Wie sich bei Mainz 05 der Frauenfußball (wieder) etabliert

Nach 50 Jahren hat Mainz 05 wieder ein Frauenteam. Warum die Mainzerinnen trotz Meisterschaft nicht aufsteigen und welche Hürden der Frauenfußball nehmen musste, erklärt unser Gastautor Christoph Kessel.

Wie sich bei Mainz 05 der Frauenfußball (wieder) etabliert

Wer es mit dem 1. FSV Mainz 05 hält, dem fallen sicherlich Jürgen Klopp, vielleicht auch Dimo Wache und Marco Rose ein. Unweigerlich verbindet man den bekanntesten Sportverein der Stadt, der auch eine Handball- und Tischtennisabteilung hat, mit dem Männerfußball. Schließlich ist der Fußball der Dreh- und Angelpunkt des Clubs. Vor der jetzt zu Ende gegangenen Saison geschah etwas Historisches, als Mainz 05 wieder ein Frauenteam an den Start schickte. Wieder, weil es bereits vor 50 Jahren eine Frauenmannschaft gab, die angeblich wegen mangelnden Interesses ihren Spielbetrieb im Dezember 1973 rasch wieder einstellte. Zehn Jahre zuvor wurde die Männer-Bundesliga gegründet, deren operatives Geschäft seit 2001 von der Deutschen Fußball Liga (DFL) verantwortet wird. In der Lizenzierungsordnung der DFL wird mittlerweile verlangt, dass die teilnehmenden Vereine den Frauenfußball fördern, einen Beitrag zu seiner Professionalisierung und zur Steigerung seiner Beliebtheit leisten. Dies kann über das Melden einer eigenen Mannschaft oder über eine Kooperationsvereinbarung mit einem Club geschehen, der eine Frauenfußballabteilung unterhält.

Eine solche Kooperation ist Mainz 05 im April 2022 mit dem TSV Schott Mainz eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war Mainz 05 der letzte Verein der damaligen Männer-Bundesligisten, der weder eine Kooperation vorzuweisen noch ein eigenes Frauenteam am Start hatte. Ob Mainz 05 tatsächlich für die Spielzeit 2022/2023 keine Lizenz für das Männerprofiteam erhalten hätte, ist reine Spekulation, da die Verpflichtung, den Frauenfußball zu fördern, ein so genanntes B-Kriterium ist, das nicht unbedingt erfüllt werden muss. Es ist allerdings stark anzunehmen, dass die Verantwortlichen bei Mainz 05 kein Interesse daran hatten, als einziges Team der Männer-Bundesliga den Frauenfußball in der eigenen Stadt nicht zu fördern.

Unangefochten Meisterinnen in der Regionalliga

Traten die Spielerinnen in der Saison 2022/2023 noch als TSV Schott Mainz an und verpassten den Aufstieg durch Platz 3 in der drittklassigen Regionalliga Südwest, wurden sie am 1. Juli 2023 als 05erinnen in den FSV Mainz 05 integriert. Während die Männerprofimannschaft in der jetzt abgelaufenen Saison in der 1. Bundesliga angetreten ist und lange um den Klassenerhalt bangen musste, war die Konstellation bei den Frauen eine gänzlich andere. Sie eilten in der Regionalliga von Sieg zu Sieg und arbeiteten oder studierten nebenher. Am Ende wurden die 05erinnen mit 20 Siegen und einem Unentschieden bei 22 Spielen unangefochten Meisterinnen in der Frauen-Regionalliga Südwest. Das Torverhältnis von +85 und die 8 Punkte Abstand zu den Zweitplatzierten spiegelt die Dominanz nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der Statistik wider. Und dennoch stiegen die 05erinnen nicht in die 2. Frauen-Bundesliga auf.

Der Fußball-Regional-Verband Südwest ist einer der fünf Regional-Verbände des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Jeder dieser fünf Regional-Verbände organsiert den Spielbetrieb in einer eigenen Regionalliga. Allerdings dürfen nur drei Mannschaften aufsteigen, so dass von den fünf Meisterinnen nur drei tatsächlich in den Genuss des Aufstiegs kommen. Die Meistermannschaft des größten Regional-Verbands Süd steigt direkt auf, während die anderen vier Teams in jeweils zwei Entscheidungsspielen die anderen beiden Aufsteiger unter sich ausmachen. Die 05erinnen verloren ihre beiden Spiele gegen das Team des VfL Bochum, die Meisterinnen der Regionalliga West. Damit werden die 05erinnen auch in der kommenden Spielzeit wieder in der Regionalliga antreten.

Frauenfußball in den 50er-Jahren verboten

Dass Meister-Teams nicht aufsteigen, ist mit der Logik einer ausgespielten Meisterschaft in unterklassigen Ligen nicht zu vereinbaren. Durch die am 23. Juni 2024 vom DFB beschlossene Aufstockung der 1. Frauen-Bundesliga von 12 auf 14 Teams, werden in der kommenden Saison einmalig alle fünf Meisterteams in die 2. Bundesliga aufsteigen. Obwohl im Fußball sonst schnell Vieles kritisiert wird, fehlt diesbezüglich der Druck von außen, der für eine grundlegende Änderung der Regularien sorgen könnte. Denn der Frauenfußball hat längst nicht den Stellenwert des Männerfußballs. Dafür ist zum Großteil der DFB verantwortlich. Schließlich beschloss der DFB-Bundestag am 30. Juli 1955, es seinen Vereinen zu verbieten, „Damenfußball-Abteilungen zu gründen oder bei sich aufzunehmen“, da dies „unästhetisch“ sei.

Die Frauen ließen sich vom Verband das Fußballspielen allerdings nicht nehmen. 1957 kamen in München zu einem Spiel der deutschen und der niederländischen Auswahl der Frauen 17 000 Fans, und die anwesende Presse kritisierte den DFB für seine Haltung. „Unästhetisch, nein, so wirkte das ganz und gar nicht“ schrieb etwa der Kicker. Trotzdem wurde das Verbot erst am 31. Oktober 1970 gekippt, nachdem die Frauen planten, einen eigenen Verband zu gründen. Zu dieser Zeit existierte die Männer-Bundesliga schon seit sieben Jahren. Und natürlich liegt es in der Hand des DFB, eine Regelung zu finden, dass Meister-Teams nach einer langen Saison aufsteigen, so wie es beim Übergang der 3. in die 2. Liga bei den Männern ebenfalls der Fall ist.

Mainz-05-Frauen wechseln an den Bruchweg

Während sich der Männerfußball seit der Gründung der Fußballbundesliga Jahr für Jahr professionalisierte, musste der Frauenfußball in den 1970er Jahren bei Null anfangen. Laut Frankfurter Rundschau kamen die deutschen Nationalspielerinnen 2022 auf ein Durchschnittsgehalt von 43 670 Euro, wohingegen die Männer im Schnitt knapp über zehn Millionen Euro im Jahr verdienten. 1974, Mainz 05 hatte seine Frauenfußballabteilung gerade wieder abgemeldet, und die Männernationalmannschaft wurde zum zweiten Mal Weltmeister, wurden die Frauen des TuS Wörrstadt die ersten deutschen Meisterinnen überhaupt – im Mainzer Bruchwegstadion gegen Eintracht Erle.

So wird sich in der kommenden Saison der Kreis schließen, da die 05erinnen, die bisher auf dem Kunstrasenplatz des TSV Schott ihre Heimspiele austrugen, nun direkt im Herzen des Vereins im Stadion am Bruchweg antreten und um den Aufstieg kämpfen werden.

Auch bei den berühmten Mainz-05-Persönlichkeiten um Klopp, Wache und Rose klappte es mit dem Aufstieg bekanntlich erst im dritten Anlauf. Vielleicht werden in der kommenden Saison aber schon manche Fans Mainz 05 auch mit Spielerinnen wie Cecilia Way in Verbindung bringen, die nach 50 Jahren das erste Tor im Mainz-05-Frauenfußball schoss und in der abgelaufenen Saison Torschützinnenkönigin der Regionalliga Südwest wurde. Das Banner „Meisterinnen müssen aufsteigen“ haben die Fans bereits in dieser Saison angefertigt und zu den Aufstiegsspielen gegen Bochum mitgebracht. Das Aufstiegsspiel war ausverkauft, so dass in Zukunft die Chancen gut stehen, dass viele Fans des FSV sowohl die Männer als auch die Frauen im Stadion unterstützen und vielleicht nächstes Jahr der ersehnte Aufstieg des Frauenteams gefeiert und das Banner eingemottet werden kann.