Immer mehr Sanierungen: Droht eine „Asbest-Welle“ in Mainz?

Ob für Barrierefreiheit, bessere Isolierung oder eine Rundum-Modernisierung: Immer mehr Häuser aus der Nachkriegszeit sollen jetzt saniert werden. Doch die IG BAU warnt: Fast 60 Prozent aller Häuser in Mainz sind mit Asbest belastet.

Immer mehr Sanierungen: Droht eine „Asbest-Welle“ in Mainz?

Knapp 19.000 Wohnhäuser in Mainz sind mit Asbest belastet – also 58 Prozent aller Wohngebäude in der Stadt. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) warnt deshalb vor einer drohenden „Asbest-Welle“. Denn freigesetzt wird der Stoff vor allem bei Bauarbeiten und Sanierungen, die jetzt bei vielen dieser Häuser fällig sind.

Krebserregender Asbest ist in zahlreichen Baustoffen enthalten, die insbesondere in den Jahren 1950 bis 1989 zum Einsatz kamen. „Es ist davon auszugehen, dass es in jedem Gebäude, das in dieser Zeit gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt. Mal mehr, mal weniger“, sagt Rüdiger Wunderlich von der IG BAU Rheinhessen-Vorderpfalz. Oft würden die Gesundheitsschäden nach dem Einatmen von Asbest erst bis zu 30 Jahre später auftreten: Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs.

Mehr Sanierungen in den nächsten 20 Jahren

„Wer in einem asbestbelasteten Haus wohnt, muss sich trotzdem erst einmal keine Sorgen machen. Erst bei Sanierungsarbeiten wird es kritisch“, so Wunderlich. „Dann kann Asbest freigesetzt und damit zu einem ernsten Problem werden.“ Und saniert werden soll in Mainz demnächst einiges: „Wir stehen am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten.“ Um die Klimaschutzziele zu erreichen, werde in den nächsten Jahren ein Großteil der Altbauten erneuert.

Um Bauarbeiter, Heimwerker und Bewohner zu schützen, plädiert Wunderlich für mehr Aufklärung. „Die ‚Asbest-Fallen‘ lauern überall: Asbest ist oft im Putz und sogar in Spachtelmassen und Fliesenklebern. Vor allem aber im Asbest-Zement.“ Handwerker sollten daher immer mindestens eine FFP3-Atemschutzmaske, einen Overall, eine Schutzbrille und Handschuhe tragen, wenn sie an asbestbelasteten Häusern arbeiten. Bewohner selbst seien dann gefährdet, wenn sie sich während der Bauarbeiten in der Wohnung aufhalten.

In einer eigenen „Asbest-Charta“ hat die IG Bau nun ihre wichtigsten Forderungen für mehr Schutz vor Asbest vorgelegt. „Es geht dabei um bessere Informationen über Asbest-Gefahren bei Gebäuden, um die Förderung von Asbest-Sanierungen und vor allem auch um konsequenten Arbeitsschutz“, sagt Wunderlich. „Denn der bevorstehende Sanierungsboom darf nicht zu einer Krankheitswelle führen.“

Hintergrund

Nach Angaben des Pestel-Instituts in Hannover stecken bundesweit knapp 44 Millionen Tonnen asbestbelastetes Baumaterial im Gebäudebestand. In den vergangenen zehn Jahren sind laut der IG BAU über 3000 Versicherte der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) an den Folgen einer asbestbedingten Berufserkrankung gestorben – darunter allein 320 im vergangenen Jahr.