„Ich würde nicht bei jeder einzelnen Lärmbeschwerde einknicken wollen“

Ist Mainz wirklich die Feierstadt, als die es so oft dargestellt wird? Immer wieder beschweren sich Anwohner über die hohe Lautstärke vor Clubs, Bars und Cafés, oft mit Erfolg. Was hält der Mainzer Oberbürgermeister davon?

„Ich würde nicht bei jeder einzelnen Lärmbeschwerde einknicken wollen“

Strenge Regelungen für die Außengastronomie und häufige Beschwerden von Anwohnern sorgen in Mainz oft dafür, dass Gastronomen und Gäste genervt aufgeben. Auch Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) ärgert das. Im Merkurist-Interview spricht er von „schwierigen Regelungen für die Gastronomen“. Hat Mainz als Partystadt überhaupt noch eine Zukunft? Haase jedenfalls will sich dafür einsetzen.

Merkurist: Herr Haase, Gastronomen und Clubbetreiber beklagen immer wieder, dass sich Anwohner über die Lautstärke ihrer Gäste beschweren. Oft müssen sich die Menschen in Flüsterlautstärke unterhalten. Haben Sie noch Hoffnung, dass es angesichts dieser Einschränkungen überhaupt noch weitere Clubs oder Bars in der Innenstadt geben wird?

Nino Haase: Das Ordnungsamt ermöglicht, was der Ermessensspielraum zulässt. Manchmal wohnen die Leute, die sich beschweren, noch nicht einmal in der Nähe, etwa in der Altstadt. Die Frage ist ja, wie wir als Stadt damit umgehen. Ich würde nicht bei jeder einzelnen Lärmbeschwerde einknicken wollen. Aber gerade, was die Außengastronomie angeht, ist Rheinland-Pfalz ziemlich restriktiv: 22 Uhr Standard, 23 Uhr mit Ausnahmegenehmigung, und das auch nur, wenn sich niemand beschwert. Das sind schwierige Regelungen für Gastronomen.

In München beispielsweise gibt es Wohngebiete, in denen im Erdgeschoss oder im Keller die Bars oder Clubs drin sind. Und dort scheint es irgendwie zu funktionieren. Ich tue mich aktuell damit noch schwer, zu verstehen, und bin immer wieder überrascht, warum das in Mainz nicht gehen sollte.

Welche Handhabe hat die Stadt denn in solchen Fällen überhaupt?

Ich möchte dazu nochmal beim Land vorsprechen und schauen, ob wir emissionsschutzrechtlich nicht ein bisschen entspannter werden können. Denn die Sommer werden wärmer, die Leute sitzen mehr draußen. Die Innenstadt soll ja im Sommer auch leben. Dass zumindest ein Reden und Lachen als normal akzeptiert wird. Wir müssen versuchen, da flexibel zu sein, da Mainz eine lebendige, eine junge Stadt ist. Dann wird es auch hier und da mal Lärm geben. Nur weil es jemand als „zu laut“ empfindet, ist es zugleich aus juristischer Warte real zu laut. Selbstverständlich müssen Regeln eingehalten werden, aber subjektive Beurteilungen finde ich keine gute Diskussionsgrundlage. Manchmal muss man es auch drauf ankommen lassen, wenn es aus Stadtsicht okay ist.

Im Sommer hatte die rheinhessische Industrie- und Handelskammer vorgeschlagen, Großkonzerte und weitere Events in der Mewa Arena zu veranstalten. Der Bretzenheimer Ortsbeirat hingegen lehnt das geschlossen ab, wegen Lärmbelästigung. Was sagen Sie zu dem Plan, das unterbinden zu lassen?

Ich gehe auch gerne zu Konzerten, aber – ehrlich gesagt – die 1A-Stars kriegen wir nicht nach Mainz. Man kann sich darauf einigen und sagen: „Die wollen wir gar nicht hier“. Denn in diesem Fall werden schnell Künstlergagen von 500.000 Euro erreicht. Das zu refinanzieren, halte ich aktuell für kaum möglich.

Der Volkspark ist als Konzertveranstaltungsfläche nicht optimal geeignet. Ich glaube, dort finden die leisesten Konzerte Deutschlands statt, aufgrund der Nähe zu den Wohngebieten. Es gibt bestimmt Künstler, für die ist das in Ordnung, aber ein Metallica-Konzert sehe ich dort nicht. Natürlich haben wir noch andere Konzertstandorte, zum Beispiel das Messegelände. Wir haben eine Arena mit Straßenbahnanschluss und großem Parkplatz davor; auch aus Nachhaltigkeitsgründen ist das ein sehr gut geeigneter Ort. Ich kenne die Bedenken des Bretzenheimer Ortsbeirats und bin offen dafür. Ich persönlich halte die Belastung aber für nicht so groß.

Es gab ja bereits solche Großveranstaltungen im Fußballstadion…

Letztes Jahr gab es die 05er-Stadionsitzung als konzertähnliches Ereignis, dann hatten wir das „Battle of the Socials“, da hatte es den ganzen Tag dort gewummert, über zehn Stunden, und nicht wie bei einem Konzert über zwei Stunden. Wenn man das alles mal Revue passieren lässt und sich fragt: War das so schlimm? Ich glaube, dann kommt man zu einem recht eindeutigen Urteil. Aber das ist nichts, was ich jetzt unbedingt übers Knie brechen muss.

Wenn man sich als internationaler Standort neu aufstellen will, muss man darüber nachdenken, ob man auch internationale Top-Acts ranholt, nicht nur in der „klassischen“ Kultur, sondern auch bei Konzerten. Das Gute ist: Wir haben keinen Zeitdruck. Ich persönlich sehe das vor dem Hintergrund, dass wir solche Veranstaltungen schon durchgeführt haben. Ein Konzert am Freitag- oder Samstagabend von acht bis zehn Uhr, zwei bis drei pro Sommer – dafür möchte ich werben. Aber das ist nicht allein meine Entscheidung. Wir haben es noch nie explizit geprüft und ich persönlich würde sagen, es ist ein gutes Thema, um das im Rahmen der Kommunalwahl mal zu besprechen.

Mit Timo Filtzinger gibt es seit drei Jahren einen Nachtkulturbeauftragten für Mainz. Finden Sie diese Stelle sinnvoll?

Ich halte es für sehr wichtig, dass wir grundsätzlich jemanden haben, der Ansprechpartner für Gastronomen in der Nacht ist und hier verantwortlich ist. Denn irgendwann schlafen wir ja auch. Zweimal im Jahr findet der Gastronomen-Stammtisch statt, mit der Stadtspitze und dem Leiter des Vollzugsdiensts, mit dem Nachtkulturbeauftragten und auch mit mir. Mit Gastronomen, Clubbetreibern, Hoteliers, Barinhabern… Das ist nicht selbstverständlich. Wir versuchen, gastronomenfreundliche Angebote hinzubekommen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Peter Kroh und Sandra Werner.