An den Fastnachtstagen bekommt Dirk Zylla (52) immer besonders viele Nachrichten aus Mainz. 17 Jahre lang führte er mit dem „L’Arcade“ eine der beliebtesten Kneipen der Stadt. Vor allem die Fastnachtsfeiern waren legendär. „Die schönsten Tage waren immer der Altweiberdonnerstag und der Dienstag. Wir waren damals die einzigen, die noch am Dienstag richtig Party gemacht haben“, erzählt Zylla gegenüber Merkurist. Der Fastnachtsdienstag 2017 war für ihn auch der letzte Arbeitstag im „L’Arcade“. Zylla verkaufte das Lokal an seine Betriebsleiterin, im August 2019 schloss die Kultkneipe dann endgültig.
Als Merkurist vor kurzem über frühere Fastnachtskneipen berichtete, erinnerten sich viele User in den sozialen Medien wieder an die Feiern im „L’Arcade“ zurück. „Waren das geniale Partys mit dir im L‘Arcade“, schrieb etwa ein Leser an den früheren Chef gerichtet; „beste Kneipe, die es gab“, findet eine andere Leserin. Kommentare, die auch Dirk Zylla gelesen hat. „Das hat mich sehr gefreut und macht mich unheimlich stolz.“
Gerade von Altweiber bis Aschermittwoch, wenn die vielen Nachrichten aus Mainz kommen, denkt auch Zylla an die Zeit im „L’Arcade“ zurück. Doch was macht er heute?
Mission: Rettungshubschrauber für Kambodscha
Nachdem er die Kneipe verkauft hatte, wanderte Zylla nach Kambodscha aus. Zunächst arbeitete er dort für eine deutsche Brauerei. „Es lief auch gut, aber dann kam Corona.“ In Kambodscha sei das besonders schwierig gewesen. „Hier gibt es nicht so ein Sozialsystem wie in Deutschland, hier hilft dir keine Regierung. Wenn du nicht arbeitest, bekommt du einfach kein Geld.“
Doch mitten in der Pandemie, vor etwa eineinhalb Jahren, sei ein Gespräch mit zwei Freunden die Wende gewesen: „Jake, Chris und ich saßen eines Abends zusammen und plötzlich kam das Thema auf: ‘Hier gibt es gar keine Rettungshubschrauber.’“ Wie Zylla sagt, sei Kambodscha das einzige Land ohne Rettungshubschrauber. „Viele Leute sterben deshalb unnötig. Sie haben einen Unfall und kommen nicht schnell genug ins Krankenhaus.“ Die Freunde entschieden damals: Das müssen wir ändern.
Hilfe vom Deutschen Roten Kreuz
Nun, eineinhalb Jahre später, ist das Ziel fast erreicht. Ein Hubschrauber aus Südafrika soll in etwa drei Monaten in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh zum Einsatz kommen. Danach sollen noch zwei weitere Hubschrauber folgen. Zylla arbeitet mittlerweile für die „Royal Group“, ist als „Medical Flight Director“ für den medizinischen Bereich verantwortlich. In den letzten Monaten habe er jedes größere Krankenhaus des Landes abgeklappert, um Kooperationsverträge auszuhandeln.
Für Zylla war das Thema Rettung nicht neu: „Ich kam 1991 nach Mainz, um die Ausbildung zum Rettungsassistenten zu machen.“ Zur Gastronomie sei er dann eher zufällig gekommen. Vorher arbeitete er jahrelang für das Deutsche Rote Kreuz. Von diesem bekam er nun auch Unterstützung: Jörg Steinheimer, der Geschäftsführer des DRK-Rettungsdienstes Rheinhessen-Nahe, spendete unter anderem EKGs und Sauerstoffgeräte nach Kambodscha.
Lustige Geschichten aus dem „L’Arcade“
In Kambodscha ist Zylla also voll ausgelastet, eine feste Rückkehr nach Mainz werde es daher nicht geben. Auch wenn er vor allem an den Fastnachtstagen die Stadt und die Leute vermisse. „Ich möchte mich nochmal bei meinen Gästen und vor allem bei meinem früheren Team für die besondere Zeit bedanken. Ohne mein Team hätte ich niemals so lange durchgehalten.“
Auch an die lustigen Geschichten aus dem „L’Arcade“ erinnert sich Zylla gerne zurück. Gerade an Fastnacht sei es wild zugegangen. „Du machst am Rosenmontag den Laden um 4 Uhr dicht, fängst an aufzuräumen und dann siehst du erst mal fünf Kondome vorm Tresen – alle voll.“ Einem Gast sei einmal das Gebiss rausgefallen und hinter dem Tresen gelandet. „Alle treten drauf rum, auf dem Boden schwimmt Bier. Dann hebt unsere Bedienung das Gebiss auf, gibt es dem Gast zurück – und der steckt es sich direkt wieder in den Mund. Wir haben uns kaputtgelacht.“
Unter den Gästen im „L’Arcade“ waren auch immer wieder Mainz-05-Profis, allen voran natürlich Guido Schäfer. „Auch Fabrizio Hayer oder Bo Svensson haben bei uns hinterm Tresen gefeiert. Wir hatten so viel Spaß.“ Guten Kontakt habe Zylla auch heute noch zu Jürgen und Ulla Klopp.
Klopp: „Spiel’s nochmal!“
Klopp hatte auch einen Anteil daran, dass „Im Schatten des Doms“ von Thomas Neger zum großen Hit wurde. Zylla erzählt: „Ich hatte eines Tages zufällig eine CD von Thomas Neger in der Hand und am Ende lief dieses Lied. Ich dachte nur: Wow.“ Seitdem habe er „Im Schatten des Doms“ immer als letzten Song im Lokal gespielt. „Irgendwann hat es Kloppo gehört und fand es total geil. ‘Spiel’s nochmal, spiel’s nochmal, spiel’s nochmal.’ Später hat er dafür gesorgt, dass es in der Arena gespielt wird. Wie oft habe ich das Lied mit Klopp und Heidel im Lokal gegrölt.“
Eines Tages sei plötzlich Thomas Neger im „L’Arcade“ gestanden und habe den Chef sprechen wollen. „Wir kannten uns noch nicht. Ich dachte nur: Oho, was ist jetzt los? Gibt es Ärger?“. Der Grund für Negers Besuch war ein anderer. „Er sagte nur: ‘Ich möchte mich herzlich bei dir bedanken, dass du das Lied so populär gemacht hast.’“
Auf die Entwicklung in der Mainzer Gastronomie blickt der frühere Wirt allerdings mit Sorge. Zylla sagt: „Es tut im Herzen weh, wenn ich sehe, wie viele gute alte Kneipen kaputtgegangen sind.“