Wie Fußballspiele und Biodiversität zusammenpassen

Mainz 05 und der Naturschutzbund NABU arbeiten seit diesem Jahr eng zusammen. Warum Biodiversität und Fußball ziemlich gut zusammenpassen, erklärt unser Gastautor Christoph Kessel.

Wie Fußballspiele und Biodiversität zusammenpassen

Im Rahmen des „Klimaverteidiger“-Spieltags gegen Borussia Mönchengladbach am letzten Oktoberfreitag bot der 1. FSV Mainz 05 Interessierten eine Führung mit dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) rund um die Arena in den Bretzenheimer Feldern an. Diese Möglichkeit, einmal mehr über die Flora und Fauna zu erfahren, die sich seit der Einweihung des Stadions im Jahre 2011 angesiedelt hat, wurde gut angenommen. Mit 25 Leuten war die kostenlose Führung zum Thema „artenreiches Stadiongelände“ ausgebucht.

Bereits seit Mai dieses Jahres ist der 1. FSV Mainz 05 NABU-Mitglied. Die Führung über das Stadiongelände ist Teil einer Partnerschaft zwischen beiden eingetragenen Vereinen. So sollen zum einen gemeinsame Umweltbildungsprojekte wie diese Führung realisiert werden. Zum anderen erhält der NABU Geld von Mainz 05 für den Kauf von Flächen zur Renaturierung und Biotoppflege in Rheinhessen. Für das abgelaufene Geschäftsjahr 2023/2024 beläuft sich der Betrag auf 23.000 Euro zuzüglich eines jährlichen Mitgliedbeitrags in Höhe von 1905 Euro.

Erhalt von Biodiversität wichtig für Menschen

Gemäß Weltbiodiversitätsrat IPBES sind oder werden in den nächsten Jahrzehnten eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sein. Die Überausbeutung ist nach der Zerstörung der Lebensräume die zweitgrößte Bedrohung für die Arten noch vor dem Klimawandel, der Umweltverschmutzung und der Existenz invasiver Arten. Daher ist der Erhalt beziehungsweise die Stärkung der Biodiversität wichtig, auch um den Bestand der Menschheit zu sichern.

Geleitet wurde die sachkundige Führung von Christian Henkes, dem Vorsitzenden der NABU-Ortsgruppe Mainz und Umgebung. Durch den Bau des Stadions in die Bretzenheimer Felder wurde erst im Alltag, sprich an den Spieltagen realisiert, wie zugig es im Stadion werden kann, wenn ein starker Wind weht. Daher wurden die Ecken mit riesigen Glaswänden versehen. Allerdings nehmen Vögel Glas nicht wahr und glauben, hindurchfliegen zu können. Allein in Deutschland sterben jedes Jahr 100 Millionen Vögel an den Folgen eines Zusammenstoßes mit Glas – das sind etwa 5 Prozent der gesamten Vogelpopulation.

Mainz 05 hat daher schnell reagiert und eine Spezialfolie mit Markierungselementen in Form horizontaler Streifen auf die Scheiben geklebt. Dabei wurde die so genannte Handflächenregel angewendet. Sie besagt, dass die Abstände zwischen den Markierungselementen nicht größer als eine Handfläche breit sein sollen, damit die Vögel nicht versuchen, durch die vermeintliche Lücke zu fliegen. Die bei Hausbesitzenden beliebten Aufkleber mit schwarzen Vögeln sind nach Aussage von Christan Henkes wirkungslos. Die Vögel erkennen schnell, dass es sich nicht um richtige Vögel handelt, und fliegen gegen die Scheibe. Der NABU gibt auf seiner Webseite hilfreiche Tipps für zu Hause, damit die Scheiben nicht zur Vogelfalle werden. Seitdem die Folien auf den Glasflächen an den Stadionecken angebracht wurden, ist der Vogelschlag am Stadion stark zurückgegangen.

Schwalben nisten an der Arena

Wenige Meter neben dem nordöstlichen Stadioneingang bietet die steil nach oben ragende Tribüne ideale „Wohnbedingungen“ für Mehlschwalben. Diese Betonkonstruktion ist aus Sicht der Vögel ein künstliches Gebirge, in dem es sich perfekt nisten lässt. Schließlich sind die meisten Feldwege rund um die Arena noch nicht asphaltiert. Hier finden die Schwalben genug Lehm, um damit in den Ecken der Tribüne bauen zu können. Mittlerweile befinden sich mehr als 80 Nester über die Tribünen verteilt. Anders als in anderen Teilen der Stadt, gibt es hier noch genügend „Baugrund“, so dass sich die Population in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch erhöhen wird. Das „Wohngebiet“ an der Arena ist bereits heute die zweitgrößte Mehlschwalbenkolonie der Stadt hinter einem Standort im Mombacher Industriegebiet.

Der Lärm durch die Fußballspiele, die „naturgemäß“ im Stadion stattfinden, scheint die Schwalben nicht zu stören. Vielmehr schätzen es die Schwalben, dass hinter dem Fahrradparkplatz am Ostende des Areals ein Regenrückhaltebecken gebaut wurde, um den Stadionbereich zu entwässern. Dieses Gewässer bietet die Lebensgrundlage für zahlreiche Insekten, die die ideale Nahrung für die Schwalben sind.

Bäume am Stadion gepflanzt

Vor dem Stadion befindet sich ein großer Parkplatz. Lediglich die ersten zwei Reihen, die auch in der Woche von Autofahrenden genutzt werden, wurden versiegelt. In den weiteren Parkreihen, die nur an den Spieltagen genutzt werden, wurden Wiesen mit Sträuchern und kleinen Bäumen angelegt. Die Pflanzen, die dort gedeihen, sind die Nahrungsgrundlage für die Insekten. Glücklicherweise befinden sich im Stadionumfeld kaum invasive Arten wie der Kirschlorbeer, der heimische Pflanzen verdrängt. Christian Henke rät dazu, heimische Wildsträucher zu pflanzen. Dazu zählen zum Beispiel Felsenbirne, Weißdorn oder Schlehe.

Dadurch dass das Stadion in der Kaltluftschneise am Mainzer Stadtrand liegt, wurde es um fünf Meter tiefer gelegt. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Frischluftzufuhr nicht gestört wird. Es entstanden viele Böschungen rund um die Stadionzufahrt vom Europakreisel aus. Diese Böschungen bieten vielen Tieren Schutz und Nistmöglichkeiten. War bis zum Bau des Stadions dieses Areal rein landwirtschaftliche Nutzfläche, so ist durch den Stadionbau eine Strukturvielfalt aus Wiese, Böschung, Feuchtgebiet und Bäumen entstanden. Diese führte mit der Zeit zu mehr Biodiversität und sollte als Beispiel dienen, wie mit wenigen relativ einfachen Maßnahmen Betriebsflächen so gestaltet werden können, dass die Biodiversität nicht nur erhalten, sondern gestärkt wird. Mainz 05 geht insgesamt damit als gutes Vorbild voran.