Während Sport-Großereignissen gehören Autokorsos schon seit langem auch in Deutschland zu den festen Fan-Ritualen. Vor allem jetzt bei der Fußball-Europameisterschaft (EM) sind fast täglich Anhänger verschiedener Nationalteams auf den Straßen in Mainz unterwegs, um ihrer Freude lautstark freien Lauf zu lassen. Doch das Fahnenschwenken und Brüllen aus dem Auto heraus sowie allem voran das ununterbrochene Hupen stoßen nicht bei allen auf Gegenliebe. Viele Bürger fühlen sich durch Autokorsos belästigt – erst recht, wenn sich die Fan-Fahrten bis weit nach Mitternacht hinziehen. Manche fragen sich, warum solche Korsos überhaupt geduldet werden.
„Tolerant“ ja, aber…
Eigentlich wäre ein Autokorso der Straßenverkehrsordnung zufolge verboten. Doch während der EM drückt die Polizei meist ein Auge zu, wenn auch unter bestimmten Voraussetzungen. Wie der Pressesprecher der Mainzer Polizei, Rinaldo Roberto, auf Anfrage von Merkurist sagt, gehe man grundsätzlich sehr tolerant mit Autokorsos um. „Autokorsos anlässlich von Fußballspielen sind für die Polizei erwartbare beziehungsweise planbare Einsatzlagen.“ Doch es gibt auch Punkte, auf die die Polizei während eines Korsos genau achtet.
So achte man auf Rotlichtverstöße oder beispielsweise, ob Leute auf dem Fahrzeugdach, der Motorhaube oder im geöffneten Kofferraum stehen oder sitzen. Auch das Hinauslehnen aus dem Auto beziehungsweise das Hinaushalten von Gegenständen, insbesondere von Fahnenstangen oder Pyrotechnik aus den Seitenfenstern oder dem Schiebedach sei nicht gestattet. „Es gilt, Gefahren für Teilnehmer und Unbeteiligte rechtzeitig zu erkennen, diese zu verhindern oder schnellstmöglich zu beenden“, sagt Roberto. In Mainz habe es während der EM bisher keine außergewöhnlichen Vorfälle gegeben. „Wenn aber jemand zu Schaden kommt, wird in jedem Fall beendet“, stellt der Polizeisprecher klar.
Beschwerden wegen Lärmbelästigung
In Mainz bestehe inzwischen eine große Routine im Umgang mit Autokorsos. Die Erfahrungen seit der WM 2006 würden regelmäßig überprüft. Zudem gebe es eine „Handlungsanleitung für die Einsatzbewältigung von Autokorsos“, die nach jedem Event fortgeschrieben würde, erklärt Roberto. Unabhängig davon gab es aber „Beschwerden wegen Lärmbelästigung durch feiernde Fans“. Beschwerden würden die Polizei grundsätzlich dann erreichen, wenn der Autokorso ein „sozial verträgliches“ Maß übersteigt. Die sei der Fall, wenn insbesondere in den Nachtstunden die Belästigungen durch Hupen zu groß werde oder der unbeteiligte Individualverkehr zu lange eingeschränkt werde.
Nach dem Sieg der Türkei gegen Österreich am Dienstag habe der Autokorso gegen 1:10 Uhr geendet. Rund 350 Autos hätten daran teilgenommen. Viele Fans seien aber auch zu Fuß in die Innenstadt gegangen. Generell gebe es in Mainz große Bevölkerungsanteile türkischer, italienischer und portugiesischer Herkunft und Fans dieser Mannschaften. Dementsprechend seien nach den Spielen dieser Nationen die Autokorsos am größten. „Grundsätzlich gilt: Es darf eben niemand übertreiben, damit alle sicher und fröhlich feiern können und Gefährdungen im Straßenverkehr vermieden werden“, sagt Polizeisprecher Roberto abschließend.