Kaufhaus Lahnstein: Die Geschichte einer der angesehensten Adressen in Mainz

Viele Jahre lang befand sich auf dem Mainzer Gutenbergplatz eines der größten und beliebtesten Geschäfte der Stadt: das Kaufhaus Lahnstein. Die Familie, hoch angesehen, musste ihrer geliebten Stadt jedoch den Rücken kehren.

Kaufhaus Lahnstein: Die Geschichte einer der angesehensten Adressen in Mainz

Die Lahnsteins gehörten in Mainz zu den angesehensten und erfolgreichsten Kaufleuten – bis sie aus der Stadt vertrieben wurden. Jahrzehntelang gehörte ihnen eines der größten Einzelhandelsunternehmen der Stadt: das Kaufhaus Lahnstein direkt am Höfchen. Im August 1942 wurde das damals 112 Jahre alte Gebäude dann vollständig zerstört.

Julius Lahnstein hatte das Unternehmen für „Kurz-, Weiß- und Wollwaren“ im Jahr 1875 gegründet, gemeinsam mit Hermann Fröhlich. Das Geschäft lief gut, so dass Lahnstein im Lauf der Jahre das Sortiment stark erweiterte. Im Jahr 1927, als Julius Lahnstein starb, übernahm sein Sohn Carl die Geschäfte. „Das Kaufhaus war vier Stockwerke hoch, hier gab es Spielzeug, Kleider, Lebensmittel – alles, was man sich so vorstellen kann“, erklärt Henrik Drechsler vom „Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz“ bei einem Rundgang mit Merkurist. Der Historiker hat vor einigen Jahren über die Geschichte der Familie Lahnstein seine Masterarbeit geschrieben.

„Soziales Engagement in der Mainzer Bürgerschaft“

Vater wie Sohn waren vor allem wegen ihres „sozialen Engagements in der Mainzer Bürgerschaft“ hoch angesehen, so steht es auf der Gedenktafel vor dem heutigen Mainzer Staatstheater.

Mit der Machtübernahme der Nazis jedoch musste auch Carl Lahnstein einige Schmähungen und Anfeindungen ertragen. So wurde er als Jude aus dem Vorstand des FSV Mainz ausgeschlossen, nachdem der Verein im August 1933 die Satzung geändert hatte. Auch wurde ihm fälschlicherweise vorgeworfen, er habe mit der Separatistenbewegung sympathisiert. Diese forderte, dass die linksrheinischen Gebiete vom Reich losgelöst würden.

Im März 1933 rief die SA die Mainzer Bevölkerung zudem dazu auf, alle Geschäfte, die von jüdischen Inhabern geführt wurden, zu boykottieren. Dazu gehörten, außer dem Kaufhaus Lahnstein, etwa das Warenhaus Tietz (heutiger Kaufhof) sowie „Stubs Quelle“ in der Lotharstraße.

Im KZ misshandelt

In der Reichspogromnacht im November 1938 wurde das Kaufhaus Lahnstein von Randalierern überfallen und verwüstet. Carl Lahnstein kam in das Konzentrationslager Buchenwald. „Er wurde im KZ misshandelt und mehr oder weniger nur unter der Auflage freigelassen, dass er sofort das Land verlässt“, erklärt Drechsler. Nach rund sechs Wochen wurde er entlassen und entschloss, nicht nach Mainz zurückzukehren.

Gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter gelang Lahnstein über Frankreich, Spanien und Portugal die Flucht in die USA, wo die Familie letztendlich im Jahr 1941 ankam. 14 Mitglieder der Familie überlebten die NS-Zeit nicht.

Gebäude und Grundstück des Kaufhauses wurden von der Stadt anschließend zwangsversteigert, zu einem Preis, der weit unter dem eigentlichen Marktwert lag. Neue Besitzer waren Helene Boehringer aus Ingelheim und deren Angehörige. „Familie Boehringer wollte an dieser Stelle ein repräsentatives Bürogebäude in der Mainzer Innenstadt errichten“, so Drechsler. Nur wenige Jahre danach wurde das Haus aber bei einem Luftangriff zerstört.

Langer Wiedergutmachungsprozess mit Familie Boehringer

Im Alter von 67 Jahren starb Carl Lahnstein am 29. Dezember 1954 in New York, noch bevor das Wiedergutmachungsverfahren abgeschlossen war. „Familie Boehringer hatte sich recht lange dagegen gewehrt, dieses Grundstück zurückzugeben, obwohl es nur noch Trümmer waren“, sagt Drechsler.

Letztendlich verkaufte Tochter Anneliese das Grundstück an eine Mainzer Firma, nachdem der Prozess abgeschlossen war. „Zurückkommen nach Mainz wollte sie nicht mehr“, so Drechsler.

An der Stelle des damaligen Kaufhauses Lahnstein befindet sich heute eine Filiale der Parfümeriekette Douglas. Die Stele zum Gedenken an das zerstörte Kaufhaus am Gutenbergplatz 13 wurde im Jahr 2014 aufgestellt.