Nach den ersten zwei Staffel der Doku-Reihe „Nachtstreife“ folgt im diesem Jahr nun die dritte. Unter den zehn Polizeibeamten werden Melina Reisel (27) – bereits aus der zweiten Staffel bekannt – und Kevin Gugenheimer (25) aus dem Kriminaldauerdienst (KDD) während ihrer Arbeit nachts von einem Kamerateam begleitet. Im Gespräch mit Merkurist erzählen Reisel und Gugenheimer, wie sie die Dreharbeiten empfinden und was ihren Beruf so spannend macht.
Merkurist: Wie kamt ihr beide dazu, Kriminalkommissar zu werden?
Kevin Gugenheimer: Ich wollte in der Oberstufe schon immer zur Polizei, weil ich gerne einen Beruf ausüben wollte, auf den man stolz sein kann. Man kann vielen Leuten helfen und mit gutem Gewissen nach Hause gehen. Ich habe anfangs beim Bundeskriminalamt studiert und dort mein Studium zum Kriminalkommissar absolviert. Am 1. April 2022 bin nach Mainz ins Polizeipräsidium gewechselt.
Melina Reisel: Bei mir sah das ganz ähnlich aus. Ich wusste auch erst ab der Oberstufe, dass ich zur Polizei möchte. Ich habe nach dem Abitur direkt mein Studium bei der Polizei angefangen und im Rahmen eines Praktikums beim Kommissariat für Rauschgiftdelikte in Bad Kreuznach gemerkt, dass mir die Kriminalpolizei deutlich mehr Spaß macht als beispielsweise Verkehrsunfälle aufnehmen oder andere Delikte zu bearbeiten.
Was macht ein Kriminalkommissar eigentlich?
Melina Reisel: Als Kriminalkommissare im KDD sind wir die 24/7-Bereitschaft für die generelle Kriminalpolizei und sind grundsätzlich für gewisse Straftatenbereiche zuständig – sei es Einbruchsdiebstahl, Raubdelikte, Sexualdelikte oder Todesermittlungsverfahren. Im Kriminaldauerdienst ist es die Besonderheit, dass man die Fälle nicht bis zum Abschluss bearbeitet. Wir ermitteln also den Täter nicht aus, sondern treffen nur die Erstmaßnahmen und haben dementsprechend eine breit gefächerte Zuständigkeit. Wir kommen also als eine Art Bereitschaft für die Kriminalpolizei an die Tatorte und übernehmen dann diese Fälle.
Kevin Gugenheimer: Besser hätte ich es nicht erklären können (lacht).
Melina, du hast ja schon in der zweiten Staffel der „Nachtstreife“ mit Dominic Gillot im KDD mitgemacht. Wie lange bist du nun schon bei dieser Doku-Reihe dabei?
Melina Reisel: Bei der „Nachtstreife“ bin ich jetzt seit ungefähr zwei Jahren dabei. In der ersten Staffel hat man mich nur im Hintergrund gesehen, da war ich aber bereits im Kriminaldauerdienst tätig.
Wie sieht es bei dir aus, Kevin?
Kevin Gugenheimer: Ich kam erst in dieser Staffel dazu, da ich relativ neu im KDD bin. Melina hat mich ungefähr vor einem halben Jahr gefragt, ob ich Lust hätte, bei den Dreharbeiten mitzumachen. Jetzt bin ich hier.
Bei der Arbeit gefilmt zu werden, ist nicht alltäglich. Was war für euch das Reizvolle, bei der „Nachtstreife“ mitzumachen?
Kevin Gugenheimer: Meine Familie und Freunde haben mich ständig gefragt: „Wie sieht die Arbeit bei euch aus?“, „Was macht ihr eigentlich den ganzen Tag?“ oder „Wie sieht es bei Tatorten aus?“. Die Serie ist ein gutes Format, um die Polizeiarbeit den Bürgern näher zu bringen und zu zeigen, dass wir auch Menschen sind und im Dienst „heftige Situationen“ erleben können und dementsprechend verarbeiten müssen. Unser Beruf ist nichts Alltägliches.
Melina Reisel: Nachdem klar war, dass Nils Neuhaus den KDD verlässt, wurde ich gefragt, ob ich Lust hätte, in seine Fußstapfen zu treten. Ich habe das alles schon in der ersten Staffel mitbekommen und finde es auch sehr interessant, den Polizeiberuf zu erklären und präsent zu halten. Es ist ein sehr cooles Format, um all dies den Leuten rüberzubringen. Die meisten wissen einfach nicht, was wir die ganze Nacht über machen und denken, dass soviel gar nicht passiert.
Was passiert denn alles bei der Arbeit oder welche prägenden Ereignisse fallen euch ein?
Melina Reisel: Wir haben sehr viele prägende Ereignisse. Ob die jetzt gefilmt worden sind oder nicht, das spielt keine Rolle. Ich finde jeden Einsatz prägt einen anders und man nimmt, ob man will oder nicht, die ein oder anderen Situation mit nach Hause. Man denkt noch einmal drüber nach und lässt sich das durch den Kopf gehen. Bei mir kann es beispielsweise plötzlicher Kindstod sein. Es sind Babys, die man einfach nicht mit dem Tod verknüpft und, so wie die Natur es will oder nicht, trotzdem sterben. Auch die Zusammenarbeit mit sehr traumatisierten Geschädigten lässt einen nicht kalt und in diesem Moment ist man einfach ein Mensch und zeigt Empathie und Mitgefühl. Es kommt immer von Einsatz zu Einsatz drauf an.
Muss man dann lernen, seine Gefühle und Emotionen direkt vor Ort verarbeiten zu können, damit es einem nicht zu viel wird?
Melina Reisel: Ja zum einen ist das so, aber man hat zum Glück seinen Streifenpartner dabei, mit dem man nach dem Einsatz darüber sprechen kann. Man redet natürlich auch mit seinem privaten Umfeld über manche Situationen, die einen besonders geprägt haben. Wir reden auch viel innerhalb der Dienstgruppe und haben soziale Ansprechpartner. Man kümmert sich gut umeinander und miteinander. Es kommt vor, dass man irgendwann sagt „Ich kann keine Toten mehr sehen“ oder „Ich kann das alles nicht mehr“. Da die Polizei aber so vielfältig ist, kann man sich einfach eine andere Nische suchen.
Kevin Gugenheimer: Wir sitzen auch mit der Dienstgruppe beim Kaffee zusammen und reden über gewisse Fälle, wie zum Beispiel über einen plötzlichen Kindstod. Wir fragen auch, wie es einem dabei geht, ob die Person damit zurecht kommt und ob sie eine Pause braucht. Wenn auch jemand an einem Tag sagt, dass er heute keinen Toten sehen könne, wird das von allen akzeptiert und man versucht die Einsätze so zu planen, dass am Ende ein anderes Streifenteam hinfährt. Das alles kann geregelt werden.
Melina Reisel: Genau. Wir haben auch die Möglichkeit ein- bis zweimal im Jahr eine Beratung mit einem geschulten Supervisionär in Anspruch zu nehmen. Dieser ist unabhängig von der Polizei da, wird aber von der Polizei beauftragt. Da guckt man auf jeden Fall schon, dass man keinen Knacks bekommt.
Ihr werdet während dem Nachtdienst gedreht. Kann man davon ausgehen, dass auch nachts mehr passiert?
Melina Reisel: Ich glaube generell, dass die Nachtdienste einfach spannender sind. Gerade auch, wenn der Bürger sich nachts fragt: „Was geht sonst so ab in Mainz oder Umgebung, wenn ich schlafend im Bett liege?“. Grundsätzlich ist es aber auch so, dass wir in den Spätdiensten genauso viel zu tun haben wie in den Nachtdiensten. Es kommt immer auf den Tag an.
Bemerkt ihr während der Dreharbeiten eigentlich noch die Kameras?
Kevin Gugenheimer: Die Kameras hatte man in den ersten Stunde dauerhaft im Blick und man fing auch an, nach ihnen zu „suchen“. Irgendwann ist man aber so fokussiert auf seine Arbeit, dass die Kameras völlig ausgeblendet werden. Es kann dann passieren, dass man sich kurz erschreckt, wenn man plötzlich eine sieht. Das Kamerateam ist eher im Hintergrund und filmt einem nicht direkt ins Gesicht.
Gab es Probleme während der Dreharbeiten, zum Beispiel wenn eine Person nicht gefilmt werden wollte?
Kevin Gugenheimer: Ja, das hatten wir schon. Wenn wir mit dem Kamerateam unterwegs sind, beispielsweise zu einem Einbruch, wird im Voraus mit der geschädigten Person abgesprochen, ob diese mit dem Filmen einverstanden sei, und es wird eine Einverständniserklärung abgegeben. Wenn es nicht der Fall sein sollte, wird dort eben nicht gedreht.
Werdet ihr denn im Einsatz erkannt?
Kevin Gugenheimer: Ich bisher noch nicht (lacht). Bin ja noch nicht so lange dabei.
Melina Reisel: Ja ich schon, je nach dem wo man hinfährt, wird man gefragt „Oh, wo ist denn die Kamera?“. Bisher gab es aber immer positive Rückmeldungen.
Würdet ihr euren Beruf denn weiterempfehlen?
Kevin Gugenheimer: Wenn man einen spannenden Beruf ausführen möchte und kein Problem damit hat, mal schlimme Situationen zu sehen und mit ihnen umzugehen, ist es auf jeden Fall empfehlenswert. Wenn man aber sagt: „Mit traumatisierten Personen kann ich nicht umgehen“ und man nimmt diesen Einsatz gedanklich mit nach Hause, kann es schnell passieren, dass man daran kaputt geht. Da würde ich es auf jeden Fall nicht empfehlen.
Vielen Dank.
Wer sonst noch bei der Nachtstreife 3.0 dabei ist und wo ihr die Doku streamen könnt, erfahrt ihr hier: