Gastautor Christoph Kessel über den Nachhaltigkeitsbericht von Mainz 05

Mainz 05 legt erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht vor. Die Darstellung ist transparent und enthält sowohl qualitative als auch quantitative Angaben. Gleichwohl gibt es an einigen Stellen Optimierungspotenzial. Ein Gastbeitrag von Christoph Kessel.

Gastautor Christoph Kessel über den Nachhaltigkeitsbericht von Mainz 05

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL), in der alle Profi-Clubs der Männer-Fußball-Bundesliga Mitglied sind, hat zur Saison 2023/2024 das Thema Nachhaltigkeit in ihre Lizenzierungsordnung aufgenommen. Die Vorgaben werden von Saison zu Saison strenger. Vor wenigen Jahren waren Nachhaltigkeitsberichte von Clubs der Männer-Fußball-Bundesligisten die Ausnahme. Teilweise wurden sie aufgrund einer Berichtspflicht als Aktiengesellschaft (Borussia Dortmund) publiziert bzw. aufgrund der Pflicht ihrer Eigentümer (VfL Wolfsburg und die Eigentümerin Volkswagen AG). Mittlerweile publizieren immer mehr Clubs Nachhaltigkeitsberichte. So veröffentlichte vor wenigen Wochen Mainz 05 erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht.

Der Verein sieht Nachhaltigkeit als festen Bestandteil der Clubidentität. Dementsprechend wird ein umfassender Wirkungsbereich betrachtet: Stadionbetrieb, Trainingszentren, Vereinsverwaltung, Mitglieder, Fans, Lieferant*innen und Partner*innen. Wie bei Nachhaltigkeitsberichten üblich wurden mit Hilfe einer Wesentlichkeitsanalyse die Themen in Bezug auf Nachhaltigkeit identifiziert, die für die Stakeholder, also Fans, Mitarbeitende, Sponsoren, Gesellschaft einerseits und den Verein andererseits relevant sind. Während für Erstere Umwelt- und Ressourcenmanagement am relevantesten sind, ist für den Verein die Aus- und Weiterbildung bzw. wirtschaftliche Stabilität wesentlich. Eine große Diskrepanz, was die Relevanz angeht, besteht bei den Themen nachhaltige Wertschöpfung, die für die Stakeholder wichtig ist, jedoch nicht so sehr für den Verein. Umgekehrt verhält es sich mit den Themen Innovation und Digitalisierung.

Im Bereich Klimaschutz und Umwelt gibt der Verein eine detaillierte Emissionsbilanz an. Dabei wird die übliche Unterteilung in Scope-1-, -2- und -3-Emissionen vorgenommen, also direkte Emissionen, indirekte Emissionen aus zugekaufter Energie und indirekte Emissionen durch Mobilität, einschließlich der Dienstreisen der Teams, Lieferketten und Vertrieb von Fanartikeln. 80 Prozent der Emissionen von Mainz 05 sind Scope-3-Emissionen. Konkrete Reduktionsmaßnahmen sind vage formuliert, und ambitionierte Minderungsziele fehlen. Da das Männerprofi-Team zu vielen Auswärtsspielen und ins Trainingslager fliegt, gleichzeitig die Luftverkehrsbranche mittlerweile die Möglichkeit bietet, in alternative Kraftstoffe zu investieren, um die Scope-3-Emissionen zu reduzieren, ist es verwunderlich, dass hierzu nicht berichtet wird. Das Thema wird komplett ausgeklammert. Stattdessen wird auf die Fanmobilität geschaut, auf die der Verein naturgemäß vergleichsweise wenig Einfluss hat.

Ein konkretes Ziel im Bereich Abfallmanagement ist die Vermeidung von Abfall. Das wurde im Berichtszeitraum 2023/2024 auch erreicht. Durch die Einführung von Einwegverpackungen für Wasser wird dieses Ziel aktuell allerdings konterkariert.

Im Bereich „Soziale Verantwortung“ zeigt der Verein ein breites Engagement in den Bereichen Integration, Inklusion, Antidiskriminierung, Bildung und Gesundheit. Maßnahmen zur Förderung von Diversität und Geschlechtergerechtigkeit fehlen allerdings. Ein Ziel zur Förderung von Frauen in Führungspositionen existiert nicht.

Im Bereich Governance und Transparenz wird auf den von der DFL geforderten Nachhaltigskeitsbeauftragen verwiesen. Es hat den Anschein, dass die im Bericht erwähnte Steuerungsgruppe Nachhaltigkeit, die aus Mitarbeitenden des Vereins besteht, die Aufgabe hat, das Thema Nachhaltigkeit Entscheidungsträger*innen innerhalb des Clubs näher zu bringen, die mit dem Thema bisher fremdeln.

Sinn eines Nachhaltigkeitsberichts sind auch Zielsetzungen für die kommenden Jahre, über die im folgenden Nachhaltigkeitsbericht Rechenschaft abgelegt werden sollte. Bis 2030 möchte der Verein unter anderem 50 Prozent regionales, bio-zertifiziertes und vegetarisches Catering einführen. Fanartikel sollen zu 50 Prozent nachhaltig produziert werden. Die Flächen für die Photovoltaik-Anlagen sollen verdoppelt werden. Die Förderung von sozialen Projekten soll um 35 Prozent gesteigert werden. CO2-Reduktionsziele werden nicht genannt. Dabei ist die Reduzierung des CO2-Ausstoßes sicherlich das wichtigste Ziel, das man sich im Bereich Nachhaltigkeit als Verein setzen kann. Erste Maßnahmen zur Kreislaufwirtschaft (z.B. Wiederverwendung von Materialien, Mehrwegsysteme) sind etabliert, aber eine umfassende Strategie oder Zahlen zum Recyclinganteil werden nicht ausgewiesen. Eine Einbindung von Fans, externen Expert*innen oder NGOs könnte intensiviert werden.

Der Titel des ersten Mainz-05-Nachhaltigkeitsberichts lautet „Auf dem Weg“. Damit wird der aktuelle Stand rund um das Thema Nachhaltigkeit bei Mainz 05 gut charakterisiert. Der erste Bericht ist auf den Weg gebracht worden. Das Thema Nachhaltigkeit wird in die Vereinsstrategie integriert. Die Ziele sind noch wenig ambitioniert und fehlen beim Thema Mobilität des Männerprofi-Teams komplett. Es bleibt abzuwarten, ob im nächsten Bericht über die aktuellen Zielsetzungen Auskunft gegeben wird und ambitioniertere Ziele in Sachen Nachhaltigkeit gesetzt werden.