Bauernproteste in Mainz: Es geht um mehr als nur Diesel

Diese Woche sind Traktordemos durch ganz Deutschland gerollt, allein in Mainz gab es bereits zwei Veranstaltungen. Doch was steckt eigentlich hinter den Protesten? Die Hintergründe haben wir hier für euch zusammengefasst.

Bauernproteste in Mainz: Es geht um mehr als nur Diesel

Seit Dezember gehen immer mehr Landwirte auf die Straßen. In Mainz und Rheinhessen waren am Montag (8. Januar) die Autobahnen dicht, auch innerhalb der Stadt legten Traktorkolonnen den Verkehr lahm. Noch bis Freitag (12. Januar) ist eine Aktionswoche mit Protesten in ganz Deutschland geplant, am 15. Dezember soll eine Großkundgebung in Berlin stattfinden. Der Grund für die Proteste ist teurerer Diesel – aber das ist längst nicht alles.

Kürzungen bei Agrarsubventionen

Ausgelöst hat die Bauernproteste eine Sparmaßnahmen-Vereinbarung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) vom 15. Dezember 2023. Teil dieser Vereinbarung: Landwirte müssten nicht mehr gesenkte, sondern reguläre Steuern auf Agrardiesel zahlen und landwirtschaftliche Fahrzeuge wären nicht mehr von der Kfz-Steuer befreit.

Nach zahlreichen Protesten hat die Regierung diese Pläne am 4. Januar wieder geändert. Demnach sollen Landwirte doch keine Kfz-Steuer zahlen müssen, die Steuererleichterung für Agrardiesel soll aber weiterhin wegfallen – wenn auch nur schrittweise. 2023 erhielten Landwirte noch 21,48 Cent der Steuern pro Liter Diesel erstattet. 2024 sollen 40 Prozent der Entlastung wegfallen, ab 2026 soll es dann gar keine Diesel-Subventionen mehr geben.

Für den Deutschen Bauernverband (DBV) ist diese Korrektur jedoch nicht ausreichend. Nach dem Zurückrudern der Ampel-Regierung forderte der Verband Landwirte zu einer bundesweiten Protestwoche auf. „Dies kann nur ein erster Schritt sein“, sagt DBV-Präsident Joachim Rukwied in einem Statement vom 4. Januar. „Unsere Position bleibt unverändert: Beide Kürzungsvorschläge müssen vom Tisch.“

Wie sind die einzelnen Betriebe betroffen?

Wie stark sich die wegfallenden Subventionen tatsächlich auf die einzelnen Betriebe auswirken, dazu gehen die Zahlen auseinander. Laut „Tagesschau“, die sich auf Daten des Bundeslandwirtschaftsministeriums beruft, fallen mit dem Ende der Agrardiesel-Subventionen für einen landwirtschaftlichen Betrieb durchschnittlich 2900 Euro im Jahr weg. Mit der Kfz-Steuer zusammen wären es noch bis zu 5000 Euro gewesen.

Der SWR wiederum verweist auf eine Beispielrechnung des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, der zufolge bei einem 200-Hektar-Betrieb allein für den teureren Agrardiesel 5000 Euro Kosten im Jahr zusätzlich entstehen. Mit 200 Hektar läge ein solcher Betrieb allerdings auch deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 63 Hektar (Stand 2020). Der im „Spiegel“ zitierte Landwirt Elmar Hannen rechnet für seinen 100-Hektar-Betrieb sogar mit jährlichen Kürzungen von 10.000 bis 15.000 Euro, wenn die Agrardiesel-Subventionen wegfallen. „Davon gehen wir nicht zugrunde, aber der Spielraum wird enger.“

Das Preis-Problem

Kritiker werfen den Bauern vor, das Problem größer zu machen, als es sei. Trotz Abzügen bekommt ein landwirtschaftlicher Betrieb laut Tagesschau zukünftig etwa 40.000 Euro Subventionen im Jahr. Außerdem lagen die durchschnittlichen Gewinne im Wirtschaftsjahr 2021/22 dem Landwirtschaftsministerium zufolge bei 82.000 Euro pro Betrieb – fast doppelt so viel wie noch vor 20 Jahren. Auch die Aussage des DBV, dass die Subventionsstreichungen die Lebensmittel für den Verbraucher „deutlich verteuern“ würden, stimmt nicht ganz. Berechnungen des Onlinemagazins „Table Agrifood“ zufolge würden ein Kilogramm Weizenmehl oder ein Liter Milch um nicht einmal einen Cent teurer, wenn die Mehrkosten an die Verbraucher weitergegeben werden.

Das Problem: Ob ein Landwirt steigende Produktionskosten weitergeben kann, entscheidet nicht er selbst, sondern der Markt. Bei Kuhmilch sind es zum Beispiel die Molkereien, die den Landwirten die Preise vorgeben. Je nach Lage auf dem Markt können die Landwirte also hohe Gewinne machen – oder auch Verluste. Bei den schwankenden Preisen und Wetterbedingungen sind die Subventionen für viele Landwirte also die einzige zuverlässige Einnahmequelle. „Es geht hier ganz klar auch um die Zukunftsfähigkeit unserer Branche und um die Frage, ob heimische Lebensmittelerzeugung überhaupt noch gewünscht ist“, sagt DBV-Präsident Rukwied dazu.

Einige Bauern gegen Subventionen

Nicht alle Bauern nehmen jedoch an den Protesten teil, weil sie für den Erhalt der Subventionen kämpfen. Monika Tietke, ehemalige Landwirtin und Mitbegründerin der Traktordemos Ende der 1970er Jahre, sagt im Spiegel-Interview: „Jeder Bauer, egal ob Bio oder konventionell, würde liebend gern auf alle Subventionen verzichten – wenn es denn möglich wäre, mit der Landwirtschaft ein auskömmliches Familieneinkommen zu erzielen.“

Auch Vertreter der Jungen Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (Junge ABL) plädieren für ein System, in dem Bauern von ihren Erzeugnissen leben können und nicht mehr von Steuerbefreiungen abhängig sind. Dennoch sprechen sie sich für die Proteste aus – und gegen politische Grabenkämpfe. „Wir stehen hinter bäuerlichen Protesten, aber müssen derzeit zusehen, wie unsere Not von rechts instrumentalisiert wird“, heißt es in einem Video der Jungen ABL auf Instagram. „Wenn man jetzt ruft, ‘Die Ampel muss weg’, lenkt das nur ab von den letzten Jahrzehnten miserabler Agrarpolitik.“

Uneinigkeit in der Politik

In den Ampel-Parteien selbst sind die Kürzungen im Agrarhaushalt ebenfalls umstritten. Wie die Tagesschau berichtet, sprach sich Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schon frühzeitig dafür aus, die Streichungen zurückzunehmen, und äußerte Verständnis für die Bauernproteste. Auch aus der SPD gibt es Kritik an den Sparplänen der Bundesregierung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will jedoch an der Regelung festhalten.

Nicht nur im Bereich Landwirtschaft will die Bundesregierung im Jahr 2024 Sparmaßnahmen durchsetzen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 muss die Regierung etwa 17 Milliarden Euro einsparen. Das will sie unter anderem mit der Streichung von „klimaschädlichen Subventionen“ erreichen. Das Wegfallen der Agrardiesel- und Kfz-Steuervergünstigungen sollte rund 920 Millionen Euro einsparen.