Sie sind kaum zu übersehen in Mainz: Ein riesiges Vogelbild an der Ecke Mittlere Bleiche / Zanggasse und eine frisch designte Fassade am Busdepot im Kaiser-Karl-Ring schmücken seit neuestem das Stadtbild. Gesprüht haben sie Niklas, Alex und Mario. Mit ihrer vor kurzem gegründeten Firma „Studio Lacks“ nehmen die drei seit 2021 kleine und große Aufträge im Stadtgebiet an.
Das Graffiti im Bleichenviertel sprühten sie von einem Gerüst freihand an die Wand. Nur eine Skizze, die zuvor selbst entworfen wurde, diente als Grundlage. Die Fassade des Busdepots zu besprühen dauerte, wenn man die Vorbereitungsphase nicht mitzählt, ganze sechs Tage. Der Preis für eine solche Arbeit variiert stark, je nachdem wie groß die Fläche ist, wie viele Vorgaben den Designprozess einschränken und wie viele der Künstler beteiligt sind.
Die Mainzer Mobilität zahlte für dieses Werk einen fünfstelligen Betrag. Als Auftraggeber ist das Verkehsunternehmen sehr aktiv in Mainz. Für Verschönerungen von Stromkästen oder Haltestellenbreiche werden regelmäßig Künstler kontaktiert. „Vielleicht ist es den Leuten gar nicht bewusst, aber ohne die Mainzer Mobilität würde es überall ganz anders aussehen,“ erzählt Mario. „Es braucht motivierte Personen, die das angehen und ausschreiben. Und genau die suchen wir auch, die sagen: ‘Wir geben euch Zugang zu Flächen’.“
„Studio Lacks“ arbeitet aber nicht nur für die Verkehrsbetriebe. Die Flächen und Auftraggeber können divers sein. „Wir sind ja nicht bei der Stadt angestellt. Es ist uns total egal, ob das privat oder ein Verein oder ein Jugendzentrum ist“, stellt Mario fest. Als Sprayer angefangen, haben die meisten privat. „Da sagt dir jemand: ‘Hey, ich hab hier eine Garage oder ein Weingut, und kannst du mal dies und das sprayen’“. Ob alte Wände in den Vororten oder neueröffnete Gebäude am Zollhafen: alle graue Wände sind potenzielle Ziele.
Business und Kunst
Nur umsonst gibt es die Kunstwerke nicht. Im Idealfall ist es ein Job, von dem die drei leben wollen. Im Moment arbeiten sie unter anderem als Tätowierer oder Designer. Mario leitet Workshops, in denen man erste Erfahrungen mit Sprühdosen sammeln kann. Für Graffitis wünscht er sich mehr legale Orte.
Das alte Rohrlager ist mit der einzige Platz in Mainz, an dem gesprüht werden kann. Das Letterbox-Kollektiv, über das zum Beispiel die Schnupperkurse laufen, trifft sich hier. In der Kaisertor-Initiative haben sich außer den Graffiti-Künstlern auch Skater und Basketballer zusammengetan. Sie fordern kreativen Freiraum und mehr Platz in der Stadt. Die Szene ist gut vernetzt. „Man kennt sich untereinander“, sagt Mario.
Mehr Platz weniger Kampf
Außerdem wehrt er sich dagegen, mit genehmigten Graffiti illegale Sprühereien zu verdecken. Stattdessen wirbt er für mehr Verständnis für die Kultur: „Wir sehen es nicht als Auftrag, die Leute aufzuklären. Aber es schwingt natürlich manchmal ein bisschen mit in den Gesprächen“, sagt Mario. Das Übersprühen von Graffiti ist für ihn im urbanen Raum keine Überraschung: „Es ist wirklich selten. Aber auch uns ist es schon passiert, dass jemand mit Edding oder Dose in ein Bild reingegangen ist“. Die drei Profis machen „kein Drama“ daraus, sondern bessern die Stellen einfach aus.
Legale Flächen seien zwar keine Lösung für Vandalismusprobleme, aber unabdingbar für die kreative Entfaltung. Das gelte für Einsteiger bis hin zu Szenegrößen. Wiesbaden sei in dieser Hinsicht Mainz weit voraus. Beim „Meeting of Styles“-Festival besprühen Künstler aus aller Welt große Wände am Brückenkopf in Kastel. Im Kulturzentrum Schlachthof wurden sogar extra Betonwände errichtet, um Sprayern Platz zu bieten.
In Mainz sind Wände, die legal besprüht werden dürfen, eher selten. „Wir freuen uns über jeden Stromkasten, aber vor allem über jedes größere Format, durch das die Stadt bunter wird“, sagt Mario.