Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben zusammen mit anderen Forschern* die Kirche des bedeutenden mittelalterlichen Handelsplatzes Rungholt entdeckt, der 1362 in einer Sturmflut untergegangen war. Der Platz wird auch als „Atlantis des Nordens“ bezeichnet. Es gelang den Archäologen, den Standort der Rungholter Kirche zu lokalisieren und somit eine über 100-jährige, vieldiskutierte Forschungsfrage endgültig zu klären.
Versunken im Wattenmeer
Rungholt wurde am 16. Januar 1362 von einer Nordsee-Sturmflut „begraben“, die zunächst die Dämme zerstörte und Tausende Menschen in der Region in den Tod riss. Zuvor hatten die Bewohner, um die Gegend landwirtschaftlich nutzbar zu machen, den Boden entwässert. Dadurch senkte sich das Land ab. Zudem waren die teils maroden Deiche und Häuser damals auf Sand gebaut. Mit den Menschen ging unter anderem auch die besagte Kirche unter.
Nun wurde bei der Hallig Südfall eine bislang unbekannte, zwei Kilometer lange Kette mittelalterlicher Warften, also künstlicher Siedlungshügel, erfasst. Eine dieser Warften zeigt Strukturen, die zweifelsfrei als Fundamente einer Kirche von 40 mal 15 Metern Größe zu deuten sind. Wie Dr. Hanna Hadler vom Geographischen Institut der JGU erklärt, lieferten archäologische Untersuchungen an ausgewählten Stellen nun einmalige Einblicke in das Leben der nordfriesischen Siedler. Zudem würden aus den Wattflächen immer wieder bedeutende neue Funde ans Licht gefördert.
Die Funde in dem über zehn Quadratkilometer großen untersuchten Gebiet umfassen bislang 54 Warften, systematische Entwässerungssysteme, einen Seedeich mit Sielhafen, zwei Standorte kleinerer Kirchen und nun auch die große Hauptkirche. Doch die „Kulturspuren“ sind gefährdet. „Um Hallig Südfall und in anderen Wattflächen sind die mittelalterlichen Siedlungsreste bereits stark erodiert“, so die Mainzer Forscherin Hadler. Dies zeige sich auch im Umfeld der Kirchwarft sehr deutlich, sodass man die Erforschung hier dringend intensivieren müsse.
*Forscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) sowie des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holstein (ALSH).