Als die NPD vor der alten Universität eine Kundgebung veranstaltete, waren viele Hundert Mainzer auf den Beinen, um den braunen Hetzern die Rote Karte zu zeigen. Mainz präsentiert sich als weltoffene, tolerante Stadt. Die Sommerschwüle oder das „Open Ohr“ sind Orte, wo Rassismus und Faschismus keinen Platz haben.
Anders sieht es leider seit Jahren beim Interkulturellen Fest und auch im Beirat für Migration und Integration aus: Dort können sich Rechtsradikale und Intolerante unter dem Deckmantel der „vielfältigen Kultur“ unbehelligt austoben. Schon vor fast einem Jahrzehnt gab es immer wieder Konflikte mit türkischen Rechtsradikalen und Anhängern des Erdogan-Regimes. Kurdinnen und Kurden, die offen ihre Kultur zeigen wollten, wurden diffamiert und eingeschüchtert. So war die kurdische Flagge immer wieder ein „rotes Tuch“ für nationalistische Türken und die Stadt beugte sich dem, indem das Hissen der Flagge unterbunden wurde. Bis heute rühmt sich die Stadt, gewissen kurdischen Gruppen keine Standgenehmigung erteilt zu haben. Schon damals wurden Kurdinnen und Kurden pauschal als „PKK“ oder „Terroristen“ durch türkische Nationalisten diffamiert. Das fruchtete.
„Wolfsgruß steht für Hass“
Heute sehen wir das Ergebnis dieser städtischen Anbiederung und dieses Kuschelns mit den Feinden einer freien und offenen Gesellschaft: Auf dem Interkulturellen Fest haben Anhänger der Grauen Wölfe den faschistischen Wolfsgruß mehrfach offen gezeigt und für Fotos stolz mit dieser Geste posiert. Der Gruß steht für Hass auf Minderheiten, Hass auf Juden, Hass auf Christen, Hass auf Kurden, Hass auf Jesiden, Hass auf Armenier, Hass auf Griechen, Hass auf Aramäer, Hass auf Araber, Hass auf queere Menschen, Hass auf Demokratie, Hass auf Toleranz – kurzum: für Hass auf alles, was nicht der Vorstellung der türkischen „Herrenrasse“ entspricht. Unter diesem Gruß wurden und werden tausende Menschen brutal ermordet und hunderttausende verfolgt. Bei den jüngeren Pogromen gegen Syrer in der Türkei wurde der Wolfsgruß gezeigt, bei Kriegsverbrechen gegen Kurden in Rojava (Nordsyrien) wurde – und wird weiterhin – der Wolfsgruß gezeigt. Es ist ein Symbol der grenzenlosen Verachtung und der Einschüchterung. Die Behauptung, der Wolfsgruß sei ein altes Symbol des Turkvolkes und seit Jahrhunderten Teil der türkischen Identität, ist frei erfunden. Eine freche Lüge.
Der Wolfsgruß stand immer nur für eines: Hass, Hass und nochmals Hass.
Haase hat die Chance, Machtwort zu sprechen
Stöbert man auf der Instagram-Seite der Mainzer „Turk Federasyon“, stellt man schnell fest, dass hier auf zahlreichen Fotos seit Jahren schon der Wolfsgruß gezeigt wird und dem großen Adolf-Hitler-Verehrer Alparslan Türkeş gehuldigt (Instagram-Kanal mittlerweile inaktiv, Screenshots liegen der Redaktion vor). Auch dies hat die Stadt Mainz geflissentlich ignoriert. Oberbürgermeister Nino Haase dafür jetzt die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist zu billig; er hat diesbezüglich die schwerwiegenden Versäumnisse seiner Vorgänger geerbt – von Weyel über Beutel bis Ebling. Keiner von ihnen hatte anscheinend ein Problem mit türkischen Faschisten.
Allerdings hat OB Haase jetzt die Chance, ein Machtwort zu sprechen und zu beweisen, dass Weltoffenheit und Toleranz in Mainz nicht nur Lippenbekenntnisse sind, sondern dass die Stadt entschlossen ist, diese Werte zu verteidigen. Deshalb darf nächstes Jahr – vor allem auf dem Interkulturellen Fest – kein Platz mehr für Faschisten und Rassisten sein.
Über Tobias Huch
Freunde bezeichnen den Journalisten und Flüchtlingshelfer Tobias Huch als „Hans Dampf in allen Gassen“ und manchmal auf „Krawall gebürstet“. Mehrere Tassen Espresso sind meist in seiner Nähe, wenn der Nachtmensch und Buchautor (www.KurdistanBuch.de) durcharbeitet.
Auch, wenn er in Deutschland mittlerweile zu den Experten der Außen- und Sicherheitspolitik (Naher- und Mittlerer Osten) gezählt wird, schlägt sein Herz weiterhin für die Kommunalpolitik. Als gebürtiger Mainzer hat er sich fast zwei Jahrzehnte für die FDP in seiner Heimatstadt ehrenamtlich eingebracht und verliert daher seine alte Wirkungsstätte nie aus dem Blick.