Im Sommer 1973 wurde ein ganz besonderes Fußballspiel in Rheinland-Pfalz angepfiffen: Der erste „offizielle“ Kick des gar nicht so offiziellen Teams des FC Ente Bagdad. Gespielt wurde nicht in Bagdad, sondern auf holprigem Gras in der Grünanlage neben einem Krankenhaus in der Mainzer Oberstadt. Als Tore dienten bunte Stahlrohr-Klettergerüste, wie sie seinerzeit auf Kinderspielplätzen in Mode waren. Auch wenn das Spiel 1:5 verloren ging: Fürs Erste war man zufrieden, erinnert sich Ronald Uhlich, Gründungsmitglied von Ente Bagdad.
50 Jahre später können sie beim FC Ente Bagdad gar nicht mehr zählen, wie viele Spiele in der Zwischenzeit dazugekommen sind. „Die Anziehungskraft dieses Hobbyvereins auf unterschiedlichste Menschen über Jahrzehnte hinweg entspringt jedoch nicht den Resultaten, sondern dem Einsatz für Toleranz und der gelebten Freude auf und neben dem Platz“, sagt Uhlich. In Mainz zu Hause, bot und bietet der Verein Heimat für Menschen aus mittlerweile über 20 Nationen. Spielstärke, Alter, Nationalität, sexuelle Identität/Orientierung oder Religion spielen bei den Enten keine Rolle.
Reisen zu geschichtsträchtigen Orten
Um einander besser kennen zu lernen und Zeichen für Toleranz zu setzen, organisiert der Verein auch sogenannte Kultur-Kick-Reisen in die Heimatländer von Spielern und Freunden. Auf der Reiseroute lagen unter anderem Frankreich, die Schweiz, Großbritannien, Syrien und Bolivien. Im Sommer 2023 landeten die Enten in Ruanda. Auch Geschichtsträchtige Orte besuchten die Vereinsmitglieder schon: So zum Beispiel die ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz (Polen) oder Dachau (bei München). Auch Parlamente besuchten die Hobby-Kicker schon, darunter den Bundestag in Berlin und adas Europäisches Parlament in Brüssel.
Mehrfach ausgezeichnet ist Ente Bagdad mit seinen Werten mittlerweile auch überregional ein Begriff. So erhielt Enten-Präsident Ronald Uhlich im Oktober 2021 stellvertretend für das gesamte Enten-Team das Bundesverdienstkreuz. Weitere besondere Ehrungen waren der Integrationspreis des DFB 2017, für das Engagement gegen Antisemitismus und das Vergessen – für Gemeinsamkeit und Vielfalt der Julius Hirsch Preis 2019 zusammen mit den Toten Hosen und auch der internationale Obermayer Award 2023.
Training für ukrainische Kinder
Seit nunmehr fast zehn Jahren engagieren sich das Team von Ente Bagdad und sein Dachverein Vitesse Mayence bei der Integration von Geflüchteten durch eine Beteiligung an den Programmen „Willkommen im Fußball“ und „fit nach vorn“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Und auch als Russland im Februar 2022 die Ukraine überfiel und daraufhin viele Menschen das Land verlassen mussten, standen die Enten wenige Tage später mit Angeboten für die Geflüchteten bereit: Zwei Mal die Woche wird ein Training für ukrainische Kinder angeboten.
Während der „Mainzer Erinnerungswochen“, die vom Verein iniziiert wurden, wird seit 2017 der Opfergruppen des Nationalsozialismus gedacht. Dabei berichten auch Zeitzeugen wie Zvi Cohen und Eva Szepesi von ihren Leben, Leiden und Hoffnungen für die Zukunft. „Es gilt, aus der Geschichte zu lernen und sich für Demokratie und den Zusammenhalt in unserer diversen Gesellschaft für heute und morgen einzusetzen“, fordert Uhlich.
Mehr Informationen über Ente Bagdad findet ihr hier.