Obwohl sich im Männer-Profifußball nahezu alles ums Geld dreht, sind es doch meist Spieler, Trainer, deren Taktik sowie Erfolge und Misserfolge, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Die Finanzen der Bundesliga-Clubs werden meist als unumstößlicher Fakt akzeptiert, wenn sie überhaupt zur Kenntnis genommen werden. Dabei stehen und fallen ein Kader und ein Trainerteam mit den jeweils vorhandenen finanziellen Möglichkeiten. Das Männer-Profi-Team des 1. FSV Mainz 05 spielt seit nunmehr 15 Jahren ununterbrochen in der 1. Fußball-Bundesliga. Natürlich lag es schlussendlich an den Spielern und den Trainern, dass die Klasse jede Saison gehalten wurde. Dass die Protagonisten in Mainz ihren Job verrichten, hängt aber mehr oder weniger direkt mit der finanziellen Situation des Clubs zusammen. Daher soll diese Situation einmal näher beleuchtet werden.
Im Mai 2019 veröffentlichte die Deutsche Fußball Liga (DFL), in der alle Clubs der 1. und 2. Männer-Bundesliga vertreten sind, erstmals Finanzkennzahlen ihrer Mitglieder. Diese Entscheidung geht zurück auf den Beschluss der Mitgliederversammlung Ende 2018. Seither ist es möglich, die finanzielle Situation der Clubs miteinander zu vergleichen und seit 2020 auch die Entwicklung der Clubs im Vergleich zum Vorjahr nachzuverfolgen.
Lasche Vorgaben der DFL
Da sich die Clubs untereinander in einem Wettbewerb befinden und sich die DFL auf die Fahnen geschrieben hat, nachhaltiger zu agieren, wäre es naheliegend, wenn auch die finanzielle Nachhaltigkeit Teil der Lizenzierungsordnung wäre. Allerdings findet sich aktuell nur ein Passus zu negativem Eigenkapital, der im schlimmsten Fall eine Vertragsstrafe vorsieht. Erst ab der Saison 2025/2026 kann es zu Punktabzügen in der Liga kommen. Ansonsten fordert die DFL vor einer Spielzeit lediglich einen Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Sie möchte damit sicherstellen, dass der Spielbetrieb nicht gefährdet wird. Wie ein Club finanziell agiert, spielt ansonsten keine Rolle, so lange die 50+1-Regelung gilt, die besagt, dass der Verein immer 50 Prozent plus eine Stimme hat und Investoren keine Stimmenmehrheit haben.
Diese laschen Vorgaben führen dazu, dass finanzielles Fairplay in der Bundesliga aktuell ein Fremdwort ist. Das lässt sich anhand der Finanzkennzahlen, die die DFL jährlich publiziert, schon daran erkennen, dass sich beim Eigenkapital von Bayer 04 Leverkusen und vom VfL Wolfsburg von Jahr zu Jahr keine Veränderungen ergeben. Verluste werden von den im Hintergrund agierenden Konzernen ausgeglichen und Gewinne, sofern sie erwirtschaftet werden, eingestrichen. Dass ein Club wie RB Leipzig eine Eigenkapitalspritze von 100 Millionen Euro erhält, ist ebenfalls DFL-Richtlinien-konform.
Von solchen Szenarien kann der 1. FSV Mainz 05 nur träumen. Gerade in der aktuellen Situation, in der es ungewiss ist, ob zwei zum aktuellen Kader gehörende Profis, je (wieder) für Mainz 05 auf Torejagd gehen, macht es natürlich einen großen Unterschied, ob Gehälter und Ablösesummen im schlimmsten Fall von Dritten übernommen werden oder nicht. Da dies im Falle von Mainz 05 nicht der Fall ist, lohnt es sich erst recht, die Finanzkennzahlen des Clubs zu analysieren.
Hier schneidet Mainz hervorragend ab
Um zu erkennen, ob ein Unternehmen, worum es sich bei Profifußballvereinen handelt, finanziell nachhaltig agiert, können die von der DFL publizierten Finanzkennzahlen in Relation gesetzt werden. Zwar lassen sich bereits mit den Zahlen aus der Bilanz erste Rückschlüsse ziehen, wie das Beispiel des Eigenkapitals zeigt. Doch erst das Verhältnis verschiedener Posten in der Bilanz zeigt, wie es finanziell tatsächlich um ein Unternehmen bestellt ist. Aus den von der DFL bereit gestellten Finanzkennzahlen Anlagevermögen, Eigenkapital, Verbindlichkeiten, Bilanzsumme, Personalkosten und Rohergebnis (als Umsatz genutzt) lassen sich vier so genannte Key Performance Indicators (KPIs – zu Deutsch Leistungskennzahlen) herleiten. Zu den vier KPIs gibt es Werte, die allgemein anerkannt als finanziell nachhaltig gelten.
Finanzielle Stabilität lässt sich beispielsweise mit Hilfe des KPI Anlagendeckungsgrads messen, der über 60 Prozent liegen sollte. Der KPI Eigenkapitalquote zeigt, wie finanziell gesund ein Unternehmen ist. Sie sollte mindestens 20 Prozent betragen. Der KPI Personalaufwandsquote legt die Arbeitsintensität des Vereins dar. Da der Profifußball eine personalintensive Branche ist, gelten Werte von 60 bis 70 Prozent als angemessen. Mit Hilfe des KPI Verschuldungsgrad lässt sich die Abhängigkeit des Vereins ermitteln. Es wird empfohlen, dass das Verhältnis zwischen Fremdkapital und Eigenkapital höchstens 2:1 ist, was einem Verschuldungsgrad von 200 Prozent entspricht.
Zuletzt hat die DFL Ende Mai die Finanzkennzahlen für das Geschäftsjahr 2023 publiziert, so auch die des 1. FSV Mainz 05. Zwar sind das Eigenkapital um 6 Prozent und das Anlagevermögen um 2 Prozent gesunken. Dennoch ergibt sich mit 121 Prozent daraus ein hervorragender KPI Anlagendeckungsgrad bei Mainz 05. Steine und Beine des Vereins, also alle „Gegenstände“, die dauerhaft dem Geschäftsbetrieb dienen, sind komplett eigenfinanziert. Dies gelang im Geschäftsjahr 2023 nur drei weiteren Clubs der 1. Liga der abgelaufenen Saison.
Mainz 05 schuldenfrei
Um den KPI Eigenkapitalquote zu ermitteln, ist ein Blick auf die Bilanzsumme notwendig. Sie spiegelt grob gesagt die Größe eines Unternehmens wider. Sie ist im Geschäftsjahr 2023 bei Mainz 05 um 1 Prozent gestiegen. Damit liegt Mainz 05 auf Platz 14 der Bundesligaclubs. Groß bedeutet allerdings nicht solide, stark oder solvent. Dies lässt sich aus dem Verhältnis Eigenkapital zu Bilanzsumme ermitteln. Und da liegt der 1. FSV Mainz 05 mit 55 Prozent auf Platz 5.
Ob Geld Tore schießt, kann der KPI Personalaufwandsquote zwar nicht direkt ermitteln. Aber in der Regel sollte ein kostenintensiver Spielerkader dafür sorgen, dass der Club erfolgreich ist und damit entsprechend hohe Umsätze generiert werden. Die DFL publiziert keine Umsätze, sondern Rohergebnisse, die allerdings zu einem Großteil aus dem Umsatz entstehen. So lässt sich aus dem Verhältnis Personalaufwand zu Umsatz der KPI Personalaufwandsquote ermitteln. Mainz 05 hatte 2023 den sechstniedrigsten Personalaufwand (Platz 12). Beim Rohergebnis lag der Club auf Platz 13. Die Personalaufwandsquote ist mit 48 Prozent in Ordnung. Damit belegt der Club Platz 7. Dieser KPI ist der einzige, bei dem alle Bundesligisten 2023 akzeptable Werte erzielt haben.
Das sieht beim Verschuldungsgrad ganz anders aus. Dieser KPI wird aus dem Verhältnis Fremdkapital zu Eigenkapital gebildet. Mainz 05 hat das zweitniedrigste Fremdkapital 2023 ausgewiesen. Damit gehört der Verein mit einem Verschuldungsgrad in Höhe von 77 Prozent (Platz 7) zu den sieben Clubs, die schuldenfrei sind, bei denen also das Eigenkapital höher als das Fremdkapital ist.
Seriöses Wirtschaften
Eben jene sieben Clubs sind es auch, die alle vier genannten Kriterien erfüllen, wenn es darum geht, finanziell nachhaltig zu wirtschaften. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass elf Clubs finanziell mehr oder weniger große Probleme haben, trotz horrender Einnahmen durch die TV-Vermarktung.
Vergleicht man die Zahlen des Geschäftsjahrs 2023 mit den Zahlen der Vorjahre, insbesondere auch mit den Zahlen von 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie, lässt sich feststellen, dass Mainz 05 seit Jahren finanziell seriös wirtschaftet. Dies war sicherlich ein Garant dafür, dass der Verein in diesem Jahr seine 15-jährige Dauerpräsenz in der Bundesliga feiern darf und dass die Perspektive für die nächste Saison trotz der möglichen Ausfälle zweier Spieler und der damit verbundenen finanziellen Unwägbarkeiten durchaus positiv ausfallen sollte.
Über den Autor
Christoph Kessel ist in Mainz geboren und betreibt den Reise- und Fußball-Blog „Meenzer on Tour“ seit 2009. Der passionierte Mainz 05-Fan hat 2022 sein viertes Buch „Nachhaltigkeit würde der Liga guttun“ veröffentlicht.