Flüchtlingen. Auch das soziale Wohnen spielt eine Rolle.
Ja, aber das ist auch total spannend. Es gibt keinen Tag, der dem anderen gleicht. Und dadurch habe ich auch die Möglichkeit, ganz viel mitgestalten zu können. Es gibt kaum ein Dezernat, bei dem man so tief in die Lebensrealität der einzelnen Menschen eingreifen und unterstützen kann. Manches ist natürlich durch die Bundesgesetzgebung vorgegeben, aber es muss eben in der Stadt umgesetzt werden: etwa Bürgergeld, Wohngeld oder Unterhaltsvorschüsse. Gleichzeitig kann man so viel gestalten. Wenn ich mir etwa die Schulen und Kitas anschaue: Welche Initiativen kann man unterstützen, die sich für Kinder und Jugendliche einsetzen? Da hat man schon eine Menge Spielraum, aber auch eine riesige Verantwortung.
Wo sehen Sie die größte Verantwortung?
Die Herausforderung ist riesig, als Kommune im Verbund mit Land und Bund alles so bereitzustellen, dass das auch klappt. Trotzdem sage ich, dass wir hier vor Ort wirklich viel machen können – von Stillorten in der Stadt über Kitaplätze für jedes Kind und Ganztagsbetreuung in den Schulen bis hin zu Jugendförderung und natürlich auch den Senioren. Man muss das eigentlich alles gemeinsam betrachten. Denn eine Stadt ist dann freundlich für alle Menschen, wenn sie all diese Gruppen auch mitdenkt. Etwa bei der Inklusion: Da geht es um Barrierefreiheit sowohl für Menschen mit Rollator als auch mit Kinderwagen und mit Rollstuhl. Wenn der Bordstein abgesenkt ist, hilft das am Ende allen.
Solche Maßnahmen sind oft mit hohen Kosten verbunden. Gleichzeitig muss die Stadt aktuell sparen.
Die Debatten um den Sozialstaat sind ja immer sehr groß. Ich finde, sie wird oft falsch geführt, weil sie immer nur als Kostenfaktor gesehen wird. Ich sage aber: Wenn der Sozialstaat nicht gestemmt werden kann, hat der Staat seine Grundaufgabe verloren. Zum anderen glaube ich fest daran, dass der Sozialstaat eine Investition ist. Wir sehen einfach, dass überall dort, wo präventiv Geld reingegeben wird, es sich später hundertfach auszahlt. Das sieht man im einzelnen Leben der Menschen, aber auch bei Einrichtungen, etwa den Kitas. Dort lernen die Kinder soziales Miteinander und erhalten erste Bildung. Oft sind das vermeintliche Kleinigkeiten, die aber ganz viel ausmachen. Das prägt das Leben so stark, dass es kaum zu ermessen ist.
Ein weiterer Kostenfaktor sind bezahlbare Wohnungen. In Mainz besteht, wie in vielen Städten auch, ein Mangel an Wohnraum. Wie könnte denn das Wohnproblem in der Stadt gelöst werden?
Ich glaube, wir müssen in Mainz weiterhin massiv investieren. Wir werden weiterbauen müssen, müssen aber gleichzeitig schauen, dass es bezahlbar ist. Über die Wohnbau, bei der ich ja auch Aufsichtsratsvorsitzende bin, können wir darauf Einfluss nehmen, etwa über die Mietenstrategie. Ein Teil der Wahrheit ist aber auch, dass die Möglichkeiten begrenzt sind.
Wie wollen Sie denn konkret neuen Wohnraum schaffen? Neubaugebiete sind schwierig zu realisieren, Aufstockungen ebenfalls.
Es gibt Gutachten dazu, wie aus den vorhandenen Flächen neue Wohnflächen geschaffen werden können. In der Mainzer Neustadt etwa hat Verdichtung ihre Grenzen. Das erleben wir in den Sommern. Stellenweise können Dachgeschosse ausgebaut werden. Ich sehe auch die ausgewiesenen Gebiete Hechtsheim und Ebersheim als mögliche Wohnflächen. Gleichzeitig müssen wir wesentlich klimaresilienter und klimaverträglicher bauen, als wir das zum Beispiel aus der Innenstadt kennen, nach dem Schwammprinzip und mit mehr Begrünung. Auch über gute ÖPNV-Anbindung sollte man direkt nachdenken. Das wird mit der Wohnbau nicht allein zu stemmen sein, auch wenn sie da ein wichtiger Partner ist. Aktuell haben wir ja noch Quartiere wie das Heiligkreuz-Viertel. Es ist sehr beeindruckend, wie viel Wohnraum hier geschaffen wurde und noch immer wird. Das geht natürlich nicht an vielen Standorten in dieser Art.
Gleichzeitig wohnen viele ältere Menschen allein in Einfamilienhäusern. Wie wollen Sie damit umgehen?
Im Stadtrat diskutieren wir etwa über die Förderrichtlinie für die Seniorinnen und Senioren, die im Eigenheim wohnen. Hier könnten wir mit Maßnahmen helfen, das Eigenheim zu ertüchtigen, etwa klimagerecht zu gestalten. Das wird von der Stadt bezuschusst. Das ändert nicht die Welt, aber es ist kleines Zeichen zu sagen: Wir sehen dich und wir sehen, dass du da bist und du darfst da auch bleiben und wirst nicht aus deinem sozialen Quartier gerissen. Manchmal ist es eben günstiger, in eine kleinere Wohnung umzuziehen, manchmal ist es aber auch teurer. Ich finde, da muss man gerecht mit den Leuten umgehen. Und das Wohnproblem in Mainz wird sich nicht auflösen, wenn die Rentnerinnen und Rentner aus ihren Wohnungen, aus ihren Häusern ziehen.
Denken Sie, Mainz ist eine lebenswerte Stadt?
Wir haben in Mainz ein super kulturelles Leben. Gefühlt sind wir das ganze Jahr irgendwie auf den Plätzen unterwegs, und alle haben sich gern und ein schönes Leben – nicht nur zu den Festen wie Fastnacht oder Johannisnacht. Es gibt in Mainz ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl, das Bedürfnis nach Geselligkeit. Die andere Seite davon ist: Dadurch, dass so viele da draußen sind, sieht man nicht mehr, wer nicht da ist. Das betrifft vor allem ältere Menschen. Auch in Mainz existiert Altersarmut und daraus resultierende Einsamkeit. Gerade in diesem Lebensabschnitt kann das sehr schambehaftet sein. Mir ist es wichtig, dass wir das im Blick haben, dass wir mehr Angebote schaffen für Treffen, ohne dass für den Kaffee bezahlt werden muss. Denn auch der Euro tut in solchen Fällen manchmal weh. Wir sollten dem entgegensteuern, dass sich gerade ältere Menschen nicht mehr trauen rauszugehen, weil sie sich das nicht leisten können. Das sind letztendlich auch die Leute, die diese Stadt wieder mit aufgebaut haben. Dafür bin ich total dankbar. Ich finde, dann ist man aber mit verantwortlich dafür, dass die Menschen etwas zurückbekommen und nicht das Gefühl haben: Mich sieht keiner mehr.
In der Bahnhofstraße entsteht ja aktuell eine neue Unterkunft für Geflüchtete. Wie viele Menschen auf der Flucht nimmt Mainz aktuell auf?
Im vergangenen Jahr waren es 144, in diesem Jahr werden es ungefähr genauso viele sein. Das sind nicht sehr viele, aber auch nicht wenige. Die Fluchtbewegung aus der Ukraine ist ein bisschen weniger geworden. Hier ist aber auch vieles privat organisiert. Diese Menschen, die bei Bekannten unterkommen, werden in diesen Zahlen nicht erfasst. Da findet zudem eine hohe Fluktuation statt.
Alle anderen kommen erst einmal in einer Gemeinschaftsunterkunft unter. Manche bleiben hier sehr lange, andere Familien suchen sich nach einer Weile eine eigene Wohnung. Viele verlassen Mainz auch wieder. Ich würde gerne jedem in Mainz die Wohnung ermöglichen, die er oder sie individuell braucht. Das gilt auch für Geflüchtete. Mit den Menschen ordentlich umzugehen, ist nicht nur eine gesetzliche, sondern auch eine menschliche Pflicht.
Hinweis
Jana Schmöller ist seit Juli im Amt, nicht seit Februar, wie wir anfangs geschrieben hatten. Im Februar wurde sie im Mainzer Stadtrat gewählt.