Es war der 19. Februar 1511, als vor dem Mainzer Stadtrat eine Frau klagte. Sie sei von dem Sackträger Hans Behaltnust mehrmals in der Öffentlichkeit der Hexerei beschuldigt worden. Öffentlich hatte er verlangt, sie zu töten, „damit daß sie nymants keynen schaden mehr thete.“
Der Vorwurf, den vor allem Hans Behaltnusts Frau gegen die Magd Veronika erhob: „Schadenszauber“. Veronika soll sie und ihr Kind mit einem „Sud aus Scharlachsamen“ und einem „Griff“ geschädigt haben. Daraufhin sei der Frau die Milch „genommen“ worden. Veronika sah nicht nur ihre Ehre beschädigt, sondern fürchtete nun auch um ihr Leben. Doch sie hatte Glück: Der Mainzer Rat sprach sie von dem Zaubereivorwurf frei und verurteilte stattdessen Behaltnust zu einer Frevelbuße.
So viel Glück wie die Magd Veronika hatten nicht viele. Während der Frühen Neuzeit wurden in Deutschland geschätzte 25.000 vermeintliche Hexen verfolgt und gefoltert, verbrannt und gehängt. Zum größten Teil waren es Frauen, die getötet wurden, doch auch Hexenmeister und andere, die angeblich mit Dämonen oder dem Teufel einen Pakt geschlossen hatten, kamen ins Fegefeuer.
2000 „Hexen“ wurde der Prozess gemacht
Im Kurfürstentum Mainz wurde etwa 2000 „Hexen“ der Prozess gemacht, besonders in der Zeit zwischen 1570 und 1670. Gemessen an der Fläche von 7000 Quadratkilometer war es „eines der am stärksten von der Hexenverfolgung betroffenen Territorien“, zitiert Dr. Ludolf Pelizaeus aus einem Buch seines Kollegen Herbert Pohl. Pelizaeus hat zu den Hexenprozessen in Kurmainz gemeinsam mit Studierenden eine eigene Webseite erstellt. Erst, als die Schweden 1631 Kurmainz besetzten, hörten die Prozesse auf.
Beteiligt an den Hexenprozessen waren verschiedene Kurfürsten, darunter Wolfgang von Dalberg oder Georg Friedrich Greiffenclau von Vollrads. „Es ist für uns heute zunächst schwer nachvollziehbar, warum es zu Hexenverfolgungen kam“, so Pelizaeus. Was sich jedoch nachweisen ließe: Die Bevölkerung trug einen entscheidenden Anteil. Es kam schnell zu Gerüchten und Anschuldigungen, die sich ebenso schnell verbreiteten. Daraus habe sich dann die Forderung nach strafrechtlichem Vorgehen gegen die „zauberischen Leute“ entwickelt. In den Orten bildeten sich Ausschüsse, in denen das Ganze dann kanalisiert wurde.
Schlimme Ereignisse begründete man schnell mit Hexerei
Die Menschen suchten damals nach einfachen Erklärungen: Krankheiten, schlechte Ernten und schlimme Ereignisse begründete man schnell mit Hexerei. Unwetter und soziale Spannungen bildeten oft den Nährboden. Die Kindersterblichkeit war hoch, es breiteten sich die Pest und andere Seuchen aus. Löhne fielen, Preise stiegen. „Es bildete sich eine breite unterbäuerliche und unterbürgerliche Schicht heraus“, erklärt Pelizaeus. Auch kriegerische Auseinandersetzungen, wie der Dreißigjährige Krieg, wirkten bedrohlich. Das alles sorgte für soziale Spannungen.
Gleichzeitig konkurrierten mehrere Herrschaften miteinander, es bildeten sich Ausschüsse in einer Gesellschaft, die auf Zünften beruhte und das Hexenkonzept breitete sich unter Gelehrten aus. „Lokaler Adel nutzte die Prozesse“, so Pelizaeus. Dadurch wollte man die eigenen Ansprüche gegenüber einem Nachbarterritorium herausstreichen. Anders als oft vermutet, war die Kirche offiziell nicht an der Verfolgung beteiligt – auch wenn der Glauben an Gott die Basis für die Verfolgungen bildete. „Die Frage nach dem Warum ist letztlich für uns heute nicht endgültig erklärbar. Wir sollten aber vorsichtig sein, Massenhysterie vorschnell als überwundenes Phänomen vergangener Zeiten abzutun“, sagt Pelizaeus.
Erst mit dem Beginn der Aufklärung ließ die Hexenverfolgung in Deutschland nach. Die Medizin machte Fortschritte und damit auch die Möglichkeit, Krankheiten zu erklären und zu behandeln. Die Frauen wurden nicht mehr für alles Unerklärliche verantwortlich gemacht. Der letzte Hexenprozess in Deutschland wurde 1749 in Würzburg abgehalten, die letzte Hinrichtung im deutschsprachigen Raum war 1782 in der Schweiz – an einer 17-jährigen Dienstmagd.