Subventionen oder faire Preise – was ist der nachhaltigere Weg?

Plötzlich stand Matthias Willenbacher* in Handschellen auf dem Bürgersteig. Wie es dazu kam und was das mit der Bauerndemo in Mainz zu tun hat, erzählt er in einem Gastbeitrag.

Subventionen oder faire Preise – was ist der nachhaltigere Weg?

Am heutigen Montag haben in ganz Deutschland wieder Landwirte gegen wegfallende Subventionen demonstriert. Dabei geht es vor allem um den Agrardiesel. In sozialen Medien wie X, Facebook oder Instagram sind die Reaktionen durchaus positiv, viele der Kommentare gehen in Richtung „Endlich zeigt es mal jemand der Regierung“. Als sich im vergangenen Winter Aktivisten der „Letzten Generation“ auf die Straße geklebt hatten, sah das noch ganz anders aus. Junge Leute, die sich für eine lebenswerte Zukunft einsetzen, wurden teilweise mit Terroristen in einen Topf geworfen. Sogar aus der Politik waren Begriffe wie „Klima-RAF“ zu hören.

Um das klarzustellen: Ich teile zwar die Ziele der „Letzten Generation“, aber nicht deren Mittel. Es ist für mich nicht zielführend, sich auf die Straße zu kleben und die Bevölkerung gegen sich aufzubringen. Ähnlich sehe ich es bei den Landwirten: Auch sie blockieren bei ihren Demos die Straßen und sorgen dafür, dass der normale Verkehr und der ÖPNV stundenlang stark beeinträchtigt werden. Sie machen das mit großen Maschinen, die man nicht einfach wegtragen kann.

Kampf für Subventionen der falsche Weg

Und auch bei den Landwirten teile ich prinzipiell die Ziele. Ich selbst bin auf einem Bauernhof groß geworden und habe früher täglich dort mitgearbeitet. Deshalb weiß ich, was sie leisten und habe den größten Respekt vor ihrer Arbeit. Für mich gibt es keinen Zweifel: Unsere Landwirte müssen besser entlohnt werden. Deshalb ist es richtig, dass sie demonstrieren. Es geht schließlich um ihr Geld, um ihren Hof und damit auch um ihre Zukunft.

Aber: Die Landwirte sollten nicht für die Beibehaltung der Subventionen demonstrieren, sondern für faire Preise. Es ist doch absurd, dass alles teurer wird, aber der Liter Milch noch fast so viel kostet wie in meiner Kindheit. Großkonzerne wie Aldi und Lidl kaufen weltweit ein und diktieren die Preise. Was darf ein Liter Milch kosten? Was ein Kilo Kartoffeln? Damit die deutschen Landwirte konkurrenzfähig bleiben, müssen viele Subventionen fließen. Weil die aber pro Fläche ausgezahlt werden, profitieren davon am Ende vor allem die Großen.

Dann stellte ich mich auf die Straße…

Ich bin ein großer Freund davon, gegen Ungerechtigkeiten anzukämpfen. Das mache ich schon fast mein ganzes Leben lang. Doch der Protest gegen geplante Subventionskürzungen der Regierung ist meiner Meinung nach nur der Weg des geringeren Widerstands, den der Bauernverband mit massiver Lobbyarbeit forciert. Stattdessen sollten sich Lobbyarbeit und Protest lieber gegen Aldi und Co. richten, die wahren Nutznießer der günstigen Preise. Milch und andere Lebensmittel müssen teurer werden und das Geld am Ende bei den Bauern ankommen. Ich bin mir sicher: Auch sie wären froh, weniger von Subventionen abhängig zu sein.

Stattdessen sah man heute bei der Traktorendemo in Mainz Schilder wie „Die Ampel ist kaputt!“ oder „Der Mittelstand trägt unser Land, die Ampel fährt ihn vor die Wand“. Gegen 12 Uhr mittags fuhr der Demozug an unseren Büros in der Rheinstraße vorbei. Ich wollte mir das Ganze aus der Nähe anschauen und bin mit Kollegen ohne Jacke vor die Tür gegangen. Dabei kam mir die Idee für ein spontanes Experiment: Was passiert eigentlich, wenn ich mit einem Landwirt ins Gespräch komme? Also stellte ich mich schräg vor einen Traktor und sprach den Fahrer an.

Hier seht ihr das Video von der Festnahme

Was dann passierte, war deutlich extremer, als ich es mir vorgestellt hatte. Ein Polizist drehte mit seinem Motorrad um und rief, ich solle von der Straße gehen. Als ich nicht sofort Folge leistete, schubste er mich mit Gewalt auf den Bürgersteig. Sein Motorrad blieb vor dem Traktor stehen und blockierte die Straße deutlich länger, als es ein kurzes Gespräch mit dem Landwirt getan hätte. Mit einem Kollegen legte der Polizist mir Handschellen an. Die ersten Videos dazu kursieren schon im Netz. Hier seht ihr die Situation aus Sicht des Traktorfahrers:

Während ich bei Minusgraden und ohne Jacke in Handschellen auf dem Bürgersteig stand, setzten sich zwei Zeugen für mich ein. Ein Mann, der vorher noch den Daumen in Richtung der Traktoren gehoben hatte, sagte: „Der hat doch nichts gemacht, warum holt ihr ihn mit Gewalt von der Straße?“ Nach etwa einer halben Stunde nahmen mir die Polizisten die Handschellen wieder ab.

Etwa zwei Stunden später löste sich auch die Traktorendemo wieder auf. Der Zoff um die Subventionen wird vermutlich noch lange weitergehen. Schon jetzt ist die Bundesregierung teilweise eingeknickt, die Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Maschinen wird nicht gestrichen. Die Subventionen für Agrardiesel sollen nur noch schrittweise abgeschafft werden. Der Bauernverband scheint also seine Ziele zu erreichen. Dass es am Ende auch das Beste für die Landwirte ist, darf bezweifelt werden.

Hinweis der Redaktion: Mehr Hintergründe und Fakten rund um die Demonstrationen der Landwirte erwarten euch in den kommenden Tagen auf Merkurist.de.

*Transparenzhinweis: Matthias Willenbacher ist unter anderem Inhaber von Merkurist.

Mittlerweile hat sich auch die Mainzer Polizei zu dem Vorfall geäußert (zum Artikel).