Ortsvorsteherin: „Kein Sicherheitsproblem in Hartenberg-Münchfeld“

Bombendrohungen, Parkplatz-Ärger und ein ausgestorbener Wochenmarkt: Was beschäftigt die Hartenberg-Münchfelder? Und wie ist es als junge Mutter in der Mainzer Stadtpolitik? Das erzählt Christin Sauer im Merkurist-Interview.

Ortsvorsteherin: „Kein Sicherheitsproblem in Hartenberg-Münchfeld“

2019 wurde Christin Sauer erstmals zur Ortsvorsteherin von Hartenberg-Münchfeld gewählt, 2024 konnte die Grünen-Politikerin ihre Wiederwahl feiern. Außerdem sitzt sie im Mainzer Stadtrat, ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende sowie umweltpolitische Sprecherin der Grünen in Mainz. Außerhalb der Politik arbeitet die studierte biomedizinische Chemikerin in einer Digitalisierungsagentur. Im Merkurist-Interview spricht Sauer über ihren Alltag als junge Mutter in der Politik und über die Themen, die Hartenberg-Münchfeld aktuell am dringendsten beschäftigen.

Merkurist: Frau Sauer, Sie sind jetzt 33 Jahre alt und schon in Ihrer zweiten Amtszeit. Hatten Sie 2019 damit gerechnet, Ortsvorsteherin zu werden?

Christin Sauer: Ich bin mit 27 in dieses Amt gestolpert, muss man sagen. Das hatte ich so nicht erwartet. Dass ich kandidiert habe, habe ich vielen Menschen zu verdanken, die mir Dinge zugetraut haben – vielleicht mehr, als ich mir in dem Moment zugetraut hätte. Das war auch die Zeit mit dem sehr starken grünen Bundestrend. Und dann war ich in diesem Amt ohne jede politische Vorerfahrung. Ich saß vorher nie in einem Ortsbeirat oder in einem Stadtrat. Ich hatte mal ein, zwei Sitzungen besucht, und ich kannte Menschen, die in solchen Gremien sitzen. Aber ich selbst war noch gar nicht so wahnsinnig lange Parteimitglied – ich bin 2017 während meines Studiums den Grünen beigetreten – und musste dann zwangsläufig eine sehr steile Lernkurve hinlegen.

Welche Anliegen haben Ihnen die Hartenberg-Münchfelder in Ihrer Zeit als Ortsvorsteherin am meisten zugetragen?

Ich glaube, dass es in fast allen Stadtteilen dasselbe Thema ist. Am häufigsten geht es um Verkehrsanliegen, und zwar die ganze Bandbreite. Die Anwohnenden „An der Allee“ beispielsweise wünschen sich dringend Tempo 30. Oder die Parksituation in der Wallstraße war gerade wieder das beste Beispiel – auch wenn es meines Erachtens jetzt sehr gut ausgegangen ist mit den 110 neuen Parkplätzen auf der Straße als Ersatz für das Gehwegparken.

Parkraum scheint grundsätzlich ein schwieriges Thema in Hartenberg-Münchfeld zu sein. Wo wäre denn noch ungenutztes Potenzial? Der Oberbürgermeister verweist immer auf die großen Parkhäuser, die nachts leer stehen. Ist das auch Ihr Ansatz?

Ja, es gibt diese Potenziale, und da gebe ich dem Oberbürgermeister recht, dass wir die dringend mehr nutzen müssen. Aber es gibt natürlich auch Ecken in unserer Stadt, da gibt es keine großen Parkhäuser. Das ist eine Logik, die für die Innenstadt funktioniert. Aber wenn wir Richtung Münchfeld schauen, wird es schon dünn. Für mein Politikverständnis ist die Antwort: Menschen, die es ermöglichen können, sollten auf dem eigenen Grundstück parken. Ansonsten braucht es Alternativen. Wir brauchen einen attraktiven ÖPNV, wir brauchen einen Ausbau von Carsharing-Angeboten. Grundsätzlich muss die Frage sein: Braucht jeder Haushalt ein eigenes Auto? Ich selbst nutze Carsharing intensiv, weil ich noch nie ein eigenes Auto besessen habe.

Ein großes Thema im Stadtteil ist auch der Streit um die Bar „Caipiranha“ im King-Park-Center. Die Wohnbau warf dem Betreiber vor, für ein Gasleck gesorgt zu haben und kündigte den Mietvertrag im Februar. Der Betreiber jedoch wies die Vorwürfe zurück und klagte gegen die Kündigung. Ist inzwischen eine Einigung in Sicht?

Leider nicht. Ich kann aber auch ehrlicherweise die Perspektive der Wohnbau gut nachvollziehen. Merkurist hat ja auch über die Bombendrohung und Räumung im King-Park-Center berichtet, die offenbar im Kontext des Caipiranha-Streits stand. Und völlig egal, ob das mit dem Betreiber abgesprochen oder nur die Initiative dieser Person war: Das hinterlässt natürlich einen sehr unguten Beigeschmack und macht ein bereits erschüttertes Vertrauensverhältnis zu einem Mieter nicht besser. Letztendlich ist das eine privatrechtliche Fragestellung, die mit Kommunalpolitik nichts zu tun hat. Was mir aber wichtig ist, ist das Caipiranha als Treffpunkt weiter zu erhalten – unabhängig davon, wie dieser Rechtsstreit jetzt ausgeht.

Sie haben die Bombendrohung im King-Park-Center angesprochen. Neulich soll dort ein Ehepaar im Auto mit einer Pistole bedroht worden sein. Gibt es Bedenken hier im Stadtteil, dass die Ecke nicht sicher genug ist?

Der für unseren Stadtteil zuständige Polizist hatte in der vergangenen Wahlperiode im Ortsbeirat berichtet. Damals sagte er noch, Hartenberg-Münchfeld sei eine Insel der Glückseligen. Hier gebe es so wenig Kriminalität. Im Vergleich dazu ist es in den letzten Monaten tatsächlich auffallend viel. Auch das Tötungsdelikt im Hartenbergpark, das in der Nachbarschaft Spuren hinterlassen hat. Im Münchfeld gab es ja auch diese Situation mit einem Motorradfahrer, der immer wieder Passanten bedroht hatte. Ich nehme das sehr genau wahr und nehme das sehr ernst. Natürlich kommen auch besorgte Nachfragen von den Bewohnern bei mir an. Das ist aber ehrlicherweise eine Frage, wo man als ehrenamtliche Politikerin relativ wenig tun kann.

Wünschen Sie sich denn von der Stadtpolitik oder der Polizei, dass es hier Unterstützung für mehr Sicherheit gibt?

Ich würde noch nicht so weit gehen und sagen, dass es ein grundsätzliches Sicherheitsproblem in Hartenberg-Münchfeld gibt. Im Moment sind es für mich Einzelfälle – auch wenn sie gehäuft auftreten. Ich setze da auf die Expertise der Polizei, das zu bewerten. Und es ist ja auch so: Wenn es eine Art Brennpunkt gäbe – und da bin ich sehr bewusst im Konjunktiv –, dann würde die Polizei Maßnahmen vorschlagen. Und so weit sind wir längst nicht.

Eine gute Nachricht für Hartenberg-Münchfeld scheint wiederum der neu gegründete Verein für Stadtteilkultur zu sein: Was hat es damit auf sich?

Hartenberg-Münchfeld ist ein Verwaltungskonstrukt, das 1989 aus einem Teil Innenstadt und einem Teil Gonsenheim entstanden ist. Wir haben nicht diese Identität, die ein Bretzenheim oder ein Gonsenheim hat – nicht diese Historie, keine etablierten Feste, kein Stadtteilzentrum oder einen Marktplatz. Wir haben nicht mal ein Wappen. Der Verein für Stadtteilkultur soll unseren Stadtteil ein Stück weiter zu beleben. Eine Idee wäre zum Beispiel, vielleicht mal einen eigenen Fastnachtsumzug zu veranstalten. Wir haben drei Fastnachtsvereine hier am Fort Hauptstein: die Haubinger, die Lerchen und die Ranzengarde. Jetzt gerade sind wir bereits daran, das erste gemeinsame Projekt umzusetzen: unser Stadtteilfest am 29. Juni. Das hat im letzten Jahr erstmalig nach sieben Jahren wieder stattgefunden, dank dem Hauptorganisator Alexander Krebs.

Welches Problem in Hartenberg-Münchfeld liegt Ihnen denn persönlich besonders am Herzen? Gibt es etwas, das Sie in dieser Amtszeit unbedingt umsetzen wollen?

Ein ganz großes Herzensanliegen ist mir, dass wir unseren Wochenmarkt wieder beleben. Den gab es mal am Norma – aber der ist immer weiter geschrumpft und schließlich ganz verschwunden. Gerade die älteren Menschen, die am hinteren Hartenberg wohnen, erzählen mir, was es früher an Einkaufsmöglichkeiten in der Ecke gab, was es früher an Gastronomie gab. Ein neuer Wochenmarkt wäre einerseits die Möglichkeit, wieder mehr Angebote in den Stadtteil zu holen, aber andererseits auch ein guter Treffpunkt. Ob es jetzt der Standort sein muss oder ob etwas anderes denkbar ist, das ist völlig offen. Die erste Herausforderung ist nämlich, überhaupt Standbetreiber dafür zu finden. Die Marktverwaltung der Stadt macht keine aktive Werbung dafür. Das heißt, es ist ein Stück weit Klinkenputzen bei den Marktbeschickern.

Ein weiteres Projekt im Stadtteil ist das Besucherzentrum am Alten Jüdischen Friedhof, das 2025 fertiggestellt und 2026 eröffnet werden soll. Was erhoffen Sie sich vom neuen Besucherzentrum für Hartenberg-Münchfeld als Stadtteil?

Der größte Erfolg, den es schon gebracht hat: Direkt benachbart gibt es eine städtische Fläche, für die wir letztes Jahr im Stadtrat beschließen konnten, dass sie eine Grünanlage wird. Bei solchen Grundstücken liegt immer nah, dass man darauf Wohnbebauung entwickelt oder es an Investoren verkauft. Aber gerade die unmittelbare Nähe zum Besucherzentrum hat es an dieser Stelle so charmant gemacht zu sagen: „Hey, da kommen Schülergruppen, die wollen auch in der Pause mal toben.“ Der Gedenkort selbst ist nämlich kein Raum dafür. Und somit ist dieses Grundstück etwas, das einerseits den Gästen des Besucherzentrums und des Alten Jüdischen Friedhofs was bringt – aber auch der Nachbarschaft, weil gerade im Quartier Wallstraße / Mombacher Straße Grünflächen fehlen.

Soll die Grünanlage dann direkt zusammen mit dem Besucherzentrum eröffnet werden?

Mit Blick auf die kommunalen Finanzen definitiv erst später. Das wird noch dauern, bis die Mittel dafür da sind.

Apropos Abwarten: Wie ist das bei Ihnen selbst? Mit Job und Familie, gibt es da Momente, wo die Politik auch mal zurückstehen muss?

Natürlich. Ich hoffe ehrlicherweise, dass alle Eltern, die gleichzeitig einen intensiven Beruf oder ein intensives Ehrenamt oder auch ein politisches Hauptamt haben, sagen würden: „Ja, natürlich stehen meine Kinder manchmal auch an allererster Stelle.“ Sei es der Geburtstag, oder dass das Kind krank ist oder was auch immer – und dann muss man Sitzungen auch mal kurzfristig absagen. Deshalb ist es so wichtig, ein Team zu haben, das mich in solchen Fällen unterstützt. Man hat in der Verwaltung ganz viele Personen, die man jederzeit ansprechen kann. Oft sind es der Ortsbeirat oder die stellvertretenden Ortsvorsteher*innen, die mal einspringen können.

Also gibt es in Mainz eine gute Infrastruktur dafür, mit Kind Politik zu machen?

Leider nein. Alles, was ich mir an Vereinbarkeit von Kind und Politik geschaffen habe, habe ich selbst organisiert. Es ist nicht so, dass dann irgendjemand kommt und sagt: „Herzlichen Glückwunsch, Frau Sauer, Sie haben jetzt im Amt ein Kind bekommen. Übrigens, wir haben folgende Angebote für Sie, damit es besonders gut klappt.“ Und die Angebote, die es gibt, sind sehr hochschwellig. Kostenerstattung für Kinderbetreuung – welche Großeltern schreiben denn eine Rechnung, wenn sie aufs Kind aufpassen? Deshalb war es mir umso wichtiger, meine Tochter ab Woche neun überall mitzunehmen. Um zu zeigen, Elternschaft und Kommunalpolitik muss vereinbar sein. Und natürlich gibt es dann Situationen in einem Ausschuss, in denen das Kind auch mal quietscht und man den einen oder anderen genervten Blick bekommt. Einmal hat es für Irritationen gesorgt, als ich mein Kind mitbringen wollte, obwohl es keinen abgetrennten Raum zum Stillen gab. Das ist mir völlig egal, ich stille auch im Gremium mit lauter Menschen um mich herum – aber ich habe gemerkt, dass es nicht so gut ankam. Wie sollen denn andere junge Menschen Lust haben, sich zu engagieren, wenn sie denken, mit Kind geht es nicht? Gerade die Perspektive junger Eltern ist doch so unterrepräsentiert in unseren politischen Gremien.

Haben Sie selbst noch weitere politische Ziele, die Sie verfolgen?

Natürlich kann ich mir vorstellen, auch irgendwann hauptamtlich Politik zu machen, sowohl kommunal als auch auf Landesebene. Aber das ist von so vielen Faktoren abhängig, die ich im Zweifel auch gar nicht beeinflussen kann. Ich liebe meine Ehrenämter, gerade die Arbeit als Ortsvorsteherin. Ich habe eine bald dreijährige Tochter und einen tollen Job. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben. Ich habe jetzt nicht den Druck oder den Anspruch, dass da in den nächsten fünf Jahren unbedingt das nächste große Ziel erreicht werden muss.

Vielen Dank für das Gespräch!