Herbst 1923: Als Mainzer 9 Milliarden Mark für ein Brot bezahlen mussten

Wie turbulent die sogenannte Hyperinflation vor 100 Jahren wirklich war, wie Mainzer diese Zeit erlebten und was Weck, Worscht und Woi damit zu tun haben, zeigen Recherchen und Dokumente des Stadtarchivs Mainz.

Herbst 1923: Als Mainzer 9 Milliarden Mark für ein Brot bezahlen mussten

Dass Grundnahrungsmittel wie Brot immer teurer werden, bereitet vielen gerade Sorge. Auch vor 100 Jahren war Mainz von einer Inflation betroffen – allerdings in einem fast unvorstellbaren Ausmaß. Denn es gab eine Zeit, in der jeder Mainzer mehrere Milliarden Mark zum Überleben brauchte und das Geld von heute am nächsten Tag schon nichts mehr wert war.

Doch wie kam es überhaupt dazu? Wie die Mitarbeiter des Mainzer Stadtarchiv erklären, war der deutsche Staat nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg stark verschuldet – ein Problem, das die sogenannten Reparationszahlungen an die Sieger- und Besatzungsmächte noch weiter vertieften. Mainz lag von 1918 bis 1930 in der französischen Besatzungszone. Das schränkte nicht nur die politische Unabhängigkeit ein, sondern prägte auch den Alltag der Bürger.

Wie ein Ruhr-Industrieller einen Aufstand in Mainz auslöste

Im Jahr 1923 erreichten die Finanzprobleme dann ihren Höhepunkt: Wegen zu spät bezahlter Reparationen besetzten französische und belgische Truppen im Januar 1923 das Ruhrgebiet. Der Industrielle Fritz Thyssen beteiligte sich daraufhin am passiven Widerstand, den die Reichsregierung ausgerufen hatte, und wurde zum Wortführer der deutschen Zechenbesitzer gegen die Besetzung des Ruhrgebiets.

Das französische Militärgericht in Mainz erhob Anklage gegen Thyssen – woraufhin es in der Stadt zu einem Aufruhr kam. Die Franzosen reagierten auf die Mainzer Unruhen mit Verhaftungen und Ausweisungen: Bis Mitte 1923 mussten über 5000 Mainzer die Stadt verlassen. Unter ihnen waren auch hochrangige Vertreter der Stadtverwaltung, wie Oberbürgermeister Dr. Külb und Bürgermeister Bernhard Adelung.

Von Schulden zu Hyperinflation

Währenddessen ließ der Widerstand gegen die Ruhrbesetzung die Schulden der Weimarer Republik weiter anwachsen. Die (vermeintliche) Lösung: Die Regierung ließ immer mehr Papiergeld drucken. Es folgte eine Inflation, die im Laufe des Jahres ins Unermessliche stieg. Lange konnten die steigenden Preise mit steigenden Löhnen ausgeglichen werden. Doch auf dem Höhepunkt der Inflation in Herbst 1923 kostete ein Brot mehrere Milliarden Mark.

Viele Mainzer litten unter den Folgen und konnten sich kaum das Nötigste zum Leben leisten. Die Stadt organisierte Hilfen, um den Mangel bei Brot und Kohle zu lindern, und begann schließlich selbst damit, Banknoten zu drucken.

Das Mainzer Notgeld

Anders, als der Name es vermuten lässt, war das sogenannte Mainzer Notgeld oft sehr aufwendig gestaltet und mit stadttypischen Emblemen versehen. Die Entwürfe dazu stammten von namhaften Designern.

Ausgerechnet ein Schein, der nie in den Druck ging, ist dabei für die Mainzer Geschichte besonders interessant: Auf dem Entwurf des 500.000-Markscheins vom 1. August 1923 sind „Weck, Worscht und Woi“ abgebildet. Somit ist die Geldnote der bisher älteste bekannte Beleg der berühmten Mainzer Fastnachts-Trias.

Hintergrund

Um an die Hyperinflation 2023 zu erinnern, wurde das Stadtarchiv Mainz am 10. Oktober zum Pop-up-Museum. Dafür wurden Objekte, Fotos, Filme und Schriftquellen zum Jahr 1923 ausgestellt und die Geschichten dahinter in Kurzvorträgen vorgestellt.

Dazu gehörte nicht nur eine Einführung von Uwe Bergmann-Deppisch, sondern auch ein Vortrag über die „Ruhrkrise“ und den Prozess gegen Fritz Thyssen in Mainz von Dr. Frank Teske, Carola Boltes Vortrag über den Alltag in der Zeit der Hyperinflation sowie die Erläuterungen von Professor Wolfgang Dobras über das Mainzer Notgeld.